Die Busch-TrommelKeiner spricht gegen sein Buch!

n-tv Börsenkommentator Friedhelm Busch sehnt sich nach der guten, alten Zeit des Parketthandels, als es üblich war, lieber nichts zu sagen, als zu lügen. Heute findet nicht nur an der Börse niemand mehr etwas dabei, Anleger bewusst hinters Licht zu führen.
In den goldenen Zeiten des alten Parketthandels besagte eine Börsianerweisheit: "Keiner spricht gegen sein Buch". Kein Händler oder Makler, der für eine bestimmte Aktie in seinem kleinen, sorgfältig gehüteten Notizbuch einen Kaufauftrag stehen hatte, war vor der Kamera bereit, vor dem endgültigen Geschäftsabschluss etwas Positives über dieses Papier mitzuteilen, konnte dies doch den Preis der Aktie zu Lasten seines Auftraggeber verteuern.
Im Gegenteil: Jede negative Äußerung, selbst wenn sie nicht der Wahrheit entsprach, war gut fürs Geschäft. Entsprechendes galt umgekehrt bei einem Verkaufsauftrag. Aber diese egoistische Interessenlage war im Grunde allgemein bekannt. Schon deshalb verzichteten wir Journalisten von vornherein auf seine Stellungnahme zu dieser Aktie. So war beiden Seiten geholfen: Der Börsianer musste nicht lügen, und der Reporter wurde nicht getäuscht.
Ganz anders läuft es dagegen, wenn heute die zahllosen Verkünder der letzten Wahrheit im prächtigen Mantel fachlicher Kompetenz daher kommen und in aller Öffentlichkeit beispielsweise das Risiko einer drohenden Inflation ganz entschieden und überzeugend herunterreden, nur weil sie selber oder ihre Auftraggeber weiterhin auf das billige Geld der EZB hoffen, das bei einem inflationären Anstieg der Preise versiegen könnte. Über dieses Motiv aber wird natürlich nicht gesprochen. Berichterstatter und Anleger werden in solchen Fällen also bewusst hinters Licht geführt.
Wie die Börse, so die Politik
Ähnlich läuft es in der Politik. Seit Jahr und Tag wird vor allem in den sozialistischen Parteien gegen deutliche Steuersenkungen mit der Begründung gestritten, die Entschuldung des Staates habe unbedingten Vorrang. Zwar ahnt jeder denkende Bürger, dass kaum ein Politiker an das Erreichen dieses Zieles glaubt, doch als Begründung für die Abwehr von Steuersenkungsplänen kommt die beschworene Pflicht zur Konsolidierung der Staatshaushalte immer wieder gut an. In Wirklichkeit aber verbirgt sich hinter diesem dröhnenden "Nein" zu einer Steuerreform auch die Ahnung, dass die eigenen Wähler von einer geringeren Steuerlast gar nichts hätten, weil sie nur geringe oder gar keine Steuern zahlen.
Nicht immer muss sich also der hehre Schein mit den tatsächlichen Hintergedanken decken; dafür liefern zurzeit auch die deutschen Gewerkschaften beredte Beispiele. Lautstark fordern sie direkt und über ihnen nahestehende Politiker effizientere und schnelle Hilfsprogramme für jeden, der in Not ist. Das sind in diesen Tagen und Monaten vor allem die südeuropäischen Stabilitätssünder, die – nach Lesart der Gewerkschaften - auch deshalb in diese verzweifelte Lage geraten sind, weil ihnen die deutsche Exportwirtschaft mit ihren konkurrenzlos niedrigen Lohnkosten das wirtschaftliche Überleben erschwert hat. Folglich, so die Vorstellung der Gewerkschaftsbewegung, muss der deutsche Staat helfen: Mit höheren Mindestlöhnen hierzulande – um deutsche Exportwaren zu verteuern - und natürlich mit Geld, mit viel Geld. Notfalls muss halt die EZB ihre Geldschleusen noch weiter öffnen.
Wer nun aber in der Folge das Gespenst der Inflation heraufziehen sieht, wird durch gewerkschaftsnahe Wirtschaftswissenschaftler als überängstlich diffamiert. Was die Gewerkschaftsbosse wiederum nicht daran hindert, die tatsächlichen Preissteigerungen dann als Vehikel für deutliche Tariflohnerhöhungen zu nutzen; wohlwollend begleitet von Politikern im Bund und in den Ländern; werden doch die Gewerkschaften bei den kommenden Wahlen als Verbündete dringend gebraucht. Und diese brauchen, genauso dringend, neue Mitglieder, die man am besten durch erfolgreiche Tarifverhandlungen und hohe Lohnprozente ködert. Wenn aus diesen Tarifabschlüssen in der logischen Konsequenz erneute Preissteigerungen folgen, etwa im öffentlichen Nahverkehr oder im Gesundheitswesen, ist das natürlich kein Grund zur Einsicht, sondern höchstens ein Argument für noch höhere Tarifforderungen in den nächsten Lohnrunden. Häufig, allzu häufig, handeln unsere gewählten Interessenvertreter und all die "Gutmenschen der sozialen Gerechtigkeit" nur im eigenen Interesse. Begreifen wir es endlich: Keiner spricht gegen sein eigenes Buch! Nicht nur auf dem Börsenparkett.