Kino

Meinungsbomben für die Medien "Bekenntnisse eines Ökoterroristen"

Filmemacher Peter Brown: "Ich habe damit nichts zu tun, aber ich weiß, wer es war!"

Filmemacher Peter Brown: "Ich habe damit nichts zu tun, aber ich weiß, wer es war!"

Paul Watson ist der berüchtigtste Umweltschützer der Welt. Wie eine Mischung aus Captain Sparrow und Robin Hood macht er Jagd auf Robbenjäger und rammt auch schon mal einen Walfänger. Schlimmer als Robben töten ist für ihn nur der Vergleich mit Greenpeace. Filmemacher Peter Brown war 30 Jahre lang bei den Abenteuern dabei.

Wasserwerfer, Steine, Walgesänge: Greenpeace ist einfach zu passiv für die Sea Shepherds.

Wasserwerfer, Steine, Walgesänge: Greenpeace ist einfach zu passiv für die Sea Shepherds.

"Nein, das ist kein Schiff von Greenpeace, bitte unterlassen Sie diese Beleidigungen!" Dass mit Paul Watson nicht gut Kirschen essen ist, wenn man ihm auf hoher See begegnet, ja, dass sich so manch eine Walfangflotte vielleicht schon die auch nicht ganz zimperlichen Greenpeace-Leute herbeigesehnt hat, wird schon nach einigen Filmminuten klar. Hier kämpft ein Umweltschützer mit allen Geschützen: mit Stinkbomben, Wasserwerfern und aggressiven Veganern, die unter einen ernährungsbedingten Mangel an Serotonin leiden und vielleicht deshalb freiwillig bei ihm anheuern. Und wenn das alles nichts nützt, wird auch schon mal das Schiff als Rammbock eingesetzt. Wale, Robben, Fische, Ozeane - ihren Schutz hat sich der Umweltaktivist und seine Sea Shepherd Conservation Society, kurz Sea Shepherd (deutsch: Meereshirte), auf die Piratenfahne geschrieben.

Tierschützer und Filmemacher Peter Brown ist seit 30 Jahren dabei und gewährt nun in den "Bekenntnissen eines Öko-Terroristen" einen Einblick in das Leben der Aktivisten auf hoher See. Mit viel Humor und Ironie kommentiert Brown das Vorgehen gegen die brutale und oft illegale Abschlachtung von Tieren. "Wir ertappen die Umweltsünder auf frischer Tat und halten sie auf – wenn nötig mit Gewalt." Die radikale Organisation legt zwar Wert auf die Feststellung, dass bei keiner ihrer Aktionen direkte Gewalt gegen Menschen eingesetzt wird. Die verwendete "aggressive Gewaltfreiheit" sei aber sehr telegen, weswegen die Sea Sheperds auch die nötige mediale Aufmerksamkeit für ihre Aktionen erhielten: "Wir bauen Meinungsbomben für die Medien."

Kein "Free-Willyismus"

Keine Öko-Terroristen, keine Bekenntnisse:"Der Titel ist etwas lächerlich", meint Paul Watson selbst. "Aber man sieht schnell, warum."

Keine Öko-Terroristen, keine Bekenntnisse:"Der Titel ist etwas lächerlich", meint Paul Watson selbst. "Aber man sieht schnell, warum."

Und tatsächlich scheinen einige der Aktionen überhaupt nur stattzufinden, wenn sich die Pressemeute versammelt hat und man sich medienwirksam auch mal verhaften lassen kann: "Wenn es keine Bilder gibt, ist es auch nicht passiert." Die Umweltschützer wollen mit ihren Aktionen keine einzelnen Tiere retten, sondern haben größere Ziele vor Augen: Sie kämpfen für ganze Arten und wollen die Menschheit aufrütteln. "Einen einzelnen Wal zu retten ist 'Free-Willyismus', das ist nicht unser Ziel", erklärt Brown. Paul Watson und seine Crew gehen dorthin, wo die Politik nichts tut oder gar den Umweltschutz gezielt verhindert.

