Fußball

Hymnenstreit um DFB-ElfDas Niveau singt

15.08.2012, 13:51 Uhr
imageVon Stefan Giannakoulis, Frankfurt
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Der eine singt, der andere nicht. Alle spielen Fußball. (Foto: picture alliance / dpa)

Wer nicht singt, der ist kein Deutscher? Die Debatte um Hymne und Nationalspieler wirkt vor dem Fußballspiel gegen Argentinien in Frankfurt nach. Bundestrainer Löw ermüdet dieses Gerede, Sami Khedira hält es für unfair. Und hat einen viel besseren Plan. Entscheidend ist schließlich nicht die Tonspur.

Gerhard Mayer Vorfelder hätte seine helle Freude gehabt. Nicht nur, dass die Junioren des Deutschen Fußball-Bundes am Dienstagabend im Testspiel die Mannschaft aus Argentinien mit 6:1 (2:1) besiegten. Nein, alle Spieler der Startelf um Kapitän Lewis Holtby, Inhaber zweier Staatsbürgerschaften, weil Sohn eines englischen Vaters und einer deutschen Mutter, sangen vor dem Anpfiff vor 4822 Zuschauern im neuen Offenbacher Stadion brav die Nationalhymne mit.

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Sami Khedira singt nicht. (Foto: dapd)

Wenn heute ab 20.45 Uhr im Frankfurter Stadion die A-Nationalmannschaft ebenfalls gegen Argentinien antritt, wird Sami Khedira nicht singen. Wie bei seinen bisher 32 Partien in der DFB-Elf nicht. Und auch nicht bei den insgesamt 25 Einsätzen in den Junioren- und Jugendteams. Er ist in Stuttgart geboren, sein Vater ist Tunesier, seine Mutter Deutsche, auch er hat zwei Pässe. "Das ist sehr schön und ein gutes Zeichen, wenn man die Nationalhymne singt. Aber man kann nicht darauf schließen, dass man dann ein guter Deutscher ist", sagt Sami Khedira, 25 Jahre alt und Profi bei Real Madrid. "Ein guter Deutscher ist man, wenn man gut die Sprache spricht und die Werte annimmt." Eine andere Deutung sei "nicht fair. Weil wir alles für unser Land tun, nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb". Bei der U-21-Europameisterschaft 2009 führte er als Kapitän die deutsche Mannschaft zum Titel. Acht Spieler mit dem, was mittlerweile Migrationshintergrund heißt, kamen beim 4:0-Finale gegen England zum Einsatz. Hinterher habe keiner nach der Hymne gefragt.

Scheingefecht auf einem Nebenplatz

Dass er sich aber vor diesem Testspiel so klar zu diesem Thema positioniert, zeigt, wie ernsthaft es ihn offenbar berührt hat, als es nach der Niederlage gegen Italien im Halbfinale der Europameisterschaft plötzlich hieß, einige Spieler seien nicht mit Leib und Seele bei der Sache. Eben weil sie nicht singen. Dabei ist diese Diskussion nur ein Scheingefecht auf einem Nebenplatz. Und das auf einem Niveau, das viel tiefer nicht sinken kann. Den Kritikern mag es ernst sein mit ihrem Anliegen, allen voran DFB-Ehrenpräsident Gerhard Mayer Vorfelder, der via "Bild"-Zeitung sogar eine Hymnenpflicht für Nationalspieler gefordert hatte. Aber kein vernünftiger Mensch kann annehmen, dass Singen und guter, erfolgreicher Fußball in irgendeinem Zusammenhang stehen.

Auch deshalb hatte Bundestrainer Joachim Löw bei seiner Abrechnung zu Beginn der Woche explizit und mit schneidend scharfer Stimme klargestellt: "Den unterschwelligen Vorwurf solcher Kritik, dass jemand, der nicht die Hymne singt, angeblich kein guter Deutscher ist, finde ich fatal." Er hat das auch gesagt, um seine Spieler zu schützen. Mit dem Effekt, dass Mannschaft und Trainer noch näher zusammenrücken und beginnen, eine Wagenburgmentalität zu entwickeln, nachdem es in Polen und der Ukraine wieder nicht mit dem Titelgewinn geklappt hat.

Sami Khedira jedenfalls spielte den Ball am Tag vor dem Spiel gegen Argentinien gekonnt zurück. Und sprach sich ausdrücklich für Joachim Löw aus. "Wir haben ihm zum hundert Prozent vertraut, und wir vertrauen ihm zu hundert Prozent. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel, denn er ist ein hundertprozentiger Fachmann." Ansonsten hat Sami Khedira für die Begegnung gegen Lionel Messi und seine Kollegen einen guten Plan: "Wir wollen nicht nur gewinnen, sondern guten Fußball spielen, die Fans begeistern und wieder auf unsere Seite bekommen." Ganz ohne zu singen. Vielleicht hat der dabei auch an die Spanier gedacht. Die wurden 2008 Europameister, 2010 Weltmeister und in diesem Sommer wieder Europameister - ohne dass je einer ihrer Spieler die "Marcha Real", den Königlichen Marsch, mitgesungen hätte. Die spanische Hymne hat keinen Text.

Quelle: ntv.de