Giftige Spinnen am Unterboden Mazda startet Rückrufaktion
04.03.2011, 14:00 Uhr
Auto mit Anziehungskraft: 2009er Mazda 6.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Während deutsche Autofahrer über die Spritsorte E10 diskutieren, muss sich der japanische Hersteller Mazda mit den bizarren Neigungen achtbeiniger Eindringlinge auseinandersetzen: Eine Giftspinnenart fühlt sich vom Tank des Mazda 6 offenbar magisch angezogen. Der Spinnenbefall kann im Extremfall schwere Schäden auslösen. Betroffen sind rund 65.000 Fahrzeuge.

Vereinzelte Funde von Dornfinger-Spinnen hatten in den vergangenen Jahren in Deutschland und einigen Regionen Österreichs für Aufsehen gesorgt. Im Bild ein Dornfinger (Cheiracanthium punctorium).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Ingenieure des japanischen Automobilkonzerns haben mit dem Benzintank-Design eines ihrer Automodelle offenbar unter Spinnentieren einen ganz besonderen Nerv getroffen. US-Berichten zufolge nutzen immer mehr Vertreter der Arachniden die Unterseite von Fahrzeugen zum Bau ihrer Netze. Während die Tiere dort mit dem für Spinnen so typischen Verhalten ihrem natürlichen Verhalten nachgehen, könnte dies für die Wagenbesitzer im ungünstigsten Fall dazu führen, dass Benzin austritt.
Bei Mazda nimmt man das Problem sehr ernst: Weil die Spinnen der Gattung "Yellow Sac" ausgerechnet den Tank einer bestimmten Limousine zur Anlage ihrer kunstvollen Gespinste bevorzugen, ruft der japanische Autohersteller Mazda nun insgesamt 65.000 Autos zurück.
Betroffen seien die Vier-Zylinder-Versionen des Mazda 6 in den USA, Kanada und Mexiko, teilte Firmensprecher Jeremy Barnes in Chicago mit. Allein im US-Markt sind es 50.000 Fahrzeuge der Baujahre 2008 bis 2010, die nun mit speziell konstruierten Spinnenfiltern ausgestattet werden sollen.
"Sie mögen das Röhren"
Warum sich die Spinnenart ausgerechnet im Tank dieser einen Marke heimisch fühlt, konnte Barnes nicht sagen. "Offenbar mögen sie das Röhren der Motoren", sagte er.

Ein "Mazda 6", hier noch als Designstudie auf der Pariser Automobilausstellung im Jahr 2008.
(Foto: dpa)
Mazda-Sprecher Barnes warnte allerdings davor, das Problem auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Spinnennetze könnten die Luftzufuhr in einer Leitung zum Benzintank verstopfen - der Tank könne im schlimmsten Fall in Brand geraten. Bislang sind allerdings noch keine Vorfälle bekannt geworden, in denen sich Unfälle tatsächlich auf Spinnenbefall zurückführen ließen.
Ein von Spinnen ausgelöster Fahrzeugbrand sei bisher noch nicht vorgekommen, bestätigte Barnes. Entdeckt wurde das Phänomen erstmals im Oktober 2009, als ein Mazda-Kunde seinen Wagen wegen eines Benzinlecks in die Werkstatt brachte. Seitdem wurden US-weit 19 weitere Mazda 6 mit Netzen im Tank gefunden.
Die Verstopfung durch Spinnennetze verursacht Unterdruck im Tank, Risse können entstehen und letztenendes kann Sprit auslaufen. Der Hersteller will nun alle betroffenen Fahrzeuge in die Werkstatt bitten, um sie dort auf Spinnenbefall kontrollieren zu lassen. Fachleute bauen dann auch gleich eine Feder ein, die die kleinen Tierchen künftig davon abhalten soll, im Tank eine neue Heimat oder einfach nur Unterschlupf zu suchen.
Taubeneigroße Spinnen-Nester
Bei den Spinnen handelt es sich um eine Unterart der sogenannten Dornfinger (englisch: Yellow Sac Spider), die fast überall in den Vereinigten Staaten vorkommt. Verwandte leben auch in Europa. Warum die Spinnen ausgerechnet den Mittelklasse-Wagen Mazda 6 bevorzugen - dafür hat der Hersteller keine Erklärung.
Spinnenfreunde kennen "Yellow Sac"-Spinnen unter ihrem wissenschaftlichen Namen "Cheiracanthium". Sie gehören zur Familie der Dornfingerspinnen (Miturgidae), die ursprünglich in der Mittelmeerregion heimisch waren und erst später vom Menschen nach Süd- und Nordamerika eingeschleppt worden sein sollen.
Dornfinger der Art "Cheiracanthium punctorium" gelten als die einzige Giftspinnen Mitteleuropas, deren Biss auch für den Menschen gefährlich werden kann. Die Spinne steht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, sie kommen also hierzulande in vereinzelten, von einander getrennten Lebensräumen vor. Der Biss der Kiefernklauen des europäischen Dornfingers kann beim Menschen Symptome wie bei einem Wespen- oder Bienenstich hervorrufen, starke Schmerzen mit Lähmungserscheinungen, begleitet zuweilen durch Schüttelfrost. Lebensgefahr besteht aber nicht. Nur Allergiker sollen sich nach Angaben von Experten vor Spinnenbissen in Acht nehmen.
Verschiedenen Quellen zufolge bauen Spinnen dieser Gattung keine weitgespannten Fangnetze. Die nachtaktiven Jäger ziehen sich tagsüber in ein eigens für diesen Zweck gesponnenes Nest zurück, das Spinnenexperten als etwa taubeneigroß beschreiben.
Aus diesem Verhalten ließe sich - zumindest aus Laiensicht - auch das Mazda-Problem erklären: Die Spinnen sehen in der Entlüftungsöffnung offenbar einen idealen Rückzugsort, der sich mit ein wenig Spinnenseide bequem auspolstern lässt. Die Frage, wie die Tiere mit den beißenden Benzindünsten zurecht kommen, ist bislang noch offen.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa