Anders als der Mann, der die Beatles ablehnte Bayer zahlt fünf Millionen für Dorfkicker
24.11.2011, 14:59 UhrDer 1. FC Saarbrücken befand ihn einst als nicht tauglich für die Regionalliga, nun wechselt Philipp Wollscheid für fünf Millionen Euro zu Bayer Leverkusen. Dabei spielte der Innenverteidiger in der Jugend nur für Dorfvereine und weiß noch nicht so lange, was eine Viererkette ist.
"Gehen Sie zurück nach Liverpool, Mr. Epstein. Gruppen mit Gitarren sind out": Philipp Wollscheid.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nun ist er noch kein Großer im Weltfußball. Aber ein wenig ärgern werden sie sich im Saarland schon, dass sie ihn vor zwei Jahren für zu schlecht befunden und weggeschickt haben. Und wenn er sich weiter so entwickelt, hat der 1. FC Saarbrücken gute Chancen, als der Klub, der Philipp Wollscheid ablehnte, in die Geschichte einzugehen. Jetzt hat sich Bundesligist Bayer Leverkusen die Dienste des 22 Jahre alten Innenverteidigers ab Juli 2012 für die folgenden fünf Jahre gesichert. Und zahlt dafür dem Vernehmen nach fünf Millionen Euro an den 1. FC Nürnberg. Weil Philipp Wollscheid als eines der größeren Talente in Deutschland gilt.
Es könnte also gut sein, dass die Saarbrücker demnächst in einem Atemzug mit Dick Rowe genannt werden. Der künstlerische Leiter der Plattenfirma Decca hatte am Neujahrstag 1962 vier junge Männer zu Besuch in seinem Londoner Büro. Sie sangen vor - und Dick Rowe sagte zum Manager der Gruppe: " Gehen Sie zurück nach Liverpool, Mr. Epstein. Gruppen mit Gitarren sind out." So viel zum Mann, der die Beatles ablehnte.
Dorfvereine, wie er selbst sagt
Die Geschichte von Philipp Wollscheid ist auch ohne diesen Vergleich interessant genug. In Zeiten, in denen alle und mit Recht von der Nachwuchsarbeit des DFB schwärmen, ist er einer, der nicht ins Schema passt. Entdeckt hat er sich höchstens selbst - bis ihn der Nürnberger Trainer Dieter Hecking im Dezember 2009 aus der Reserve des Vereins in die Bundesligamannschaft holte. Im saarländischen Wadern am 6. März 1989 geboren, hießen Philipp Wollscheids Vereine bis zu seiner Volljährigkeit SV Morscholz, FC Wadrill, VfL Primstal und SG Noswedel-Wadern. Dorfvereine, wie er selber sagt. "Dinge wie Nachwuchsleistungszentrum oder Jugendinternat sind an mir vorbeigegangen."
Im Jahr 2007 wechselte er in die Oberliga Südwest zum SV Rot-Weiß Hasborn-Dautweiler, danach ging's zum 1. FC Saarbrücken, mit dem er 2009 in die Regionalliga aufstieg. Eine Nummer zu groß für Philipp Wollscheid, entschieden die Verantwortlichen und wollten ihn in die Verbandsliga abschieben. Der Abwehrspieler kam beim 1. FC Nürnberg unter - in der Regionalligamannschaft. Bis Dieter Hecking auf ihn aufmerksam wurde. Dennoch dauerte es fast ein Jahr, bis Philipp Wollscheid sein Debüt in der Bundesliga feierte. Gegen den 1. FC Kaiserslautern wurde er am 20. November 2010 vor der Pause beim Stand von 0:3 eingewechselt. Seit der Rückrunde der vergangenen Saison ist er Stammspieler. Seitdem erzielte er in 32 Partien fünf Tore. Und ab Juli nächsten Jahres spielt er in Leverkusen, vielleicht sogar in der Champions League.
In der Jugend noch mit Libero und Vorstopper
Er hat es geschafft und gilt heute als einer der modernsten Verteidiger der Bundesliga. Und im vergangenen Jahr hat er dann auch tatsächlich ein Länderspiel für die deutsche U-20-Mannschaft absolviert. Sein Trainer Dieter Hecking hat ihn gar mit Per Mertesacker verglichen und wollte damit nicht nur sagen, dass Philipp Wollscheid mit seinen 1,94 Metern Körperlänge nur vier Zentimeter kleiner ist als der deutsche Nationalspieler von Arsenal London, sondern dass er wie Mertesacker fast ohne Grätschen oder gar Fouls auskommt, weil er meist schon da steht, wo der Ball erst noch hinkommt. Das ist, ohne Übertreibung, eine kleine Sensation. Denn als er nach Nürnberg kam, tat er das als einer, der in der Jugend in Teams gespielt hatte, die noch mit Libero und Vorstopper agierten.
Nürnbergs Amateurtrainer René Müller hat ihn dann erst einmal auf den Stand der Dinge gebracht und in die Geheimnisse der Viererkette eingeweiht. "Wir haben oft vor der Taktik-Tafel gesessen. Es ging da wirklich um ganz banale Dinge. Ich denke, dass ich schnell verstanden habe, was auf dieser Position gefordert wird", hat Philipp Wollscheid einmal der "Saarbrücker Zeitung" erzählt. In den ersten Testspielen mit den Profis habe er allerdings "nie richtig gewusst, wie ich mich verhalten soll".
"Wir sind froh, uns ein Juwel gesichert zu haben"
Nun dirigiert er aus der Innenverteidigung heraus die Nürnberger Abwehr, die in der Rückrunde der vergangenen Spielzeit hinter der des Meisters aus Dortmund die zweitbeste der Liga war. Und sein Klub war so schlau, ihm im Frühjahr noch schnell einen Vertrag bis 2014 zu geben. Deswegen müssen die Leverkusener auch so viel bezahlen. Sportchef Rudi Völler freut sich dennoch. "Wir sind froh, uns ein Juwel gesichert zu haben."
Dick Rowe verweigerte übrigens auch einem amerikanischen Sänger und Gitarristen die Zusammenarbeit. Sein Name: James Marshall Hendrix, genannt Jimi. Aber es gibt noch Hoffnung für den 1. FC Saarbrücken. Schließlich nahm der Mann, der 1962 die Beatles ablehnte, ein Jahr später eine andere vielversprechende Gruppe unter Vertrag. Vielleicht haben sie schon einmal etwas von den Rolling Stones gehört.
Quelle: ntv.de