Quark und Joghurt knappMilchstreit kocht hoch
Der Lieferboykott der Milchbauern dürfte bald die Verbraucher erreichen. "Wenn es mit der Blockade so weitergeht, dann könnte es schon eng werden", befürchtet Matthias Brandl, Sprecher des Milchindustrieverbandes MIV. Sein Verband droht mit Klagen: "Die Boykotte sind illegal. Und Illegales muss man mit dem Gesetz bekämpfen".
Der Lieferboykott der Milchbauern dürfte bald die Verbraucher erreichen. "Wenn es mit der Blockade so weitergeht bei den Molkereien, dann könnte es schon eng werden", sagte Matthias Brandl, Sprecher des Milchindustrieverbandes (MIV). Er räumte ein, dass der vom Bundesverband der Milchviehhalter (BDM) geforderte Mindestpreis von 43 Cent pro Liter je nach Hof mehr oder weniger gerechtfertigt sei. Die Milchbauern hatten am Montag ihrer Forderung nach höheren Preisen mit bundesweiten Protestaktionen und Molkerei-Blockaden Nachdruck verliehen. Die Bauern erhalten derzeit zwischen 27 und 35 Cent pro Liter Milch.
Vertreter der Milchindustrie rechnen damit, dass dem deutschen Handel spätestens Mittwoch die Milch ausgehen wird. "Es gibt Lieferengpässe, und die nehmen stündlich zu", sagte Eckhard Heuser, MIV-Geschäftsführer der "Financial Times Deutschland". Dies betreffe sowohl frische Milch als auch H-Milch. Am Montag sei die Versorgung noch gewährleistet gewesen. Der MIV vertritt Milchverarbeiter wie etwa Nordmilch oder Humana, die von den Lieferungen der Milchbauern abhängig sind.
Heuser drohte den protestierenden Bauern mit Klagen. "Die Boykotte sind illegal. Und Illegales muss man mit dem Gesetz bekämpfen", sagte Eberhard Hetzner vom MIV laut "Westdeutscher Allgemeinen Zeitung". Der Verband werde seinen Mitgliedern empfehlen, juristisch gegen Boykotte vorzugehen. Am Montag hatten Milchbauern erstmals auch in Nordrhein-Westfalen fast alle Molkereien blockiert, berichtete die "WAZ". Dauerten die Boykotte an, werde es im größten Bundesland "in zwei Tagen leere Kühlregale" geben, sagte Gerd Krewer, Sprecher der Landesvereinigung Milchwirtschaft NRW, dem Blatt.
Spitzenvertreter des Einzelhandelverbandes HDE und der Landwirte bemühen sich um eine Lösung im Milchpreis-Streit. Ein Treffen in Köln ging am Montagabend allerdings ergebnislos zu Ende. Beide Seiten wollten sich nicht zu dem Verlauf äußern. Der Vorsitzende des Milchbauernverbandes BDM, Romuald Schaber, bezeichnete das Gespräch in einer Erklärung jedoch als "konstruktiv".
Jetzt Joghurt hamstern?
Die Großmolkerei Ehrmann muss nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung bereits heute die Produktion einstellen, sollte die Zufahrtswege zu beiden Werke weiter blockiert werden. Sogar Produkte wie Joghurt und Quark könnten zum Wochenende knapp werden, berichtete das Blatt unter Berufung auf die Geschäftsführung.
In der Branche wird erwartet, dass die Milchbauern nach ihren bisherigen Protestaktionen bei Molkereien nun auch die Einzelhändler ins Visier nehmen. In den kommenden Tagen könnten auch die Großlager des Handels von Blockaden betroffen sein, hieß es. Das würde die Versorgungslage abermals verschärfen.
"Ungebrochene Entschlossenheit"
Der Deutsche Bauernverband (DBV) geht inzwischen davon aus, dass Molkereien und Einzelhandel unverzüglich mit Preis-Nachverhandlungen beginnen werden. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter sah nach den neuesten Aktionen eine "ungebrochene Entschlossenheit" der Milcherzeuger. Der Milchindustrie-Verband wurde nachdrücklich aufgefordert, "endlich seine Verantwortung für die Milchbranche wahrzunehmen".
Bei einem Treffen mit Milchbauern in Spiegelau in Bayern forderte CSU-Vorsitzender Erwin Huber die Verbraucher zu Solidarität mit den deutschen Bauern auf. "Auch Qualität hat ihren Preis, nehmt nicht jede Ramschware", sagte er.
Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) kündigte einen "Milchgipfel" an, sobald der Streit zwischen Milchbauern und Industrie beendet ist. Aus dem aktuellen Streit werde sich die Politik weiter raushalten.
Ruhe bei den Eidgenossen
Unterdessen haben die Schweizer Milchproduzenten mit ihren Protesten eine Preiserhöhung durchgesetzt: Zum 1. Juli erhalten sie pro Kilo Milch sechs Rappen (knapp vier Cent) mehr. Diesen Kompromiss handelte der Verband Schweizer Milchproduzenten (SMP) in der Nacht zum Dienstag mit den Molkereien aus, wie der Verband mitteilte.
Dieser Preis gelte fest für sechs Monate. Der Verband rief die Milchbauern dazu auf, das Verhandlungsergebnis anzuerkennen und den Milchstreik sofort zu beenden.
Nach Darstellung des Verbands SMP hat die Streikorganisation BIG-M dieses Verhandlungsergebnis akzeptiert und zugesichert, den Streik sofort abzubrechen. BIG-M hatte eine Erhöhung des Milchpreises um zehn Rappen (gut sechs Cent) gefordert.