
Auch in New York wird gegen eine Impfpflicht demonstriert.
(Foto: AP)
Vor allem Anhänger der konservativen Republikaner lassen sich in den USA nicht gegen das Coronavirus impfen. Doch vielen wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als nachzugeben. Sie müssen sich zwischen Impfung und Kündigung entscheiden.
Die USA weisen in der Corona-Pandemie die weltweit höchsten Infektions- und Totenzahlen auf. Im Zusammenhang mit dem Virus sind dort mehr als 700.000 Menschen gestorben, rund 44 Millionen haben sich infiziert. Das liegt auch an den vielen Impfverweigerern: Nur 68 Prozent der über 18-Jährigen sind vollständig geimpft - und das, obwohl es in den USA Impfstoff im Überfluss gibt. Mittlerweile zwingt die US-Regierung deshalb Unternehmen, ihre Mitarbeiter unter Druck zu setzen, damit sich diese impfen lassen. Für viele Millionen Amerikaner heißt die Alternative: Impfung oder Kündigung.
Immer mehr Firmen stellen ihre Angestellten vor diese Entscheidung. Jüngstes Beispiel ist Boeing. Die rund 125.000 US-Mitarbeiter des Flugzeugherstellers sind verpflichtet, bald einen Impfnachweis vorzulegen - oder sie müssen gehen. Nur wer glaubhaft seine Weigerung mit religiöser Überzeugung begründet, kann das vermeiden.
Präsident Joe Biden hatte Mitte September angeordnet, dass ab dem 8. Dezember nur Unternehmen mit geimpften Mitarbeitern staatliche Aufträge bekommen. Hinzu kommt: Alle Firmen mit mehr als 100 Angestellten müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter geimpft sind oder mindestens ein Mal pro Woche getestet werden. Die neuen Vorgaben gelten laut Biden für rund 100 Millionen US-Amerikaner und damit zwei Drittel aller Menschen, die in den USA arbeiten.
Vor diesem Hintergrund kündigten etwa die Fluggesellschaften American Airlines, Southwest Airlines, JetBlue Airways und Alaska Airlines an, die neuen Vorgaben umzusetzen. Auch United Airlines droht Verweigerern mit Entlassung. Nach Angaben des Unternehmens lassen sich nun doch mehr von ihnen impfen, statt 593 werden 320 Angestellte entlassen. Und die Fluggesellschaft Delta kündigte derweil an, nicht geimpften Mitarbeitern von November an umgerechnet 170 Euro pro Monat in Rechnung zu stellen. Dies gilt für Mitarbeiter, die über das Unternehmen krankenversichert sind. In den vergangenen Wochen seien alle Mitarbeiter, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt worden seien, nicht vollständig gegen das Coronavirus geimpft gewesen, sagte Konzernchef Ed Bastian. Im Schnitt hätten die Krankenhauskosten pro Person umgerechnet rund 43.000 Euro betragen.
Auch "Fox News" bittet zur Impfung
Die Anordnung des Weißen Hauses ist möglich, weil das Vakzin von Biontech/Pfizer im September eine vollständige Zulassung von Arzneimittelbehörde FDA erhalten hat - als bisher einziger Impfstoff. Bis dahin galt eine Notfallzulassung. Für Impfgegner und Skeptiker fällt nun ein beliebtes Argument weg. Sie hatten fälschlicherweise behauptet, es handele sich um einen "experimentellen" Impfstoff. Mit den neuen Vorgaben wird es schwer, erfolgreich gegen eine vom Arbeitgeber verhängte Impfpflicht zu klagen.
Anders als in Deutschland können Firmen ihre Mitarbeiter in den USA zwingen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Hierzulande ist das nicht möglich, da es keine gesetzliche Impfpflicht gibt. In Deutschland dürfen Firmen außer in Gesundheitsberufen zudem den Impfstatuts ihrer Mitarbeiter nicht erfassen.
Für Unternehmen in den USA ist es dagegen einfach, den vollständigen Corona-Impfschutz zu verlangen. Viele hatten zwar schon vor Bidens Ankündigung Impfvorschriften für alle oder einen Teil ihrer Mitarbeiter erlassen. Doch nun ziehen viele nach, weil sie die Verantwortung der Regierung geben können. Zu ihnen zählt sogar Fox News. Der konservative Fernsehsender verlangt von seinen Mitarbeitern, sich impfen oder testen zu lassen. Das ist deshalb bemerkenswert, weil es vor allem bei den Anhängern der konservativen Republikaner Widerstand gegen von der Regierung verhängte Corona-Schutzmaßnahmen gibt. Sie sehen Impfungen und Maskentragen als Angriff auf die persönliche Freiheit.
Republikanische Politiker rufen deshalb zum Sturm gegen Bidens Regelung. Eine Hochburg im Kampf gegen die Impfpflicht ist Texas. Der Gouverneur des Bundesstaates, Gregg Abbott, erklärte am Montag sämtliche Verpflichtungen zur Corona-Impfung in seinem Bundesstaat für ungültig - nun müssen Gerichte entscheiden. Abbott selbst ist vollständig geimpft. "Der Covid-19-Impfstoff ist sicher, wirksam und unsere beste Verteidigung gegen das Virus, sollte aber immer freiwillig bleiben und niemals erzwungen werden", sagte er.
Andere argumentieren, dass eine von Unternehmen durchgesetzte Impfpflicht zur einer Kündigungswelle führen werde. Angesichts des brummenden Arbeitsmarktes fiele es den Firmen außerdem schwer, dann Ersatz zu finden. Der texanische Senator Ted Cruz sah Anfang der Woche in den massiven Problemen der Fluggesellschaft Southwest einen Beweis dafür. Das Unternehmen hatte zuvor mehr als 2200 Flüge gestrichen. Cruz führte das auf Piloten und Fluglotsen zurück, die aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen entweder gekündigt oder sich krankgemeldet haben. Die Fluggesellschaft, die Piloten-Gewerkschaft und die Luftfahrtbehörde wiesen das allerdings zurück. Sie führen die Ausfälle auf außerordentlich schlechtes Wetter zurück.
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa/AFP