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Simple Methoden der Politik Mit "Stupsern" erfolgreich sein

Die hitzige Debatte in den USA über die Gesundheitsreform belegt auch die verwirrende Komplexität der Politik. Präsident Barack Obama kämpft fast verzweifelt gegen absurde Vorwürfe, die Reform würde beispielsweise staatliche "Todesgremien" schaffen. Aber angesichts eines 1080-seitigen Gesetzentwurfs und allerlei Desinformations-Kampagnen konservativer Kreise ist Obama mit einer verunsicherten Öffentlichkeit konfrontiert. Zwei seiner Berater haben nun ein Buch geschrieben, in dem es vor allem um die einfachen Mittel der Politik geht, den von Obama versprochenen "Wandel" herbeizuführen.

Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein: "Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt".

Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein: "Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt".

"Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt" lautet der Titel des Buches der beiden Professoren Richard Thaler und Cass Sunstein. "Nudge" bedeutet auf Deutsch etwa "Stupser". Es ist ein Loblied auf simple Anreize und Methoden, um politische Veränderungen zu bewirken. "Vielleicht fehlen der Gesundheitsreform ausreichend 'Nudges', oder sie sind nicht ausreichend erkennbar", meint Thaler. Der Verhaltensökonom aus Chicago glaubt, dass Staat und Institutionen mit einer Fülle von ordnungspolitischen Vorgaben, gesetzlich fest geschriebenen Verfahrensweisen und finanziellen Vorteilen Wirtschaft wie Bürger zu Veränderungen "stupsen" kann.

Ein "dritter Weg"

Das Konzept sei ein "dritter Weg" zwischen einem völlig freien, unregulierten Markt auf der einen und staatlichem Dirigismus und Planwirtschaft auf der anderen Seite, betont Thaler. Letztendlich gehe es darum, den keineswegs immer rational handelnden Menschen positiv zu beeinflussen - zu ihren eigenen Nutzen. Regierung wie auch private Institutionen und Behörden sollen subtil die Entscheidungen der Menschen "zu ihrem eigenen Vorteil" lenken.

Klassische Beispiele sind die Themen Altersversorgung und die Probleme der übergewichtigen Amerikaner. Im ersten Fall sorgten den Autoren zufolge schon kleine Änderungen für einen erstaunlichen Effekt. Nachdem Arbeitnehmer sich nicht mehr ausdrücklich zu Gunsten einer staatlich unterstützten, betrieblichen Altersversorgung aussprechen, sondern diese explizit ablehnen mussten, stieg die Zahl derer, die ihre Rente aufbessern wollten, deutlich an. Und tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass allein die herausgehobene Platzierung von Gemüse, Salat oder Obst den Konsum des gesunden Essens in Kantinen deutlich erhöht.

Thaler und Sunstein empfehlen Krankenversicherungen Bonussysteme - beispielsweise für den Verzicht aufs Rauchen oder für intensiven Sport. Das sei weit hilfreicher als noch so informative Broschüren, die mit erhobenem Zeigefinger zum gesunden Leben mahnten. Das Konzept der Verhaltensökonomen oder "liberalen Paternalisten", wie sie sich selbst bezeichnen, setzt unverhohlen auch auf den Druck der Gesellschaft, Bürger zur "Vernunft" zu bringen. Beispielsweise sollte Sticker an den Heckscheiben der Autos der Benzinverbrauch deutlich sichtbar für alle anzeigen.

Neue Ethik politischen Handels gefordert

Das hört sich auch nach einer neuen, schärferen Variante von "Political Correctness" an. Wer nicht das Klima schützt, steht am Pranger. Thaler und Sunstein fordern tatsächlich eine neue Ethik politischen Handelns. Allerdings setzen sie wie alle Weltverbesserer voraus, dass es so etwas wie ein erkennbares allgemeines Interesse und "vernünftige Lösungen" gibt. Daran glaubt auch Obama.

Die Gefahr ist offensichtlich: Wer definiert, was in aller Interesse ist? Haben die "Entscheidungsarchitekten", die Thaler und Sunstein zum Einsatz von "Nudges" ermuntern, tatsächlich mehr Einsicht in das gesellschaftlich Sinnvolle und Notwendige? Und sind die Entscheider wirklich uneigennützig? Das Einklagen einer allgemeingültigen Moral und Vernunft klingt für viele Ohren nach einem autoritären Staat, der zumindest zur Konformität drängt. Thaler und Sunstein kontern diese Kritik mit dem Hinweis, dass die Bürger immer frei entscheiden sollten und dass Transparenz, Anreize und Belohnungen keinesfalls Vorschriften und vor allem kein Strafsystem seien.

Quelle: ntv.de, Laszlo Trankovits, dpa

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