Frust über teure Premier League Engländer schwärmen für die Bundesliga
15.05.2013, 15:07 Uhr
In England gehören solche Bilder der Vergangenheit an - in Dortmund sind sie während der Saison an jedem zweiten Wochenende der Normalfall.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein deutsches CL-Finale in England - nicht nur der sportliche Erfolg der Bundesliga beeindruckt britische "Supporters". Für viele bietet die höchste deutsche Spielklasse das, was sie zu Hause schmerzlich vermissen: bezahlbare Tickets, Förderung der eigenen Jugend und Vereine mit Identität. Längst haben sie eigene Fanclubs gegründet.
Die "Gelbe Wand" im Miniformat, Lederhosen auf den Rängen und die beiden besten deutschen Klubs auf dem Spielfeld des Wembley-Stadions: Beim Endspiel der Champions League zwischen Borussia Dortmund und Bayern München in London trägt die Bundesliga zum Neid der Gastgeber einige ihrer großen Attraktionen zur Schau. Die Briten sind in ihrem Fußball-Heiligtum am 25. Mai nur Zaungäste - und fragen sich: Warum sind die "bloody Germans" plötzlich so stark?
Die Sorge ist groß, läuft die Premier League doch Gefahr, ihre einstige sportliche Vormachtstellung in Europa an die Bundesliga zu verlieren. In anderen Bereichen ist sie längst abgehängt. "Die Premier League war jahrelang das Maß aller Dinge im europäischen Fußball. Nun schauen die Engländer gerade mit viel Hochachtung auf die Bundesliga", sagte Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann der "Welt". Hamann war im Jahr 2000 der letzte Spieler, der ein Tor im alten Wembley-Stadion schoss. Erstmals seit 1996 war in dieser Saison kein Verein aus der englischen Eliteklasse unter den acht besten europäischen Klubs vertreten. Die Bundesliga, aus der lange Zeit nur der FC Bayern als ernstzunehmender Konkurrent galt, spielt die europäische Krone unter sich aus.
Investorengier und teure Tickets vergällen Fans die Liga
Das ist, so das Empfinden im Mutterland des Fußballs, auch ein wenig der Sieg der guten alten Zeit über die nicht immer schöne neue Welt. Die von Eignern der Sorte Roman Abramowitsch (FC Chelsea) dominierte Liga gefällt vielen Fans nicht mehr. Die deutsche 50+1-Regel, nach der Investoren maximal 49 Prozent der Klubanteile erwerben dürfen, gilt wie das Nachwuchskonzept der Bundesligisten als vorbildlich. Während in England häufig überzogene Summen für teure Stars gezahlt werden, setzt die Bundesliga - teils aus wirtschaftlicher Notwendigkeit und auch als Folge des EM-Debakels 2000 - auf Talente. Als Ergebnis stehen sich in Wembley Mario Götze und Thomas Müller, Marco Reus und Manuel Neuer gegenüber.
Doch nicht nur aus sportlicher Sicht richtet sich der Blick neidvoll in Richtung Germany. 15 Euro kostete in der am Samstag endenden Bundesligasaison das günstigste Ticket bei Meister Bayern München. Stehplätze, wohlgemerkt. Dieses von deutschen Fans vehement verteidigte Relikt, ist durch die Hillsborough-Katastrophe von 1989 auf der Insel undenkbar geworden. Englands Champion Manchester United verlangt von seinen Fans in der günstigsten Kategorie über 40 Euro. Diese Zahlen der beiden Top-Klubs stehen stellvertretend für die Gesamtlage in den jeweiligen Ligen.
Da die vergleichsweise günstigen Einzeltickets in England kaum zu bekommen sind, ist der Frust der Fans besonders über die Preise für Dauerkarten groß. In der Spielzeit 2012/13 wurden ligaweit im Schnitt 800 Euro verlangt. Besonders kräftig bittet der FC Arsenal seine Anhänger zur Kasse. Wer den deutschen Nationalspielern Lukas Podolski und Per Mertesacker regelmäßig zujubeln will, zahlt im Schnitt über 1700 Euro. Doch auf den Rängen regt sich Widerstand. "Neun von zehn Fans denken: Fußball ist zu teuer", heißt es in einer Reaktion der "Football Supporters' Federation". Die Organisation setzt sich nach eigenen Angaben für die Rechte von Fans ein: "Die Premier League hat einen milliardenschweren Medien-Deal, die Vereine schwimmen im Geld. Sie müssen den Fans nicht den letzten Penny aus der Tasche ziehen."
Bundesligatourismus für britische Fußballromantiker
Folgeerscheinung der Preispolitik ist zunehmender Fan-Tourismus, vorzugsweise nach Nordrhein-Westfalen. Beim BVB, bei Schalke 04 aber auch bei anderen Klubs der Region und der Republik stillen Briten ihre Sehnsucht nach Fußball-Romantik. Fachsimpeln beim Bier während des Spiels, erschwinglichen Stehplätze und Gänsehaut-Momente auf der Tribüne, wenn etwa Dortmunds echte "Gelbe Wand" ihre inzwischen in ganz Europa bewunderten Choreografien zeigt.
Es ist ein Ausdruck der Art von Fan-Kultur, die in England verloren zu gehen droht. Einer der Fußball-Reisenden ist Jon Goulding, ein Autor, der mit seinem Buch "Bratwurst! Bier! Stehplätze! Ein englischer Fan in deutschen Stadien" einem Trend in England folgt. Die Veröffentlichung von Literatur über den deutschen Fußball häuft sich. Gouldings Klub ist der 1. FC Nürnberg. Im Oktober 2002 besuchte Goulding ein Spiel der Franken - Nordkurve, Stehplatz. "Da wird einem als Engländer ganz nostalgisch zumute", schrieb Goulding, der sein Herz an den Club verlor. Er gründete den Fanklub 1FCNUK mit heute mehr als 30 Mitgliedern - aus Großbritannien und Deutschland.
Quelle: ntv.de, Emanuel Reinke, sid