Generalstreik und Herabstufung Portugal liegt lahm
24.11.2011, 17:50 UhrBeim Schuldensünder Portugal standen für einen Tag fast alle Räder still. Mit einem der größten Streiks seit Jahrzehnten protestieren die Menschen gegen die Sparmaßnahmen der Regierung von Ministerpräsident Passos Coelho. Zu allem Unglück senkt Fitch auch noch das Rating des Landes.
Geisterflughäfen, schimpfende Touristen, Müll auf den Straßen, geschlossene U-Bahnstationen und Schulen. Ein eintägiger Generalstreik gegen die Sparpläne der Regierung hat das hoch verschuldete Euroland Portugal in weiten Teilen lahmgelegt. Auch in der Volkswagen-Fabrik Autoeuropa, dem zweitgrößten Exporteur des südwesteuropäischen Landes, standen die Bänder still. In der Hauptstadt Lissabon und in der zweitgrößten Stadt Porto gab es ein Verkehrschaos.
Damit nicht genug: Die Ratingagentur Fitch senkte die Kreditwürdigkeit Portugals auf Ramsch-Niveau - ein weiterer Rückschlag für die konservative Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Fitch bewertet das Land nun mit der Note BB+ nach bislang BBB-. Die Instabilität der internationalen Märkte sei schuld, beteuerte die Regierung.
Die Analysten von Fitch begründeten ihren Schritt mit den großen Ungleichgewichten im Haushalt, der hohen Verschuldung über alle Sektoren hinweg sowie einem ungünstigen konjunkturellen Ausblick. Fitch rechnet damit, dass die portugiesische Wirtschaft im kommenden Jahr um drei Prozent schrumpft.
Durch die Herabstufung trägt die Ratingagentur nicht zu einer schnellen Lösung bei: Das "Downgrade" erschwert die finanzielle Situation des Landes zusätzlich. Die portugiesische Regierung dürfte es nach der Rating-Entscheidung künftig noch schwerer haben, frische Mittel am Kapitalmarkt zu tragbaren Zinsen zu erlangen. Die größte Oppositionskraft, die Sozialistische Partei (PS), bezeichnete die Abwertung als "neuen Schlag in den Magen der Portugiesen".
"Die Streikbeteiligung ist diesmal höher als 2010, und der Streik damals war schon ein Erfolg", sagte ein Gewerkschaftsführer. Nach 1988 und 2010 war dies erst der dritte gemeinsame Streikaufruf der beiden wichtigsten Gewerkschaftsdachverbände - des CGTP und des UGT. Tausende nahmen an einem friedlichen Protestmarsch durch das Zentrum Lissabons teil. Landesweit waren rund drei Dutzend Kundgebungen geplant.
Sparetat 2012 vor Verabschiedung
Der Ausstand traf auch zahlreiche Urlauber aus Deutschland und anderen Ländern. Nach Angaben der Luftfahrtbehörden wurden nur die Atlantikinseln Azoren und Madeira angeflogen. Der öffentliche Verkehr sei stark beeinträchtigt, die Müllabfuhr und die Postverteilung völlig zum Erliegen gekommen, berichteten Medien. In den Krankenhäusern würden nur Notfälle aufgenommen.
Der Generalstreik fand sechs Tage vor der geplanten Verabschiedung des umstrittenen Sparhaushalts 2012 statt. Nächstes Jahr sollen unter anderem die Ausgaben für Gesundheit und Bildung um zehn Prozent gesenkt werden. Den Bediensteten und Rentnern des Staates, die mehr als 1000 Euro beziehen, soll das 13. und 14. Gehalt gestrichen werden.
Als Gegenleistung für das 78 Milliarden Euro schwere Hilfspaket der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) muss Portugal in diesem Jahr das Haushaltsdefizit von 9,8 Prozent (2010) auf 5,9 Prozent senken. Das Ziel für 2012 beträgt 4,5 Prozent. Infolge dieser Bemühungen wird die Wirtschaft des Landes nach jüngster Schätzung der Regierung dieses Jahr um 1,6 und 2012 um 3,0 Prozent schrumpfen.
Quelle: ntv.de, wne/rts/dpa