6 Dinge, gelernt am 19. Spieltag Angst essen Klopp-Fußball auf
05.02.2015, 14:41 Uhr
Angeknockt: BVB-Trainer Jürgen Klopp.
(Foto: dpa)
Krise, Krise, Krise! Die Fußball-Bundesliga läutet die Alarmglocken. Am lautesten schrillen sie beim BVB. Der zementiert Platz 18, bringt aber damit Denkmal Klopp ins Wanken. Immerhin: Abstiegskampf ist die neue Meisterschaft.
1. Auch echte Liebe ist endlich
Wenn alles besser werden soll und dann plötzlich noch viel schlechter ist als vorher, dann klingt das so wie am Mittwochabend in Dortmund: Mit einem Pfeifkonzert verabschiedeten die Zuschauer den BVB, es war laut wie selten, denn selbst die treuesten Borussen-Fans auf der Südtribüne pfiffen mit. Zwei Spiele, ein Punkt, null Tore im Jahr 2015 - Platz 18 nach 19 Spieltagen. Das ist eine Horror-Bilanz und sorgt für öffentlichen Spott, zum Beispiel bei Twitter. Dort erlebt nicht nur der Hashtag #echteKrise eine Renaissance.
Dort ätzte auch Sportschau-Moderator Matthias Opdenhövel über das BVB-Gekrampfe beim 0:1 gegen Augsburg: "Das Dortmunder Spiel hat was von 'Der Bachelor': Kann man sich nur schwer angucken. #bvbfca". Schwerer als die längst nicht mehr neue öffentliche Häme dürfte die schwarzgelbe Wagenburg von Coach Jürgen Klopp der öffentliche Liebesentzug der Fans getroffen haben. Die ließen sich diesmal auch von Keeper Roman Weidenfeller und Kapitän Mats Hummels nicht besänftigten, was Hummels allerdings nicht überraschte. "Wenn man nach dem 19. Spieltag dort steht, wäre es eine Frechheit, kein Verständnis für die Reaktion der Fans zu haben. Die Situation ist schlechter als jede, die wir bisher miterlebt haben", sagte Hummels. Auch wenn die echte Liebe zwischen Team und Fans derzeit endlich scheint, an echter Einsicht mangelt es in Dortmund nicht. Jetzt fehlen nur noch …
2. Angst essen Fußball auf
… echte Lösungen und zwar ebenso dringend wie Tore und Punkte. "Wir sind im Moment echt ratlos", bekannte BVB-Verteidiger Neven Subotic nach dem Desaster gegen Augsburg und bedauerte: "Leider gibt es kein Handbuch." Dafür gibt es in Dortmund aber immer noch einen Trainer, könnten Beobachter einwenden. Nur: Auch Coach Jürgen Klopp, nach seinem Dezember-Tief voller Optimismus in die Rückrunde gestartet, wirkte nach dem Abpfiff wieder schwer angeknockt und klang auch so. "Das tut weh, ich bin maximal enttäuscht", sagte er nach dem 90-minütigen Beweis für die Weisheit: Angst essen Fußball auf, auch bei einem Millionenensemble wie dem BVB. Klopp kennt die Mechanismen des Abstiegskampfes, die schleichende Verunsicherung, wenn einfach nichts mehr funktioniert. "Mit einer vermeintlichen Spitzenmannschaft im Abstiegskampf zu stecken, ist mit Sicherheit an Herausforderung kaum zu überbieten", hatte er nach dem 1:2 in Bremen zum Hinrundenende sinniert.
Seine Antwort darauf in der Winterpause: weniger Fußball für mehr Punkte. Das ließ er trainieren, das klappte zum Rückrundenstart gegen Leverkusen einigermaßen, das erwies sich gegen Augsburg als Sackgasse. Gekämpft haben die Dortmunder zwar, fußballerisch war es allerdings ein Armutszeugnis. Einfachste Dinge gelangen dem BVB vor dem Rückstand nur mit Mühe und danach gar nicht mehr. Die 30-minütige Überzahl schien den komplett verunsicherten BVB dann mehr zu hemmen als zu beflügeln. Bei Rückstanden kollabiert der BVB regelmäßig, was bei zwei Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz eine alarmierende Nachricht ist. "Sie haben gekämpft, aber falsch. Dass die Nerven in so einer Situation eine Rolle spielen, steht völlig außer Frage", sagte Klopp nach dem nächsten Rückschlag: "Das müssen wir in den Griff kriegen. Wir müssen den Jungs den Glauben zurückgeben." Unbeantwortet ließ er allerdings die entscheidende Frage: Wie?
3. Auch ein Klopp wackelt jetzt
Nicht erst nach dem Rauswurf von Jos Luhukay als Trainer des neuen Tabellenvorletzten Hertha BSC stellt sich die Frage: Ist Jürgen Klopp noch unkündbar beim BVB? Jein, meldet die "Bild"-Zeitung und machte eine interne Deadline extern bekannt. Ein Rauswurf von Klopp steht demnach zwar nicht zur Debatte in Dortmund. Ende Februar könnte es aber zum "freiwilligen" Klopp-Rücktritt kommen. Dann steht das Revierderby gegen Schalke an, dann dürfen die Dortmunder nicht mehr im Keller hängen. BVB-Kapitän und Klopp-Lieblingsschüler Mats Hummels sagte dazu: "Mir ist völlig egal, was außen diskutiert wird. Ich denke nicht, dass das der richtige Schritt für uns wäre. Deswegen ist das für keinen in unserer Mannschaft ein Thema." Aber auch Hummels weiß: Von Klopps Dortmunder Pressingmaschine, die mit rasantem und technisch anspruchsvollem Fußball Gegner gleichzeitig niederkämpfen und niederspielen konnte und in der Hinrunde zumindest phasenweise noch zu besichtigen war, ist 2015 nur ein labiles Gebilde geblieben. Aufgeben will er nicht: "Wir wissen, dass sich jetzt alles zu 98 Prozent über Kampf definiert. In die letzten zwei Prozent müssen wir noch ein bisschen Lockerheit reinbekommen, so dass wir vor dem Tor die richtigen Entscheidungen treffen." Das immerhin klingt nach einem guten Plan.
