In Dominanz gestorben Bayern lassen sich von Real aufs Kreuz legen
24.04.2014, 04:20 Uhr
Am Ende kamen die Bayern nicht mehr an Real Madrid ran.
(Foto: dpa)
Das Champions-League-Duell zwischen Bayern München und Real Madrid könnte im Kopf entschieden werden: Im Hinspiel gaukeln die Spanier dem Deutschen Meister Unterlegenheit vor – und tragen den Sieg davon. Die Bayern bilden sich auch nach dem Spiel noch viel auf ihre scheinbare Dominanz ein.
Der königliche Trick war so gut, die Bayern fielen sogar noch nach dem Spiel auf ihn herein. Da hatte Real Madrid den FC Bayern München mit 1:0 besiegt, dem Deutschen Meister so gut wie keine Torchancen gewährt, und was machten die Geschlagenen? Sie stellten sich gute Noten aus. "Sehr positiv" fand Kapitän Philipp Lahm den Auftritt, "wir haben schon gut gespielt", sagte Arjen Robben. Trainer Josep Guardiola spulte die Kassette mit den super, super Sprüchen ab: "Wir waren sehr gut, meine Mannschaft war sehr mutig." Toni Kroos stellte zufrieden fest: "Es gab selten eine Mannschaft die so dominant gespielt hat hier in Madrid." Nur war das nicht der Stärke der Bayern geschuldet. Sie waren so dominant, weil sie es sein durften.
73 Prozent Ballbesitz in der ersten Halbzeit für den Gast im Bernabeu, so ein Wert kommt nur zustande, wenn Real Madrid es duldet. Und das taten sie. Zogen zwei Viererketten auf, ließen die Spitzen Karim Benzema und Cristiano Ronaldo erst rund zehn Meter hinter der Mittellinie attackieren. Sicher, im Vorwärtsgang agierte Real in den ersten zwanzig Minuten viel zu fehlerhaft. Der Spielaufbau verdiente seinen Namen nicht, meistens landeten weite Bälle von Pepe im Nirvana. Aber Probleme bereiteten die Bayern ihnen nicht. Und so sollte es fast die gesamten neunzig Minuten lang bleiben. Was Oliver Kahn, Ex-Bayern-Torwart und aktuell Experte im ZDF, in einem harten, aber treffenden Urteil zusammenfasste: "Wenn ich ständig den Ball da habe, wo es nicht gefährlich ist, ist das keine Dominanz."
Ribery taucht völlig ab
Tatsächlich verzeichnete das Team von Guardiola in den ersten 45 Minuten nicht einen einzigen richtig gefährlichen Abschluss. Real ging dagegen gleich beim ersten nennenswerten Angriff in Führung: Die erste Welle des Konters konnten die Bayern noch abwehren, dann passte Cristiano Ronaldo – in einer seiner wenigen aufsehenerregenden Szenen – den Ball in den Lauf von Fabio Coentrao. Dante verließ seinen Platz in der Zentrale, grätschte aber an der Hereingabe vorbei, und Karim Benzema musste nur noch aus kurzer Distanz einschieben. So paradox es klingen mag: Es war kein unverdienter Führungstreffer, weil er Madrids Matchplan entsprach.
Den Vorwurf des Mauerns müssen sich die Königlichen – ganz im Gegensatz zu ihrem ehemaligen Trainer José Mourinho und seinem FC Chelsea – nicht gefallen lassen. Zwar standen die Madrilenen tief und dicht gestaffelt, lauerten aber stets auf den richtigen Moment, um den Raum zu verdichten und den Ball zu gewinnen. In einigen Situation vollführten sie sogar etwas, was sich im American Football "blitz" nennt: Aus dem Nichts setzen plötzlich mehrere Spieler den Ballführenden unter Druck und verengen den Raum in der Hoffnung auf einen Fehlpass.
Die Bayern überstanden alle diese Situationen souverän – aber den Platz, der sich dann plötzlich bot, nutzten sie nicht. Das hat viele Gründe, einer der frappierendsten: Kein Offensivspieler der Bayern befindet sich derzeit in Galaform. Schon gar nicht Franck Ribéry. Wo er an guten Tagen Lücken reißt und Verteidiger an den Rand der Sportinvalidität dribbelt, sind zurzeit nur Fehlpässe, schlechte Laufwege und verlorene Zweikämpfe. Arjen Robben mühte sich, aber Coentrao und Isco hielten den Niederländer konsequent von seinen "sweet spots" fern, zumal Rafinha nicht gerade als Unterstützung taugte.
Müller bringt Bewegung ins Spiel
Es fehlte den Bayern aber auch am Zug. Erst mit Thomas Müllers Einwechslung eine Viertelstunde vor Schluss entwickelte sich so etwas wie Siegeswillen in den Reihen der Bayern. In der 81. Minute schnappte er sich einfach den Ball von Mario Götzes Fuß und zog unmissverständlich ab – auch wenn der Schuss vorbei ging, plötzlich wurden die Aktionen des Deutschen Meisters zwingender. Mit etwas Glück hätte Müller einen Elfmeter herausgeholt, aber der fehlerfreie Engländer Howard Webb behielt den Überblick und ließ nach dem harten, aber fairen Einsatz von Xabi Alonso in der Nachspielzeit weiterspielen.
Thomas Müller war es dann auch, der nach dem Spiel Klartext redete. "Wir wissen, dass wir kein gutes Ergebnis mit nach Hause bringen", sagte er. Und: "Wenn man es nüchtern betrachtet, hat Real auch die Chance auf das 2:0. So ist Fußball, schwer zu erklären." Dass Real kein weiteres Tor erzielte, lag hauptsächlich daran, dass Cristiano Ronaldo nach seiner Verletzungspause noch nicht in Topform war, und zweimal in aussichtsreicher Position vergab (26./47.).
Beim Rückspiel in München müssen die Bayern nun mit zwei Toren Vorsprung gewinnen, oder ins Elfmeterschießen gehen. Der Glaube sei da, sagte Toni Kroos, "gerade nach diesem Spiel, wo Real Madrid so viel Respekt gezeigt hat" - indem sie den Gästen den Ball überließen, meinte er. Arjen Robben bezeichnete die Taktik der Hausherren nach dem Spiel "überraschend", ein sicheres Zeichen dafür, dass Reals Plan aufgegangen war. Aber verunsichern wollte sich Robben nicht lassen von diesen 90 Minuten in Madrid: "Alle wissen, dass es noch möglich ist. Wir werden das schon machen."
Quelle: ntv.de