Wirtschaft

Ansichten eines Investmentbankers PR-Albtraum für Goldman Sachs

Ein Investmentbanker hält Goldman Sachs den Spiegel vor.

Ein Investmentbanker hält Goldman Sachs den Spiegel vor.

(Foto: REUTERS)

"Abzocke und Profitgier": Zwölf Jahre arbeitet Greg Smith für Goldman Sachs. Jetzt verlässt er die Investmentbank und lässt kein gutes Haar an ihr. Geldverdienen stehe über allem, auch dem Wohl der Kunden. "Abzocke" und "Profitgier" wirft er den "Goldmännern" vor und sorgt so für gehörigen Wirbel. Für Experten ist das ein "Desaster für Goldman Sachs", der Bank die "Gottes Werk verrichtet".

Es ist derzeit das Gesprächsthema an der Wall Street: "Warum ich Goldman Sachs verlasse" heißt der Artikel auf einer der hinteren Seiten der "New York Times", der aber mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als so mancher Aufmacher. Firmenveteran Greg Smith rechnet mit der berühmt-berüchtigten Investmentbank in einer Art und Weise ab, die ihres gleichen sucht - und die Goldman-Kritikern neue Nahrung liefert.

"Um das Problem auf den Punkt zu bringen: Die Interessen der Kunden sind zweitrangig, so wie die Firma arbeitet und beim Geldverdienen tickt", schreibt Smith, der nach annähernd zwölf Jahren bei Goldman seinen letzten Tag hatte. Im aufreibenden Investmentbanking ist das eine halbe Ewigkeit. Smith hatte gleich nach dem Studium bei der Bank angefangen. "Ganz ehrlich gesagt, das Umfeld ist heutzutage so vergiftet und zerstörerisch wie ich es noch nie gesehen habe."

"Ein Desaster"

Goldman Sachs
Goldman Sachs 634,70

"Jeder an der Wall Street hat das gelesen", sagt Erik Schatzker, Moderator beim Wirtschaftssender Bloomberg TV. Den ganzen Morgen über läuft das Thema rauf und runter. "Wir reden viel über den Banken-Stresstest, aber das hier ist besser." Seine Kollegin Sara Eisen pflichtet ihm bei: "Es ist ein Desaster für Goldman Sachs." Zu dem Zeitpunkt ergießt sich in Internetforen, Blogs und auf Twitter bereits der Spott über die Bank.

Bankchef Lloyd Blankfein sah sich veranlasst, eine lange E-Mail an seine Mitarbeiter zu schreiben, die über das "Wall Street Journal" gleich ihren Weg an die Öffentlichkeit fand: "Überflüssig zu sagen, dass wir enttäuscht sind über die Einlassungen dieser Person." Blankfein versicherte: Das sei nicht die Goldman Sachs, die er kenne. "Wir sind weit davon entfernt, perfekt zu sein, aber wenn die Firma ein Problem erkennt, gehen wir es an."

Es bedarf schon einiges, um Blankfein aus der Reserve zu locken. Doch der Gastbeitrag weckte böse Erinnerungen an die Betrugsvorwürfe gegen Goldman nach der Finanzkrise 2008. Die Bank hatte nach Auffassung der US-Börsenaufsicht SEC Investoren beim Verkauf von Hypothekenpapieren hinters Licht geführt, um selbst groß abzukassieren. Über Monate standen Goldman und Blankfein am Pranger. Am Ende zahlte das Wall-Street-Haus in einem Vergleich 550 Mio. Dollar (419 Mio. Euro), um aus den Schlagzeilen zu kommen.

Erst im Februar wurde die Bank von einem Richter für einen eklatanten Interessenskonflikt bei der Übernahme der Energiefirma El Paso durch den Konkurrenten Kinder Morgan getadelt.

 "Gottes Werk" 

Blankfein: Nur "ein Banker, der Gottes Werk verrichtet".

Blankfein: Nur "ein Banker, der Gottes Werk verrichtet".

(Foto: REUTERS)

Es war nicht der einzige Fehltritt: Blankfeins flapsig dahingesagter Spruch, er sei nur ein Banker, der Gottes Werk verrichte, ist zum Klassiker für all diejenigen geworden, die ein plakatives Beispiel für die Überheblichkeit der Geldelite suchen. Oder dies hier: In einer internen E-Mail, die im Zuge einer Senatsanhörung ans Licht kam, bezeichnete ein Goldman-Mitarbeiter eine Transaktion ganz unumwunden als "ein dreckiges Geschäft" ("one shitty deal").

Als er angefangen habe, sei es noch darum gegangen, das Beste für den Kunden herauszuholen, schreibt Greg Smith. "Es ging nicht nur darum, Geld zu machen." Heute würden den Kunden dagegen tagtäglich Produkte angedreht, die er gar nicht brauche oder die die Bank einfach loswerden wolle. "In den vergangenen zwölf Monaten habe ich fünf verschiedene leitende Angestellte gesehen, die ihre eigenen Kunden als 'Deppen' bezeichnet haben." Seine Schlussfolgerung: Mit der Moral bei Goldman gehe es bergab.

"Warum ich das Imperium verlasse"

Der viel gelesene Blog "Business Insider" sprach von einem "weiteren PR-Albtraum" für Goldman. Der bekannte CNBC-Moderator Jim Cramer twitterte: "Ich wollte es nicht glauben. Es war eine bittere Pille und eine traurige." BBC-Wirtschaftsexperte Robert Preston gab über Twitter zu bedenken: "Der Schaden für die Firma könnte ziemlich ernst sein." Die britische Website "The Daily Mash" hat bereits eine Satire veröffentlicht: "Warum ich das Imperium verlasse, von Darth Vader".

Goldman mühte sich um Schadensbegrenzung: "Wir widersprechen den geäußerten Ansichten, sie spiegeln nicht die Art und Weise wider, wie wir unser Geschäft betreiben", erklärte eine Sprecherin. "Nach unserer Meinung sind wir nur dann erfolgreich, wenn auch unsere Kunden erfolgreich sind."

Bloomberg-TV-Moderatorin Stephanie Ruhle, früher selbst Bankerin, warnte dann auch, die öffentliche Abrechnung des Goldman-Veteranen Smith zu überschätzen: "Man findet immer einen Mitarbeiter, der unzufrieden ist."

Die Anleger an der Wall Street reagierten auf den Wirbel. Die Goldman-Titel gehörten in einem positiven Gesamtmarkt zu den größten Verlierern. Das Minus betrug zu Handelsschluss mehr als 3 Prozent.

Quelle: ntv.de, bad/dpa/AFP

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