Gewalt in deutschen Fußballstadien Keine Chance für Auswärtsfans?
28.10.2011, 15:28 UhrBei zwei Pokalspielen in dieser Woche randalieren Fußballfans, greifen sich gegenseitig und die Polizei an. Nun denken Liga und DFB darüber nach, was sie tun können. DFL-Präsident Reinhard Rauball kann sich sogar vorstellen, dass manche Klubs demnächst ohne Fans reisen müssen.
Wer auf Partys geht, der raucht. Wer raucht, der kifft. Und wer kifft, der spritzt sich auch Heroin. Das hat Theo Zwanziger nicht gesagt. Aber seine Kurz-Analyse zu Gewalt und Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien fällt ähnlich differenziert aus: "Mit verbaler Gewalt wie Hassgesängen fängt es an, geht weiter über den gefährlichen Einsatz von Pyrotechnik bis zu direkter Gewalt", sagte der DFB-Präsident der "Bild"-Zeitung. Dabei ist die Sache viel zu ernst, um so zu pauschalisieren.
Was ist passiert? Bei den DFB-Pokalspielen in dieser Woche haben Fans randaliert. In Frankfurt nahm die Polizei am Mittwoch neun Männer fest und sprach von mindestens acht verletzten Beamte, davon einen Schwerverletzten. Demnach hatten Fans der Eintracht und aus Kaiserslautern auf dem Weg zum Stadion mit Flaschen, Böllern und Steinen geworfen und, wie es hieß, die "direkte Konfrontation" mit der Polizei sowie untereinander gesucht - und offenbar auch gefunden. Zu Beginn der Partie drohte die Situation im Stadion zu eskalieren. Nachdem Lauterer Fans im Gästeblock Pyrotechnik abgebrannt und einen Ordner angriffen hatten, gelang er der Polizei aber, die Lage zu beruhigen.
"So massive Angriffe noch nicht erlebt"
Beim Spiel in Dortmund am Dienstag gegen Dynamo Dresden waren allein die Fans der Gäste für die Gewalt verantwortlich. Als die Polizei etwa 4500 der 12.000 Dresdener von einem Parkplatz zum Stadion geleiten wollte, kam es zu Ausschreitungen. Flaschen und Feuerwerkskörper flogen. "So massive Angriffe habe ich in meiner Laufbahn als Polizeiführer von Fußballeinsätzen noch nicht erlebt", sagte Einsatzleiter Peter Andres. Die Bilanz: 17 Verletzte, davon zwei Beamte, 15 Festnahmen und 17 Strafanzeigen. Während der Partie zwangen Pyrotechniken, Knallkörper und eine Laser-Attacke gegen Nationalspieler Mario Götze Schiedsrichter Peter Gagelmann, das Spiel dreimal zu unterbrechen.
Nicht nur für Reinhard Rauball Grund genug, sich Sorgen zu machen. "Wir streuen uns Sand in die Augen, wenn wir lediglich von ein paar Idioten sprechen." Die gewaltbereite Szene sei deutlich größer als angenommen. Abgesehen davon sprach sich der Chef der Fußball-Liga in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" resolut gegen Pyrotechnik in den Stadien aus. "Es gibt da eine Geisterdebatte, dass der Deutsche Fußball-Bund und die Liga die Pyros doch legalisieren könnten. Schon die Gesetzeslage verhindert das. Laut Versammlungs- und Ordnungsrecht dürfe Feuerwerk nur ein ausgebildeter Feuerwerker machen, "und das ganz sicher nicht im Bereich einer dicht besetzten Tribüne im Stadion. Das ist verboten. Die Vereine können daran nichts ändern."
Rauball: "Kompletter Ausschluss von Gästefans"
Ansonsten kann sich Rauball durchaus vorstellen, dass zum Beispiel ein Verein wie Dynamo Dresden demnächst mit weniger Fans zu Auswärtsspielen fahren muss. Das könne "bis hin zu einem kompletten Ausschluss von Gästefans" gehen. Das Geld, das der gastgebende Verein dadurch weniger einnimmt, müsste dann der Klub bezahlen, dessen Fans gesperrt sind. Allerdings räumt Rauball ein, dass das in der Praxis schwierig werden könnte. "Man weiß nie, an wen Eintrittskarten weitergegeben werden."
Rauball kündigte an, zusammen mit Zwanziger das Gespräch mit den Generalstaatsanwälten zu suchen - und womöglich auch zu finden. Für den 14. November kündigte er jedenfalls einen Runden Tisch mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, den Landesinnenministern und der Polizei an. "Man muss sehen, was wir an Strategien entwickeln können", sagt Rauball. "Letztlich wird es nur so gehen, dass die anständigen Fans die Randalemacher auch selbst ausgrenzen." Derweil denken der DFB und sein Präsident darüber nach, als Konsequenz aus den Krawallen die Stehplätze in den Stadien abzuschaffen.
Ebenfalls ratlos reagieren die Vereine. "Es muss einen Dialog geben, um diese gewaltbereiten Fans auszugrenzen. Das Thema wird uns noch lange Zeit beschäftigen. Es ist ermüdend, aber wir geben nicht auf", sagt Heribert Bruchhagen, Vorstandschef von Eintracht Frankfurt. Er schlägt vor, dass alle Klubs keine Jahreskarten mehr an bekennende Ultras abgeben sollten. Nur: Nicht jeder Ultra ist ein Gewalttäter. Denn überraschenderweise ist Gruppe dieser Fans, die zum Beispiel Choreographien auf den Rängen der Stadien organisieren und ihren Klub bedingungslos anfeuern, genauso heterogen wie andere Gruppen auch. Womit wir wieder bei Zwanzigers Dreisatz sind. Frei nach der Logik: Wer auf Partys geht, nimmt irgendwann auch harte Drogen.
Quelle: ntv.de, mit dpa und sid