Nicht immer sind die Aktionen von Erfolg gekrönt – so kämpfen die Sea Shepherds etwa schon seit Jahren gegen die Robbenjagd, ohne dass sich etwas Wesentliches geändert hat. Warum das so ist? Da haben die Umweltschützer eine sehr eigene Theorie. Die Ökotouristen, bestehend aus Filmstars, arbeitslosen Reichen und einigen Umweltschützern, seien für die Robbengebiete einfach ein zu lukrativer Geschäftszweig. Anders als die Robbenfelle, für die es weltweit kaum einen Markt gebe.

Die "Bekenntnisse eines Öko-Terroristen" warten mit noch mehr solcher überraschender Interpretationen auf. Zu fröhlichen Seemannsliedern sieht man Robbenjägern bei ihrem blutigen Geschäft zu und fragt sich gemeinsam mit Peter Brown, ob, wer Robben tötet, auch generell Frauen schlägt. Man sinniert über frische, blonde Mädchen, die von den Färöer-Inseln stammen, und beim alljährlichen "traditionellen" Walschlachten von der besonderen Poesie schwärmen, die entsteht, wenn sich das Meer vom Blut der sterbenden Tiere rot färbt. Und man schmunzelt über die Journalisten, die auf alle Tricks reinfallen, mit denen die Sea Shepherds sie anlocken – und fragt sich, ob man das auch gerade tut? "In unserer Welt übertrifft der Schein die Realität, mit einem kleinen Bluff kann man weit kommen", gibt Brown freimütig zu. Aber Öko-Terroristen seien sie nicht: "Wir haben niemand getötet oder auch nur verletzt – soll das Terrorismus sein?"

Wo bleiben die Bekenntnisse?

Paul Watson: "Mystischer Heiliger" oder "brillanter Stratege mit viel Glück"?

Paul Watson: "Mystischer Heiliger" oder "brillanter Stratege mit viel Glück"?

Die Filmdokumentation folgt in einer losen Aneinanderreihung von Aktionen der Sea-Shepherd-Crew über den Globus. Dass zwischen den Episoden teilweise viele Jahre liegen, lässt sich fast nur an dem immer weißer werdenden Haar von Watson ablesen. Was fehlt, sind die im Titel angekündigten Bekenntnisse. Paul Watsons Stimme ist vor allem durch das Megafon zu hören, wenn er letzte Warnungen an Umweltsünder ausspricht. Persönliche Erinnerungen teilt er nicht. Ebenso wenig kommen seine erklärten Unterstützer, darunter Brigitte Bardot, der Dalai Lama, Sean Penn oder Fürst Albert von Monaco, zu Wort. Auch hätte man gerne noch einige kritischen Stimmen gehört, etwa zu der Frage, wie sehr die brachialen Aktionen der Umwelt wirklich nützen, oder wo der Show-Effekt der Sache vielleicht auch geschadet hat.

Am Ende bleibt der Eindruck eines Mannes, der sein Leben der Umwelt gewidmet hat – und vor dem man sich seiner lässlichen und unlässlichen Umweltsünden schämt. Aber auch ein Mann, der mit Medien zu spielen weiß und für den ein durchaus beißender South-Park-Auftritt vermutlich ebenso schmeichelhaft ist wie die ständige Beobachtung durch Interpol. Hinter die Fassade dieses Seebären zu schauen und dabei vielleicht den einen oder anderen Zweifel zu entdecken, wäre noch spannender gewesen, als nur atemlos den Abenteuern zu folgen. Aber vermutlich hätte das den Nimbus des "Engels" und "Rächers" der wehrlosen Kreaturen zerstört, den seine Anhänger pflegen. Den Wunsch nach mehr Umweltschützern von diesem Schlag weckt die Dokumentation in jedem Fall. Und Vergnügen bei der Vorstellung, dass sich die eine oder andere Regierung heimlich freut, wenn Paul Watson für sie die UN-Charta zum Schutz der Natur rabiat durchsetzt. Hisst die Piratenflagge!

"Bekenntnisse eines Ökoterroristen" im n-tv-Shop

Quelle: ntv.de

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