Hiobsbotschaften ohne Ende Spaniens Industrie schrumpft
11.04.2012, 11:58 Uhr
Spaniens stellvertretende Regierungschefin Soraya Saenz de Santamaría und Premier Mariano Rajoy.
(Foto: REUTERS)
Mit Rekordeinsparungen will Spanien das Vertrauen der Finanzmärkte in das von Schulden geplagte Land zurückgewinnen. Doch dieser Weg könnte sich als falsch erweisen: Die Talfahrt der Industrie beschleunigt sich, während der Druck der Finanzmärkte steigt.
Die Krise in Spanien sorgt weiter für schlechte Nachrichten: Im Februar fiel die Industrieproduktion den sechsten Monat in Folge. Im Jahresvergleich sei arbeitstäglich bereinigt um 5,1 Prozent gesunken, wie die spanische Statistikbehörde INE mitteilte. Im Februar war die Industrieproduktion um 4,3 Prozent geschrumpft, im Januar um 2,5 Prozent.
Gründe für die Talfahrt seien ein schwaches Baugewerbe und eine nachlassende Kfz-Herstellung, hieß es zur Begründung. Die spanische Industrieproduktion ist damit sechs Monate hintereinander geschrumpft und seit Februar 2011 nicht mehr gewachsen. Besserung ist nicht in Sicht: Der Sparkurs der Regierung dürfte die Produktion auch weiterhin dämpfen.
Die Wirtschaft des Landes steht in diesem Jahr vor einer drastischen Rezession, die Arbeitslosenquote ist mit fast 23 Prozent die höchste in der EU. Die Hälfte der Jugendlichen unter 25 Jahren hat keinen Job.
Düstere Aussichten
Eine rasche Trendwende ist Experten zufolge nicht in Sicht. "Um Jobs zu schaffen, ist ein Wirtschaftswachstum von mindestens 1,4 oder 1,5 Prozent notwendig", sagte Citi-Ökonom Guillaume Menuet. "Das wird bis 2014 nicht zu schaffen sein." Die Regierung geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,7 Prozent schrumpft. Citi erwartet 2013 einen Rückgang um 1,2 Prozent.
Spanien fährt angesichts der hohen Renditen auf den Anleihemärkten einen drastischen Sparkurs, um das Haushaltsdefizit zu senken. Mit dem Etat 2012 wird ein Sparpaket in Höhe von mehr als 27 Mrd. Euro geschnürt.
Das Land hatte im vorigen Jahr sein Defizitziel von 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weit verfehlt. Auch die für 2012 ursprünglich angestrebte Marke von 4,4 Prozent kann es nicht erreichen, so dass Madrid mit der EU einen neuen Wert von 5,3 Prozent aushandeln musste.
Doch die Sparmaßnahmen lasten auf der ohnehin schon schwachen Konjunktur. Auch deshalb steigen nach Wochen relativer Ruhe die Renditen an den Anleihemärkten: Derzeit liegen sie für Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren knapp unter der Marke von 6 Prozent. Geht dieser Trend weiter, drohen erhebliche Gefahren: Je mehr die Zinsen steigen, desto mehr muss Spanien für den Schuldendienst ausgeben. Schon jetzt kosten die Zinsen den Staat mehr Geld als beispielsweise die Beamten oder die Unterstützung der Arbeitslosen.
Stiglitz warnt
US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz warnte die Regierungschefs in Europa davor, die Krisenstaaten zu noch größeren Sparbemühungen zu drängen. Der harte Sparkurs in vielen Ländern verstärke den Abschwung, Europa drohe deshalb die zweite Rezession in kurzer Zeit, sagte der frühere Chefökonom der Weltbank der "Süddeutschen Zeitung" und fügte hinzu: "Eine Überdosis Sparen macht alles nur schlimmer." Weltweit gebe es kein Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ein krankes Land genesen ließen.
Der Euroraum brauche stattdessen eine gemeinsame Haushaltsbehörde, die regionale Unterschiede in der Wirtschaftskraft ausgleichen könne. Die Behörde solle etwa Staaten, in denen hohe Arbeitslosigkeit herrscht, zusätzliche Finanzmittel bereitstellen.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/DJ