"Wir sind keine Versuchskaninchen" Zyperns Volkszorn zeigt Wirkung
18.03.2013, 22:00 Uhr
Ein Bild, das Bände spricht.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Zypern gehen die Bürger auf die Straßen und wehren sich, weil der Staat Teile ihres Vermögen zur Krisenbewältigung konfiszieren will. Die Regierung reagiert: Kleinsparer sollen nun offenbar von der Zwangsabgabe ausgenommen werden. Auch die Euro-Finanzminister zeigen sich kompromissbereit.
Die Stimmung in Zypern ist explosiv. In allen Parteien und in der Gesellschaft herrsc ht Aufruhr. Keiner mag hinnehmen, dass Kinder und Rentner mit kleinen Ersparnissen mit einer Zwangsabgabe auf Bankeinlagen dem Staat unter die Arme greifen müssen - und damit auf eine Stufe mit Wohlhabenden aus Russland und der Ukraine gestellt werden. Der konservative Präsident Nikos Anastasiades musste einlenken: Die Regierung will nun doch Kleinsparer von der geplanten Zwangsabgabe ausnehmen. Und auch die Euro-Finanzminister sind zu Zugeständnissen bereit.
Die Minister billigten Zypern am Abend Änderungen bei der umstrittenen Zwangsabgabe auf Kontenguthaben zu. Kleinsparer sollten anders behandelt werden als die Inhaber großer Vermögen, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Guthaben unter 100.000 Euro seien garantiert. Den zyprischen Behörden würde mehr "Progressivität" bei der Zwangsabgabe erlaubt - auf konkrete Grenzwerte und Prozentsätze ging der Niederländer nicht ein.
Die Eurogruppe hatte in der Nacht zum Samstag ein Rettungspaket von zehn Milliarden Euro für die klamme Mittelmeerinsel geschnürt. Die Zwangsabgabe soll nach damaligen Angaben 5,8 Mrd. Euro zur Rettung des Landes einbringen. Dieser Betrag soll nach dem Willen der Eurogruppe auch nach den Änderungen erreicht werden.
Die Abstimmung im Parlament in Nikosia über die erstmalige Zwangsabgabe für Bankeinlagen - als Bedingung für das Milliarden-Hilfspaket der Euro-Partner - wurde zum zweiten Mal binnen 48 Stunden verschoben. Anastasiades' Koalitionspartner und Chef der Demokratischen Partei, Marios Karogian, gab den Volkszorn wieder: "Wir (Zyprer) sind keine Versuchskaninchen." Sogar aus eigenen Reihen des Regierungslagers meldeten sich Abweichler. Die Abgeordneten wollen jetzt am Dienstagabend zusammenkommen, um über das neue Gesetz zu beraten und abzustimmen.
Eine Bankenkrise und die Russen
Hunderte Bürger versuchten indes ihr Geld abzuheben - vergeblich. Der Teilsieg der Menschen auf der Straße und der politischen Gegner des Sparprogram ms ändert nämlich nichts daran, dass der aufgeblasene zyprische Bankensektor verkleinert werden muss, bevor er den Staat mit in den Abgrund zieht. Reiche Russen und Ukrainer - so Experten der EU - dürften nicht mehr von einem Bankensystem profitieren, das ihren Bedürfnissen angepasst ist.
Der EU ist das Thema Schwarzgeld ein Dorn im Auge. Unabhängige Studien zeigen zwar, dass Zypern nicht ganz oben auf der Liste der Staaten ist, die Gelder aus dubiosen Quellen aufnehmen. Allerdings: Zypern hat internationale Finanzhilfe beantragt, weil eine schwere Bankenkrise die Insel erschüttert.
Gefährlicher Präzedenzfall
Zu Wochenbeginn konnten viele Zyprer die Solidarität anderer Europäer spüren. Hinter ihnen stand fast die gesamte internationale Presse. Noch nie habe es so einen Schlag gegen den Anlegerschutz gegeben, lautete der Tenor in fast allen Medien. Es könnte ein gefährlicher Präzedenzfall werden, obwohl immer wieder betont wird, bei Zypern handele es sich um einen Einzelfall. Tabus zu brechen sei manchmal keine gute Idee, hieß es in Nikosia. "Das hat nichts mit ökonomischer Logik zu tun", sagten einstimmig die Menschen auf den Straßen.
Die zweite Halbzeit der Zypern-Rettung soll am Dienstag gespielt werden. Das Parlament soll entscheiden, wer wieviel zahlen muss, um das Land zu retten. Die Zahlen sind klar. Die Bedingungen der Geldgeber auch: Zypern braucht 17,5 Mrd. Euro. Die Eurogruppe ist bereit, 10 Mrd. Euro beizusteuern. Weitere 5,8 Mrd. Euro müssen die Bürger und die Oligarchen durch die Zwangsabgabe auf Bankeinlagen zahlen. Den Rest der 1,7 Mrd. Euro will Zypern bei den Russen suchen. Möglicherweise könnte eine russische Bank eine der zyprischen Geldinstitute übernehmen. Zudem hofft Zypern auf eine Streckung der Zahlung eines russischen Kredites in Höhe von 2,5 Mrd. Euro.
Zyperns Regierung will nun offenbar Kleinsparer mit Guthaben bis zu 20.000 Euro verschonen. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen des Finanzministeriums. Bis zu 100.000 Euro sollen wie gehabt 6,75 Prozent abgezogen werden. Für Beiträge über 100.000 Euro sollen 9,9 Prozent an den Staat gehen. Eine offizielle Bestätigung gab es allerdings noch nicht.
Mit der Ausnahme der Kleinsparer würden Zypern nun etwa 300 Mio. Euro fehlen, um die nötigen 5,8 Mrd. Euro einzusammeln. Wie es aus Kreisen des Ministeriums hieß, sollen die fehlenden Gelder "aus anderen Quellen" kommen. Welche diese sind, blieb unklar.
Quelle: ntv.de, nad/dpa/rts