"The Place Beyond The Pines" Ryan Gosling - zu gut, um wahr zu sein
12.06.2013, 08:39 Uhr
Romina (Eva Mendes) und Luke (Ryan Gosling) bleibt nicht viel Zeit.
Eva Mendes trägt keinen BH unterm T-Shirt, Ryan Gosling ist ein schüchterner Sexgott und Bradley Cooper ist ein fieser Gutmensch. Mehr braucht man nicht zu sagen. Doch: das Drehbuch ist fantastisch, die Geschichte ist lang. Und gleichzeitig zu kurz.
Womit beginnen? Hier soll nicht allzu viel verraten werden, denn ohne zu viele Vorkenntnisse in einen solchen Film zu gehen ist wohl das Beste. Gut, der Film ist aus dem letzten Jahr und kommt erstaunlicherweise erst jetzt in die deutschen Kinos, man kann theoretisch alles erfahren über diesen Film, wenn man möchte. Man kann es aber auch lassen. Also, wo beginnen bei diesem Action-Liebes-Drama, das Stoff für mindestens drei Filme zu bieten hätte?
Mit Ryan Gosling ("All Good Things", "Crazy Stupid Love") könnte man anfangen, da warten die Freundinnen drauf: Ja, also, er ist toll, wie immer eigentlich. Er sieht gut aus, auch wenn die eigene Mutter schon sehr cool sein müsste, um einen Typen mit blond gefärbten Haaren, Tränen-Tattoo im Gesicht und auch den Rest des Körpers zugepflastert mit Bildern, durch die Tür zu lassen, bloß weil er jetzt einen auf lieber Papi machen will. Doch auch wenn er nicht so wirkt, als hätte er einen festen Wohnsitz und als wüsste er auch nicht, womit er das Geld für selbigen verdienen sollte - die eigene Mutter wäre verwirrt, auf eine huschige Art, beim Anblick dieses wilden Motorrad-Fahrers, und sie würde ihn reinlassen.
Denn er hat was von Ladi Di (den Augenaufschlag) und dem jungen Robert Redford (den Blick nach dem Augenaufschlag). Er würde etwas in ihrem Herzen berühren. Dass er ihre Tochter berührt hat, weiß sie längst, denn sie hält ja sein Baby im Arm. Und sie vertraut es ihm an. Aber das ist nicht nur die Geschichte des Luke Glanton, genannt "Handsome Luke", dem tollkühnen Jahrmarkt-Motorradfahrer, der von Stadt zu Stadt zieht und sein Herz an eine Kleinstadtschönheit verloren hat, sondern auch die Geschichte von eben jener Romina.
Ein bisschen schlampig vielleicht
Diese Romina, er nennt sie "Ro", wird von Eva Mendes gespielt. In ihrer ersten Szene trägt sie keinen BH unter dem T-Shirt, und man fragt sich unwillkürlich, ob das jetzt sexy ist. Bei ihr irgendwie schon, ein bisschen schlampig vielleicht, aber sie wirkt auch gleichzeitig unschuldig. Ihre Brüste zeichnen sich deutlich ab, wie unamerikanisch, wo doch der "T-Shirt-BH", bei dem sich nichts abzeichnet, aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten kommt. Klar ist, dass Ryan Gosling sich sehr wahrscheinlich spätestens in dieser Szene in seine Kollegin verguckt haben muss. Dazu später mehr. Romina weiß nicht so genau, was sie will. Ihn, klar, aber dann doch wieder nicht, sie hat ja auch schon einen anderen Kerl, der gar nicht mal so unsexy und unsympathisch ist, auf jeden Fall sehr viel vernünftiger als dieser Stunt-Fahrer auf der Durchreise.
Ihr Älterwerden in "The Place Beyond The Pines", das sich über einen Zeitraum von knapp 20 Jahren hinzieht, ist tatsächlich begleitet von Stirnfalten, etwas grauem Haar und sehr viel Stolz. Gut so. Mendes wirkt extrem unmondän und gar nicht wie die Sexbombe, die sie sonst gern auf dem roten Teppich gibt. Man versteht, warum sie sich zu Luke hingezogen fühlt, weiß aber auch, dass sie weiß, dass das nichts werden kann.
