Wirtschaft

Stunde Null in Detroit GM blickt in den Abgrund

Offiziell: GM geht in die Insolvenz.

Offiziell: GM geht in die Insolvenz.

(Foto: AP)

Jetzt ist es auch offiziell: General Motors hat Insolvenz angemeldet. Der einstmals größte Autokonzern der Welt will sich in dem Verfahren nach dem amerikanischen "Chapter 11" möglichst rasch sanieren. Die US-Regierung wird wohl weitere zweistelllige Milliardensumme in das Unternehmen stecken, das in "gute" und "schlechte" Teile aufgespalten werden soll.

Stunde Null für den einst größten Autobauer der Welt: Nach jahrelangen Milliardenverlusten hat die bisherige Opel-Mutter General Motors als letzte Überlebensmöglichkeit Insolvenz angemeldet. Die Unterlagen wurden am Montag um 8 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MESZ) bei einem Insolvenzgericht in New York eingereicht. Es ist das größte gerichtliche Gläubigerschutz-Verfahren eines Industriekonzerns in der US-Geschichte.

Mit Modellen wie dem Hummer hat General Motors an den Bedürfnissen der Kunden vorbei produziert.

Mit Modellen wie dem Hummer hat General Motors an den Bedürfnissen der Kunden vorbei produziert.

(Foto: AP)

Gut 100 Jahre nach seiner Gründung steht der führende US-Autoriese damit am Scheideweg zwischen Neustart und Untergang. Mit General Motors (GM) und dem Rivalen Chrysler sind binnen eines Monats zwei der drei großen US-Hersteller in die Pleite gerast. Nur die Nummer zwei - Ford - will trotz Milliardenverlusten ohne Staatshilfe weitermachen. Die Entscheidung über die Zukunft von GM liegt nun in der Hand des Insolvenzrichters, für das Verfahren wird eine Dauer von 60 bis 90 Tagen angepeilt, hieß es von US-Regierungsbeamten.

"Guter" Teil und "schlechter" Teil

Nach der de facto Verstaatlichung soll sich GM - geschützt vor dem Zugriff der Gläubiger - in der Insolvenz ("Chapter Eleven") gesundschrumpfen - der Konzern wird in einen "guten" und einen "schlechten Teil" aufgespalten. GM soll künftig schon in die Gewinnzone fahren, wenn in den USA - wie etwa für 2009 erwartet - lediglich zehn Millionen Autos aller Hersteller pro Jahr verkauft werden. Bislang lag die Schwelle bei 16 Millionen.

US-Präsident Barack Obama hatte dem Traditionsunternehmen ein Ultimatum bis zum 1. Juni gestellt: Entweder legt GM einen überzeugenden Sanierungsplan vor oder als einzige Überlebenschance bleibt die Insolvenz nach US-Muster. Nun wird der Konzern radikal umgekrempelt: Laut Regierung sollen elf Werke geschlossen und drei weitere nicht mehr genutzt werden. Berichten zufolge sollen erneut Zehntausende Stellen wegfallen - auf weit unter 100.000 allein in Nordamerika. Vor zehn Jahren gab es noch mehr als doppelt so viele.

Für Hendersen dürften die fetten Jahre vorbei sein.

Für Hendersen dürften die fetten Jahre vorbei sein.

(Foto: AP)

Die Zahl der US-Marken wird auf vier halbiert - es bleiben GMC, Chevrolet, Cadillac, Buick. Für die schwedische GM-Tochter Saab gab es zuletzt noch zwei bis drei mögliche Käufer. Auch der Geländewagenbauer Hummer und die US-Marke Saturn sollen verkauft werden, Pontiac muss sterben. "Während des Insolvenzverfahrens wird GM wie gewöhnlich arbeiten", hieß es aus dem Weißen Haus.

Einigung mit Gläubigern in letzter Minute

Die US-Regierung übernimmt rund 60 Prozent an dem Konzern, Kanada 12 Prozent. Die Autogewerkschaft UAW erhält für Milliarden- Zugeständnisse knapp 18 Prozent an GM. Die Chancen für ein Überleben von GM stiegen zudem am Wochenende in fast letzter Minute durch eine Einigung mit den Zehntausenden Gläubigern. Für den Verzicht auf 27 Milliarden Dollar an Schulden sollen die Kreditgeber zehn Prozent am neuen Konzern bekommen, später können es bis zu 25 Prozent werden.

Die US-Regierung springt mit weiteren rund 30 Milliarden Dollar ein, um die Insolvenz zu finanzieren, Kanada ist mit knapp 10 Milliarden dabei. Damit haben die US-Steuerzahler rund 50 Milliarden (35 Mrd Euro) in GM gepumpt. Die verbliebenen Aktionäre gehen praktisch leer aus.

"Eines der wichtigsten Prinzipien des Präsidenten ist es, dass die Opfer auf viele Schultern verteilt werden", sagte ein hoher US- Regierungsbeamter. Weitere Staatshilfen seien nicht vorgesehen. "Das soll es dann gewesen sein." Da die Regierung Anteilseigner sein werde, habe sie auch Mitsprache bei der Besetzung des Vorstandes des "neuen GM". Man werde dabei aber "extrem diszipliniert" agieren. Der Staat wolle sich zudem so bald wie möglich wieder von seinen Anteilen trennen.

Hohe Kosten, falsche Modelle

Von Anfang 2005 bis heute hat GM ein Minus von insgesamt 88 Milliarden Dollar eingefahren. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres klaffte ein sechs Milliarden Dollar großes Loch - es war der achte Quartalsverlust in Folge.

Zum Verhängnis wurden GM in den vergangenen Jahren weit zu hohe Kosten und eine verfehlte Modellpolitik. Viel zu lange setzte der Traditionskonzern fast ausschließlich auf bullige Geländewagen und spritfressende Limousinen. Die Konkurrenz vor allem asiatischer Hersteller wie Toyota und Honda wurde völlig unterschätzt. 2008 stießen die Japaner GM nach mehr als einem Dreivierteljahrhundert vom Thron als weltweit absatzstärkster Autobauer.

Der Konzern durchlitt in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder neue Sanierungswellen mit drastischem Stellenabbau. Die Talfahrt beschleunigte zuletzt der dramatische Einbruch des Autoabsatzes erst auf dem Heimatmarkt USA und später wegen der Wirtschaftskrise auch in Europa und anderen Teilen der Welt.

Quelle: ntv.de, mme/rts/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen