Wirtschaft

"Lagarde beleidigt Griechenland" Venizelos wütend nach Schelte

Empört über die Äußerungen von Christine Lagarde: Evangelos Venizelos.

Empört über die Äußerungen von Christine Lagarde: Evangelos Venizelos.

(Foto: REUTERS)

Der Chef der griechischen Sozialisten und ehemalige Finanzminister Venizelos empört sich über die Äußerungen von IWF-Chefin Lagarde. Sie solle ihre "beleidigende Äußerungen" überdenken. Die Französin fordert die Griechen auf, Steuern zu zahlen. Sie habe mehr Mitleid mit den Ärmsten in Afrika als mit den Griechen.

Der Vorsitzende der griechischen Sozialisten hat die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, für ihre Äußerungen zur Steuermoral seiner Landsleute scharf kritisiert. Lagarde habe damit "die Griechen beleidigt", sagte Sozialisten-Chef Evangelos Venizelos laut einem Fernsehbericht. "Ich fordere sie auf, zu überprüfen und zu überdenken, was sie sagen wollte", fügte er hinzu.

Der Chef der griechischen Linksradikalen, Alexis Tsipras, erklärte, seine Landsleute aus der Mittelschicht zahlten bereits "unerträgliche" Steuern. "Das Letzte, was wir brauchen, ist ihr Mitgefühl", ließ er Lagarde wissen. Bezüglich Steuerbetrügern solle sie sich an Sozialisten und Konservative wenden, deren bisherige Regierung "das große Geld" verschont habe.

Lagarde hatte die Bürger im hoch verschuldeten Griechenland in einem am Samstag im britischen "Guardian" veröffentlichten Interview aufgefordert, ihre Steuern zu zahlen, um das Land aus der Krise zu führen. Lagarde äußerte trotz der tiefen Einschnitte bei Löhnen und Sozialleistungen und der hohen Arbeitslosigkeit zunächst wenig Bedauern über die Lage des westeuropäischen Staates: "Ich denke mehr an die Kinder, die in einem kleinen Dorf im Niger in die Schule gehen und zwei Stunden Unterricht am Tag erhalten, sich zu dritt einen Stuhl teilen und sehr froh sind, eine Ausbildung zu bekommen", sagte sie. "Ich habe sie immer im Auge, weil ich glaube, dass sie sogar mehr Hilfe brauchen als die Menschen in Athen."

Am späten Samstag relativierte Lagarde ihre Aussagen und versicherte den Griechen ihr Mitgefühl angesichts der einschneidenden Sparmaßnahmen. Zugleich verwies sie aber erneut auf die Notwendigkeit einer gerechten Lastenverteilung in der Krise. Insbesondere reiche Griechen rief sie zur Einhaltung ihrer steuerlichen Pflichten auf.

Vor gut einem Jahr sprachen Venizelos und Christine Lagarde in ihren damaligen Funktionen als Finanzminister noch kollegial miteinander.

Vor gut einem Jahr sprachen Venizelos und Christine Lagarde in ihren damaligen Funktionen als Finanzminister noch kollegial miteinander.

(Foto: REUTERS)

Die griechische Wirtschaft befindet sich das fünfte Jahr in Folge in der Rezession. Im Gegenzug für Milliardenkredite der Europäischen Union und des IWF hatte sich die Anfang Mai abgewählte griechische Regierung aus Sozialisten und Konservativen zu einem drastischem Sparprogramm verpflichtet. Nach der Wahl, bei der sparkursfeindliche Parteien großen Zuspruch erfuhren, kam keine neue Regierung zustande, weshalb am 17. Juni erneut gewählt werden soll.

Sollten bei der Abstimmung am 17. Juni die Gegner der mit den Geldgebern vereinbarten Sparprogramme gewinnen, droht Griechenland ein Ende der Hilfen und damit ein Ausscheiden aus der Euro-Zone. In Umfragen zeichnete sich allerdings zuletzt wieder ein Vorsprung für die Parteien ab, die den verabredeten Kurs fortsetzen wollen. Vier Befragungen zufolge liegt die konservative Neue Demokratie (ND) nun knapp vor den Spar-Gegnern aus der linksradikalen Syriza. Zusammen mit ihrem bisherigen Koalitionspartner Pasok käme sie demnach auf eine Mehrheit von elf bis 16 Sitzen im neuen Parlament. Der ND-Vorsprung erreichte in den Umfragen zwischen 0,5 und 5,7 Prozentpunkte.

Touristen sollen Bargeld mitnehmen

Derweil wirft ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsgemeinschaft immer kräftigere Schatten voraus. Der Reisekonzern TUI Deutschland  rät Touristen, viel Bargeld nach Griechenland mitzunehmen und sich damit für ein Versiegen des Geldstroms zu wappnen. Dies gelte vor allem für Reisende ohne Pauschal-Vertrag und für den Fall, "dass die Versorgung mit der Drachme noch nicht in ganz Griechenland gewährleistet ist", erklärte TUI-Manager Markus Bruchmüller auf der Internetseite des Unternehmens.   

Der größte deutsche Versicherer von Export-Geschäften, Euler Hermes, lehnt es immer öfter ab, die Risiken im Handel mit griechischen Unternehmen abzusichern, wie die "Bild"-Zeitung berichtete. Nächste Woche wolle die Firma alle Neugeschäfte mit dem Euro-Land stoppen, weil die Zahlungsfähigkeit der Partner gefährdet sei.       

Quelle: ntv.de, sla/rts/AFP

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