Kolumnen

Per Saldo - die Wirtschaftskolumne Banken in der Kredit-Klemme

Es klemmt in Deutschland – aber nicht bei der Kreditvergabe, sondern bei einer sachlichen Beurteilung, welche Risiken eine Bank beim Geldverleih eingehen soll.

Schleusen auf für mehr Liquidität.

Schleusen auf für mehr Liquidität.

Zwei Jahre ist es her, da brach die Finanzkrise wie ein Gewitter mitten im Hochgebirge mit aller Wucht über Deutschland herein – plötzlich, heftig und unausweichlich. In immer schwindelerregendere Höhen hatte sich damals die einst so grundsolide Mittelstandsbank IKB mit windigen US-Hypothekengeschäften empor gewagt, bis sie – eiskalt erwischt von den düsteren Wolken aus Richtung des Atlantiks – vor einem unüberwindbaren Abgrund stand. Erstmals wurden damals Milliarden Euro an staatlichen Rettungsgeldern in Bewegung gesetzt, um einen Absturz der IKB abzuwenden und damit gleichermaßen das schier unkalkulierbare Risiko einer Lawine in Richtung des gesamten hiesigen Finanzsystems zu verhindern.

Viel wurde seitdem über richtige und falsche Konsequenzen aus der Krise diskutiert, in die sich die Kreditwirtschaft selbst hineinmanövriert hatte. Unstrittig war dabei jedoch sehr schnell eines: Die Warnsysteme der Banken vor zu hohen Risiken müssen generalüberholt werden, um eklatante Auswüchse wie etwa bei der allzu freizügigen Kreditvergabe an zahlungsunfähige Schuldner in Zukunft zu verhindern. Es gilt, ein neues Maß der ökonomischen Vernunft für die Geschäftsmodelle der Kreditwirtschaft zu finden. Zu dieser Erkenntnis gelangten nicht nur kritische Stimmen des Finanzmarktkapitalismus, sondern auch prominente Vertreter der Zunft wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann: "Es gibt Lektionen aus der Krise, die wir nicht ignorieren dürfen", mahnte er unlängst und wandte sich damit gegen Spekulationen, die eigene Branche könnte angesichts wieder steigender Unternehmensgewinne der Banken schon bald wieder "zum 'business as usual' zurückkehren".

Risiko aushebeln

Alles wie bisher – das war und ist auch nicht im Interesse von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Doch bei der Richtung von Reformen ist er sich in seinem Kurs offensichtlich nicht ganz so sicher. Noch im Februar 2008 – die Hypo Real Estate wankte bereits nach hohen Abschreibungen, Großbritannien musste mit Milliarden einen Bank Run wegen einer Schieflage von Northern Rock verhindern – forderte Steinbrück von den Banken mehr Eigenkapital hinter Krediten – und er war damit nicht alleine. Das Gebot der Stunde hieß neudeutsch "deleveraging". Die Idee: Um das Risiko für eine Bank durch faule Kredite zu verringern, sollte sie künftig mehr eigenes Geld als Sicherheit bei der Kreditvergabe mitbringen.

Derzeit gilt: Für jeden verliehenen Euro muss die Bank mindestens acht Cent eigenes Geld bereithalten – bei einem schlechten Rating des Kreditnehmers auch mehr. Diese Sicherheitsleistung der Bank sollte nach dem 2008 bekundeten Willen Steinbrücks im Interesse einer solideren Kreditvergabe steigen, was für das Geldhaus im Regelfall weniger Rendite bedeutet: Je stärker es einen Kredit mit fremdem Geld unterfüttern kann, umso mehr Kredite kann es insgesamt vergeben – und umso mehr kann es davon profitieren, Geld teurer zu verleihen als es selbst zu leihen. Angehende Betriebswirte lernen das an der Uni als "Leverage-Effekt" im 1. Semester.

Sollen die Banken mehr Eigenkapital hinterlegen, können sie weniger Kredite vergeben.Bei den Schuldnern schauen sie künftig noch genauer in die Bücher, bevor Geld fließt. In Zeiten einer schrumpfenden Wirtschaft ist das zugegebermaßen ein hoher Preis. Wenn ein Unternehmenskredit ausläuft und neu ausgehandelt werden muss, kann es bei so mancher Verhandlung mit der Bank eng werden. Doch nicht jede abgelehnte Finanzierung ist bereits ein Indikator dafür, dass Banken ihre Liquidität systematisch horten statt sie an Kreditnehmer weiterzureichen. Wer mehr Sicherheit will, kann nicht zugleich auf eine großzügigere Kreditbewilligung pochen - doch genau das ist nun zu beobachten.

Schleusen auf

Wo noch vor einem Jahr das Hohelied der neuen Kreditsicherheit gesungen wurde, soll nun in einem gemeinschaftlichen Kraftakt eine vermeintlich um sich greifende Kreditklemme abgewendet werden. Ob Union oder SPD, die Richtung ist klar: Die Banken sollen die Schleusen öffnen und den Unternehmen geben, wonach es sie dürstet – Geld! In einem Brief an die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft wird Steinbrück deutlich: "Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich es nicht bei Appellen belasse". Kräftig befeuert werden solche Kampfansagen von den großen Wirtschaftsverbänden, flankiert von Umfragen etwa des Ifo-Instituts, wonach mehr als jedes zweite große Unternehmer spürt, dass Banken nur noch sehr zögerlich Kredite vergeben. Doch Lobbyisten und Meinungsumfragen ersetzen keine Fakten. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Volumen der Unternehmenskredite nämlich nicht gesunken, sondern um 1,8 Prozent gestiegen – Kreditklemme sieht anders aus. Zugegeben, das Wachstum bei der Kreditvergabe ist zurückgegangen, doch angesichts einer sinkenden Produktionsleistung in der Wirtschaft ist das kein valider Hinweis, dass es flächendeckend klemmt bei den Krediten.

Eines ist auch klar: Auslöser der Finanzkrise waren nicht zu üppige Unternehmenskredite, sondern allzu waghalsige Derivate-Kaskaden auf sehr brüchigem realwirtschaftlichem Fundament. Entstanden sind diese Geschäfte in einem Geist fahrlässiger Freizügigkeit, in der billiges Geld die Maßstäbe solider Kreditprüfung systematisch außer Kraft setzte. Wer nun die Banken auffordert, bei der Prüfung von Finanzierungen aus gut gemeintem gesamtwirtschaftlichem Interesse schon mal fünfe gerade sein zu lassen, handelt in diesem Sinne grob fahrlässig.

Politisches Getöse war zu erwarten im Superwahljahr 2009. Doch der Überbietungswettstreit um immer härtere Forderungen an die Banken nach mehr Krediten für die heimische Wirtschaft erscheint nach all der berechtigten Kritik an zu wenig Solidität in der Finanzindustrie nur allzu bigott.

Quelle: ntv.de

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