Das Dilemma des Rekordweltmeisters Schumacher versackt im Mittelmaß
10.05.2011, 15:09 UhrMichael Schumacher ist die Legende der Formel 1: Rekordweltmeister mit sieben Titeln, 91 Grand Prix-Siege und 1447 WM-Zähler. Nun aber werden Stimmen laut, die den Zenit des Kerpeners überschritten sehen. Schumacher und die Formel 1 - ist diese Konstellation noch zeitgemäß?

Immer häufiger in Erklärungsnot: Rekordweltmeister Michael Schumacher.
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Als Michael Schumacher am 23. Dezember 2010 sein Comeback in der Formel 1 bekanntgibt, ist die Euphorie ungebrochen. Die Bild spricht vom "größten Comeback der Sportgeschichte", "Schumacher will alles", titelt die französische "l'Equipe". Und "La Nuova Sardegna" aus Italien ist der Meinung: "Er war noch nicht reif für die Pension". Rund 16 Monate später ist das Echo ein anderes. Schumacher dümpelt mit seinem Mercedes im Niemandsland des Fahrerfeldes herum, Podiumsplätze und WM-Punkte sind in weite Ferne gerückt. Bitter für den 42-Jährigen, der nach einer verkorksten ersten Saison mit dem Silberpfeil in diesem Jahr ganz oben angreifen wollte.
Andere Fahrer haben Schumacher den Rang des Superstars abgelaufen. Während sich Weltmeister Sebastian Vettel mit Mark Webber, Fernando Alonso und Lewis Hamilton um Grand Prix-Siege duelliert, versucht Michael Schumacher, seinen achten Platz gegen Witali Petrow zu verteidigen. Und auch Teamkollege Nico Rosberg ist inzwischen deutlich am Altmeister vorbeigezogen: Im gleichen Auto führt der junge Wiesbadener das teaminterne Duell mit 20:6 WM-Punkten deutlich an, seine Formkurve steigt in den letzten Wochen steil nach oben. Das Material kann also nicht daran schuld sein, dass Schumacher auch im zweiten Jahr mit Mercedes kein Bein auf das Siegertreppchen bekommt. Doch wie lässt sich die Negativserie von 25 Rennen ohne Podiumsplatz erklären? Eine Spurensuche.
Technische Neuerungen
Ein Grund für das Schumacher-Dilemma könnten die vielen technischen Neuerungen sein, die es seit Schumachers Rücktritt 2007 in der Formel 1 gibt. Dazu gehören das Energie-Rückgewinnungssystem Kers, sowie die verstellbaren Heckflügel, die das Überholen erleichtern. Dementsprechend müssen die Piloten auch ihren Fahrstil anpassen, um die neuen Bedingungen bestmöglich zu nutzen.
Fahrstil

Im Duell mit Witali Petrow demoliert Schumacher den Frontflügel seines Silberpfeils.
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Es ist also entscheidend, welche Taktik sich ein Fahrer im direkten Zweikampf mit einem Konkurrenten zurechtlegt. Zu Schumachers Zeiten war es in der Regel so, dass man seinen Kontrahenten nach einem erfolgreichen Überholmanöver für den Rest des Rennens abgeschüttelt hatte. Oft kam es deshalb zu riskanten Aktionen, die nicht selten in Kollisionen oder Materialschäden endeten, gemäß dem Motto "alles oder nichts". Beim Grand-Prix in Istanbul war Schumacher beim Zweikampf mit Witali Petrow in eine solche Situation verwickelt. Er beschädigte seinen Frontflügel, musste in die Box und fiel auf den 17. Platz zurück.
Testfahrten
Im Vergleich zu Schumachers goldenen Zeiten haben die Formel 1-Teams nicht mehr die Möglichkeit, zwischen den Rennen Testfahrten zu absolvieren und dabei am Potenzial ihrer Boliden zu feilen. Doch genau das war es, was Schumacher früher so erfolgreich machte - seine akribische Arbeit und sein Fleiß, so lange am Fahrzeug zu arbeiten, bis es perfekt funktioniert. Heutzutage bleibt dazu nur das Rennwochenende, um Verbesserungen durchzuführen. "Die Generation, die das in den vergangenen Jahren gelernt hat, ist da sicher im Vorteil", sagt Schumachers Sportchef Norbert Haug.
Konkurrenz

Weltmeister Sebastian Vettel ist fast 20 Jahre jünger als Schumacher.
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Michael Schumacher ist deutlich älter als seine Kollegen, von Weltmeister Vettel trennen ihn fast 20 Jahre. Und Fakt ist, dass auch Schumacher mit zunehmendem Alter nicht fitter wird. Während die jungen Fahrer in einer reformierten Formel 1 ihre Karrieren begannen, die sich durch unzählige Regeländerungen und technische permanent weiterentwickelt, erlebte Schumacher noch Zeiten, in denen die Fahrer ohne Tankstopps auskommen mussten. Respekt hat die Konkurrenz vor dem Rekordweltmeister zwar noch immer, aber die Zeiten, in denen allein der Name Schumacher für ängstliche Mienen sorgt, sind Vergangenheit.
Ehrgeiz
Nicht wenige behaupten, dass sich Schumacher von seinem unbändigen Ehrgeiz auffressen lassen würde. Im freien Training liefert er immer wieder ordentliche Zeiten ab, um dann im Qualifying und im Rennen deutlich abzubauen – eigentlich unerklärlich, wie so vieles derzeit.
Bei der aktuellen Situation ist es wenig verwunderlich, dass zum Saisonende manche Schumachers Rücktritt erwarten. Johnny Herbert, 1995 Teamkollege des Rekordweltmeisters bei Benetton, sagte der Tagezeitung "The Nation": "Sein Traum war es, wieder zu gewinnen und Mercedes zu einem Siegerteam zu machen. Das hat nicht geklappt, und es würde mich sehr wundern, wenn er nach dieser Saison weitermachen würde."
Schumachers Vertrag läuft noch bis Ende 2012. Bei Mercedes, so heißt es, wolle man nicht vor der Hälfte der Vertragslaufzeit darüber nachdenken, ob es Sinn macht, den Vertrag zu verlängern. Herbert sagt klar: "Es ist ganz einfach so, dass er nicht mehr der beste Fahrer im Feld ist." Und eben auch nicht mehr der jüngste.
Quelle: ntv.de