Auf Medienboykott folgt Fußballboykott Schalke hilft nur noch ein Neuanfang
04.12.2013, 14:53 Uhr
Hilflos (1): Die Schalke-Stars Kevin-Prince Boateng (l.) und Julian Draxler.
(Foto: imago sportfotodienst)
Peinlich auf dem Platz, noch peinlicher daneben: Was sich der FC Schalke erlaubt, ist eine Bankrotterklärung. Sollten sie die nächsten beiden Spiele verlieren, muss Trainer Jens Keller gehen - und Sportvorstand Horst Heldt mit.
Nein, man hat es nicht leicht, wenn man Schalke-Fan ist. Das war immer so. Dieser Tage aber schämt man sich schon fast. Das liegt nicht an dubiosen Interview-Boykotts oder nicht enden wollenden Durchhalteparolen, sondern regelmäßig auch an den Leistungen auf dem Platz.
Was der Revierclub beim 1:3 im DFB-Pokal gegen Hoffenheim gezeigt hat, war einer Spitzenmannschaft, als die sich Schalke selbst immer noch sieht, schlichtweg unwürdig. Defensiv gleichen die "Knappen" einem Hühnerhaufen, wobei den Hühnern auch noch die Beine zusammengeknotet scheinen. Nachdem Manager Heldt wegen der Streitereien mit dem ZDF zum Interview-Boykott aufgerufen hatte, wirkte es so, als würde Schalke jetzt auch das Fußballspielen boykottieren. Trainer Keller bezeichnete die Leistung zu Recht als "völlig indiskutabel".
Apropos Keller: Es ist nicht verwunderlich, dass der 43-Jährige wieder in der Kritik steht. Der Trainer muss immer den Kopf für die Ergebnisse hinhalten. Das Problem bei Keller ist aber, dass er nicht ein einziges Mal richtig auf den Putz haut, sondern wieder und wieder versucht, unterirdische Leistungen unter den Teppich zu kehren. Nach dem Pokal-Aus kündigte er zwar ein "Donnerwetter" an, im gleichen Atemzug sagte er aber auch, dass man die Mannschaft nun aufbauen müsse. Wie passt das bitte zusammen?
Von einem Huub Stevens oder Felix Magath, die Schalke mit eiserner Hand und erfolgreicher führten, hätte man derart weiche Töne nach einem derart desaströsen Auftritt niemals gehört. Was man dagegen bei diesen beiden Schalke-Trainern gesehen hat, war ein System - und danach sucht man unter Keller vergeblich. Nach dem Hoffenheim-Debakel wurde er zwar nicht explizit danach gefragt, aber er bestätigte diese Erkenntnis dennoch quasi selbst, indem er zugab: "Nach der Pause hat die Mannschaft den Willen gezeigt, aber alles in allem war der Auftritt zu plan- und kopflos."
Heldt sollte seinen Rücktritt anbieten
Das trifft den Nagel auf den Kopf. Es scheint, als wisse man auf Schalke nicht, was man tut und vor allem nicht, was man sagt. Ein Beispiel: Vor dem Champions-League-Duell bei Steaua Bukarest sagten die Verantwortlichen unisono, dass man in Rumänien unbedingt den Einzug ins Achtelfinale perfekt machen wolle. Weil sich Schalke allerdings zu einer Nullnummer mühte, ist man im letzten Gruppenspiel gegen Basel nun zum Siegen verdammt. Und was sagt Heldt? "Das Ergebnis ist zweitrangig, weil wir sowieso ein Endspiel gegen Basel gehabt hätten. Mit einem Sieg in Bukarest hätte uns gegen Basel ein Unentschieden gereicht - aber das können wir nicht gut. Wir müssen volle Pulle spielen." Übersetzt heißt das: Schalke hat alles richtig gemacht. Welch ein Quatsch!
Woche für Woche wird nach Ausreden gesucht, Leistungen werden schöngeredet und Durchhalteparolen formuliert. Man wisse um die eigene Qualität, man müsse den Schalter jetzt umlegen und zeigen, wie gut man wirklich ist - solche Sprüche waren auch gestern wieder von Kevin-Prince Boateng, Jermaine Jones oder Ralf Fährmann zu hören. Die Erkenntnis des Abends kam daher von Julian Draxler: "Wir sagen immer das Gleiche, weil wir von Konstanz weit entfernt sind" - und genau das rettet momentan noch Trainer Keller.
Schalke zeigt nämlich ab und an auch mal, dass in der Mannschaft eigentlich Qualität steckt. Immer wenn es für Keller eng wird, werden zwei wichtige Spiele gewonnen. Es wirkt fast so, als schalte der Revierclub danach wieder einen Gang zurück, damit bloß keine Ruhe reinkommt. So sitzt Keller seit Wochen auf einem Pulverfass - und Fans und Medien fragen sich, wann Manager Heldt endlich sein Streichholz an die Zündschnur hält.
Vielleicht ist es nächste Woche so weit, denn mit der Partie beim Tabellenvierten Borussia Mönchengladbach und gegen Basel stehen zwei Endspiele an. Verliert Schalke in Gladbach und scheidet in der Champions League aus, kommt Heldt nicht daran vorbei, die Reißleine zu ziehen - und gleichzeitig seinen Rücktritt anzubieten. Schließlich war er es, der Keller vor einem Jahr zum Cheftrainer befördert hatte.
Seitdem fährt Schalke Achterbahn - und den Fans wird schlecht dabei. Die Stimmung richtet sich schon seit Wochen gegen Keller, der nie wirklich viel Kredit hatte. Was die Anhänger schon lange fordern, sollten sich die Verantwortlichen nun auch endlich zu Herzen nehmen. Denn auch im Fußball gilt: Um einen Neuanfang einzuleiten, braucht es eine neue Führung.
Quelle: ntv.de