Sexy im Müllbeutel
Und Bradley Cooper, den alle spätestens seit "Silver Linings" in ihr Herz geschlossen haben und der auch noch in einer Mülltüte sexy ist? Der ist sehr nachvollziehbar. Seine Rolle des Avery Cross ist ehrgeizig, verletzt, verletzlich, erstaunt, am meisten irgendwann über sich selbst, und dann beginnt der moralische Verfall des Superhelden, der er einst war und nach außen geblieben ist. Seine Frau (Rose Byrne, "Brautalarm") sieht ihn irgendwann mit anderen Augen (der Zuschauer noch nicht, aber der sieht ja ihre Augen) - und Cross sieht irgendwann nur noch seinen Vorteil.
Großartig sind auch die Nebenrollen dieses vielschichtigen Films besetzt: Wie - immer wieder gerne - Ray Liotta ("Good Fellas", "Killing Them Softly") als korrupter Bulle, und überhaupt die ganze Polizeigarde, bei der man sich fragen muss: Freund oder Feind? Mitmachen oder verpfeifen? Avery Cross' moralischer Absturz beginnt damit, dass er eigentlich alles richtig machen will. Und am Schluss sieht es ja auch wieder so aus. Aber zwischendurch sehen wir den Verfall einer Kleinstadt, den Verfall von Familie, den Verfall von Freundschaft und Loyalität, die neu definiert wird durch "Eine Hand wäscht die andere".
Schuld, Sühne, Vergebung
Regisseur Derek Cianfrance hat schon in "Blue Valentine" mit Ryan Gosling gearbeitet und beweist in "The Place Beyond The Pines" erneut, dass er ein Meister des Independent-Kinos ist und darin, sich den komplizierten Strukturen von Familien aus den unterschiedlichsten Milieus anzunähern. Mit seinem Kameramann Sean Bobbitt ("Shame") gelingen ihm Bilder, die einen vergessen lassen, dass der Film 140 Minuten lang ist. Aber wie sollte er sonst auch eine Geschichte von Vätern und Söhnen, Schuld und Sühne, Vergessen und Vergebung, glaubhaft erzählen?
Qualität und Intensität brauchen Zeit. Er widmet sich den einzelnen Rollen so ausführlich wie möglich, damit der Zuschauer nachvollziehen kann, warum Luke beschließt, bei seinem Kind bleiben zu wollen, warum er danach lechzt, Verantwortung zu übernehmen, warum er mit seinem Hobby-Ganoven-Freund Robin (Ben Mendelsohn, "The Dark Knight", "Killing Them Softly") schließlich soweit geht, Banken zu überfallen und warum das Ganze dann aus dem Ruder laufen muss.

Drei gleichberechtigt großartige Schauspieler in einem Film, der einen sehr nachdenklich zurücklässt.
Im letzten Drittel des Films landet der Zuschauer schließlich bei den Kindern der beiden Hauptdarsteller: "History repeating" könnte man darüber schreiben, oder auch "self-fulfilling prophecy". Jason und AJ, Lukes und Averys Söhne, treffen aufeinander und es kommt, wie es kommen muss: Sie sind dafür geboren, "gemeinsam Scheiße zu bauen". Die Rollen sind klar verteilt: AJ, Sohn des ehemaligen Kleinstadtpolizisten und nun aufstrebenden Politikers Avery Cross, sagt, was Sache ist, und Jason, der seinen Vater Luke nie kennengelernt hat und auf der Suche nach Antworten ist, befolgt AJs Anweisungen wie ein Hündchen. Eine Fortsetzung von "The Place Beyond The Pines" könnte sich sehr gerne mit dem weiteren Lebensverlauf der jungen Männer auseinandersetzen. Denn nichts ist spannender als das Leben.
Das haben sich wohl, wie bereits erwähnt, auch Eva Mendes und Ryan Gosling gedacht - sie sind seit den Dreharbeiten ein Paar. Es heißt, Eva wolle mehr, heiraten, Kinder, zusammenziehen, das ganze Programm, und Ryan bremst noch ein bisschen. Aber auf der anderen Seite ist er, der acht Jahre Jüngere, auch derjenige, der sagt, dass die Liebesszenen mit ihr im Film so schwer waren, weil er nicht wollte, dass jemand anderes seine Freundin nackt sieht. Ryan Gosling, der "neue" Frauenschwarm, braucht eben ein bisschen länger. Und wenn Eva warten kann, dann hat sie den größten Womanizer nach George Clooney an der Angel.
"The Place Beyond The Pines" wurde in den USA bereits zu Recht über den grünen Klee gelobt. Zu empfehlen ist wie immer die Original-Version.
"The Place Beyond The Pines" startet am 13. Juni in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de