Hörbücher

Roy und Rocky und "Galveston" Krebs in der Lunge, Killer auf den Fersen

2008 zieht Hurrikan Ike über das texanische Galveston. Im gleichnamigen Buch hat der Wirbelsturm eine reinigende, erlösende Wirkung.

2008 zieht Hurrikan Ike über das texanische Galveston. Im gleichnamigen Buch hat der Wirbelsturm eine reinigende, erlösende Wirkung.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Der Killer Roy und die Prostituierte Rocky sind "White Trash", weißer Müll. Nic Pizzolattos Krimi "Galveston" erzählt von der weißen Unterschicht Amerikas. Im Hörbuch, gelesen von Walter Kreye, wird diese Welt der Gewalt und Waisenhäuser, versiffter Kneipen und schäbiger Absteigen noch lebendiger als im Roman.

Roy Cady wäre vielleicht besser im Bett geblieben. Der Schuldeneintreiber und Killer erlebt einen miserablen Tag. Nicht nur erhält er die niederschmetternde Diagnose, dass er Lungenkrebs hat. Zu allem Überfluss wird ihm auch noch eine Ex-Freundin zum Verhängnis: Sie hat Roy verlassen und sich ausgerechnet seinem Boss zugewandt. Der will ihn nun aus dem Weg schaffen.

Autor Pizzolatto und die Darsteller Matthew McConaughey, Michelle Monaghan und Woody Harrelson bei einer Diskussion über "True Detective".

Autor Pizzolatto und die Darsteller Matthew McConaughey, Michelle Monaghan und Woody Harrelson bei einer Diskussion über "True Detective".

(Foto: Richard Shotwell/Invision/AP)

Nur mit Mühe entgeht Roy der tödlichen Falle. Statt selbst draufzugehen, müssen die angeheuerten Killer dran glauben. Roy flieht, hat aber fortan eine junge Prostituierte im Schlepptau, die das Massaker ebenfalls knapp überlebt hat. Zusammen mit Rocky, so der Name der 18-Jährigen, verlässt Roy New Orleans. Gemeinsam fahren sie ziellos gen Westen, lesen unterwegs noch Rockys vermeintliche kleine Schwester Tiffany auf.

Roy erinnert sich schließlich an eine alte Romanze, an eine unbeschwerte Zeit - im texanischen Galveston, idyllisch gelegen auf einer Insel am Golf. Dort landen die drei in einem schäbigen Hotel. Doch sie müssen nicht nur die Killer von Roys Boss fürchten. Auch ihre dunklen Geheimnisse kommen nach und nach ans Licht.

Killer mit Gefühl

Ein Killer und eine Femme Fatale, Zwielicht und düstere Gestalten, Mord und Totschlag: "Galveston" ist ein Noir-Krimi. Allerdings keiner wie aus dem Bilderbuch. Nicht nur spielt das Buch auf zwei Zeitebenen: 1987, als Roy und Rocky fliehen, und 2008, als Sturm Ike Kurs auf Galveston nimmt. Autor Nic Pizzolatto variiert auch noch die typischen Noir-Elemente, überspitzt sie bis zur Ironie. Er verzichtet dabei zwar nicht auf Action, doch der Autor setzt auch auf Gefühle und auf Stimmungen. Um seine Figuren herum entwirft er eine düstere Landschaft und ein Gesellschaftsportrait des White Trash, der weißen Unterschicht Amerikas.

Die ungekürzte Lesung von "Galveston" ist bei DAV erschienen und dauert 480 Minuten.

Die ungekürzte Lesung von "Galveston" ist bei DAV erschienen und dauert 480 Minuten.

"Galveston" erschien bereits 2010 auf Englisch, nun liegt er als Roman bei Metrolit vor und als ungekürztes Hörbuch bei DAV - großartig gelesen von Walter Kreye. Das Buch war Pizzolattos Debüt und gleichzeitig eine Art Wegweiser für spätere Werke: Er ist Autor und Produzent der hochgelobten Fernsehserie "True Detective". Wie der Roman, der mittlerweile ebenfalls verfilmt wird, spielt auch die Serie in den amerikanischen Südstaaten - und zwar nicht gerade auf deren Sonnenseite.

Die Figuren im Buch sind nicht minder zerrissen wie die Detektive der später entstandenen Serie. Das gilt vor allem für Roy. Angetrieben von der Gewissheit, bald vom Krebs dahingerafft zu werden, wird der Killer mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Immer wieder tauchen Erinnerungsfetzen aus seinem Leben auf. Und Roy macht etwas, das er noch nie zuvor getan hat: Er öffnet sich, er redet, er erzählt Rocky von seinem Leben, von seinem Weg ins Gangsterleben. Und er entwickelt Zuneigung.

Das zwiespältige Verhältnis von Roy und Rocky steht im Mittelpunkt von "Galveston". Er könnte locker ihr Vater sein und spielt auch ihren Beschützer. Gleichzeitig jedoch wird er permanent in Versuchung geführt durch die junge Frau, die gern mit ihren Reizen spielt. Roy erwehrt sich dieser Gefühle. Er weiß, dass sie mehr braucht als Sex. Zu braucht Sicherheit. Denn ihr bisheriges Leben war die Hölle.

Der weiße Müll Amerikas

Das verbindet das ungleiche Gespann: Roy und Rocky kommen aus der Unterschicht, sie sind White Trash, weißer Müll. Es ist ein Leben in Waisenhäusern und Armut, in dunklen Gassen, versifften Kneipen und schäbigen Absteigen, ein Leben geprägt von Alkohol, Drogen, Gewalt und Missbrauch. Walter Kreye gibt diesem düsteren Ton, der "Galveston" bestimmt, eine leicht rauchige, aber auch sanfte Stimme, die perfekt zum alternden Roy passt, aus dessen Sicht die Handlung erzählt wird.

Walter Kreyes Lesung zieht den Hörer unweigerlich hinein in die faszinierende Verruchtheit von Roys Welt. Das braucht keine Übertreibungen. Kreyes gleichmäßiger, fast schon lakonischer Tonfall hat so viel Schwere, dass man ihm die bedrückende Vergangenheit der Hautfiguren abnimmt, lässt aber auch den kleinen Hoffnungsschimmer mitschwingen, den der Aufenthalt in Galveston verspricht.

Da mischt sich Sentimentalität in die Handlung. Der Killer versucht, den Tod vor Augen, sein Leben zu ändern, ihm einen neuen Sinn zu geben. Doch sein Ex-Boss hat ihn nicht vergessen. Und in dem Moment, in dem das Leben zu hoffnungsvoll zu werden droht, zieht die Handlung noch einmal ordentlich an und versetzt den Figuren einen kräftigen Schlag. Eines macht Pizzolatto mit seinem atmosphärischen und hörenswerten Noir-Krimi klar: So sehr man sich auch müht, die eigene Vergangenheit wird man nicht so schnell wieder los.

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Quelle: ntv.de

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