4. Nomen est Omen - zumindest in Bremen
Bereits einen Trainerwechsel hinter sich hat Werder Bremen. Nach nur vier Punkten in neun Spielen feuerte Werder Robin Dutt und machte Nachwuchscoach Viktor Skripnik zum Chef. Der bewerkstelligte an der Weser seitdem einen erstaunlichen Aufstieg: Nach dem 2:1 in Hoffenheim haben Skripniks Bremer nun in den vergangenen zehn Spielen 19 Punkte geholt. Das ist nicht weniger als eine beeindruckende Bilanz. Der Auswärtsdreier in Hoffenheim bedeutete für Bremen den dritten Ligasieg in Folge, was Werder zuletzt im August/September 2011 geglückt war. "Wir haben unter ihm fußballerisch eine Entwicklung genommen. Er hat einen Plan. Er weiß, wie er spielen will", verlor sich Werder-Kapitän Clemens Fritz deshalb in Lobhudeleien über seinen Coach. Der trägt den Erfolg schon im Namen, hat aber eigentlich ein sehr simples Erfolgsrezept, nämlich: "Bisschen dicht stehen, bisschen ackern vorne." Fußball kann so einfach sein.
5. Abstiegskampf ist die neue Meisterschaft
Der VfL Wolfsburg hatte zum Rückrundenstart gerade erst den FC Bayern fachgerecht in seine Einzelteile zerspielt, da warnten die Verantwortlichen bereits vor dem nächsten Spiel. Und zwar dem bei Eintracht Frankfurt, das am 18. Spieltag beim Team am anderen Ende der Tabelle für Aufsehen gesorgt hatte. Mit 1:4 verlor die Eintracht beim damaligen Ligaschlusslicht SC Freiburg und unkte hinterher in Person von Marco Russ: "So kriegen wir zwölf Tore gegen Wolfsburg." Es kam anders. Bis kurz vor Schluss hatten die Hessen den Bayern-Jäger Wolfsburg am Rande einer Niederlage, erst in der 88. Minute glich Kevin de Bruyne aus und rettete dem VfL einen Zähler und den Acht-Punkte-Rückstand auf den FC Bayern. Bis dahin mussten die Wolfsburger allerdings mächtig leiden, was sich auf die Manieren mindestens eines VfL-Profis negativ auswirkte. "Give me the ball, you Motherfucker", blaffte de Bruyne in der 86. Minute einen Frankfurter Balljungen an, da lagen die Wolfsburger noch 0:1 zurück. Immerhin: Via "Bild"-Zeitung, der moralischen Instanz der Fußball-Bundesliga, leistete der Belgier inzwischen Abbitte und kündigte an, den Balljungen mit einem signierten Trikot zu entschädigen. Noch offen ist, wie die Wolfsburger die Liga für die vergeblichen Hoffnungen auf ein Titelduell entschädigen werden. Durch das Remis in Frankfurt ist amtlich besiegelt: Es kann nur einen Meister geben, und der heißt nicht Wolfsburg. Die neue Meisterschaft der Liga ist der Abstiegskampf.
6. Der FC Bayern lässt sich entschlüsseln (II)
Unterzahl? Überbewertet. Das fand Arjen Robben nach dem 1:1 seiner Bayern gegen den FC Schalke. Der Niederländer empfand die Punkteteilung als ziemlich unfair, obwohl seine Mannschaft nach einer Notbremse von Jerome Boateng mehr als 70 Minuten in Unterzahl spielen musste. Der Grund für Robbens Klage: "Wir haben guten Fußball gespielt, die Schalker haben eigentlich überhaupt nichts gemacht." Das aber reichte gegen zehn Münchner für den ersten Punktgewinn eines Gastteams im Münchner Stadion in dieser Saison, und das Erfolgsrezept könnte ob seiner Einfachheit von Viktor Skripnik stammen: Hinten dicht machen und vorne auf die eine Chance warten. Davon hatten die Schalker sogar zwei. Die eine, die verwandelte Benedikt Höwedes per Kopf und machte sich dabei den Spaß, Robben zu kopieren. Die andere, die vergab Eric-Maxim Choupo-Moting ziemlich kläglich, als er den von Boateng verschuldeten Elfmeter verschluderte. Ein bisschen lässig habe er den Ball geschossen, sagte er hinterher und wunderte sich: "Der Ball wurde irgendwie nicht schnell genug." Festzuhalten bleibt für den Rest der Saison: Es gibt jetzt schon zwei Rezepte, um die Über-Bayern ins Wanken zu bringen. Entweder mit schwindelerregenden Wolfsburg-Kontern oder aber mit Schalker Gelassenheit. Warum ist da bloß in der Hinrunde niemand drauf gekommen?
Quelle: ntv.de