Der Bundesliga-Check: FSV Mainz 05 Und wieder mit dem Stein den Berg hoch
03.08.2015, 09:29 Uhr
Falls eine Weiterentwicklung der Mannschaft gelingt, dürfte die Mainzer eine ruhigere Saison erwarten.
(Foto: imago sportfotodienst)
Same procedure as every season: Die besten Spieler sind weg, aber in der Karnevalshochburg Mainz lässt man sich davon nicht die Laune verderben. Das Vertrauen in Transfergenie Christian Heidel ist groß.
"Wir müssen uns Christian Heidel als glücklichen Menschen vorstellen", schrieb Albert Camus. Na gut, nicht ganz, er schrieb diesen Satz über die antike Sagenfigur Sisyphos. Aber er meinte Menschen wie den Mainzer Manager. "Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen", heißt es in Camus' Essay "Der Mythos von Sisyphos". Christian Heidel rollt nun schon seit 23 Jahren den Stein den Berg hoch. Ganz oben angekommen ist er nie. Aber: Er hat sich und seinem Verein mittlerweile ein Basislager auf einem Plateau geschaffen. Mainz muss nicht mehr bei null anfangen, auch wenn die besten Spieler regelmäßig nach der Saison abwandern. So auch in diesem Jahr – und wie immer begreifen es die Mainzer als Chance, etwas Neues zu schaffen.
Was gibt’s Neues?

Manager Christian Heidel ist bekannt für sein gutes Näschen bei Neuverpflichtungen.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Frische Scheine aus England. Rund 7 Milliarden Euro spülen die TV-Rechte für 2016 bis 2019 in die Kassen der Premier-League-Klubs – glücklich, wer Geschäfte mit den Klubs aus der reichsten Liga der Welt machen darf. So sieht es zumindest Christian Heidel, ganz im Gegensatz zu Karl-Heinz Rummenigge, den ja die Angst umtreibt, die Premier League werde die Liga "aufkaufen". Aber wenn Leicester City 11 Millionen Euro für Shinji Okazaki bietet, dann ist das für den Mainzer Manager ein "No-Brainer". Seinen Ansatz erklärte er der "Welt" so: "Die englischen Klubs haben Geld im Überfluss, also müssen wir es uns holen." Vielleicht ja auch nächste Saison mit den Neuverpflichtungen von heute – wundern würde es bei Heidels ausgewiesen gutem Näschen nicht.
Eine schöne Überweisung kam auch aus Gelsenkirchen: Horst Heldt schob 10 Millionen Euro für den 21-jährigen Johannes Geis rüber. Das Geld investieren die 05er nicht nur in den Kader, sondern auch in die Infrastruktur. Das 2011 errichtete Stadion ist zu weiten Teilen abbezahlt, "und aus Okazaki wird ein neuer Rasenplatz".
Auch die Sponsorensuche hat der Manager erfolgreich beendet, 13 Millionen Euro fließen über drei Jahre – Heidel, der Moneyboy der Bundesliga. Allerdings hätten wir da noch eine Frage: Wir haben ja keine Ahnung von Werbepsychologie, aber ist es wirklich gewollt, dass wir beim Anblick der neuen Trikots Lust auf einen Schnaps bekommen?
Auf wen kommt es an?
Martin Schmidt hat eine Idee. Beziehungsweise mehrere Ideen, die aber von einer Grundidee ausgehen: Der Ball muss nicht zwingend in den Reihen seiner Spieler zirkulieren, der Gegner kann ihn ruhig kontrollieren. Aber wenn es geht, soll sein Team aggressiv den Ball erobern und dann blitzschnell angreifen. Pressing und Gegenpressing. Dafür braucht es körperliche Fitness, auf die Schmidt im Trainingslager besonderen Wert gelegt hat. Die Mannschaft soll zuerst einmal in dieser "Kernkompetenz", wie es Schmidt nennt, funktionieren. Auf dieser Basis will der Schweizer das Spiel entwickeln. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei seinem Landsmann Fabian Frei zu, der Königstransfer der 05er, der für 3,75 Millionen Euro aus Basel verpflichtet wurde. Er besetzt die Rolle des abgewanderten Johannes Geis, der wegen seiner Übersicht vermisst wird, aber das Spiel auch oft langsam gemacht hat. Mit Frei sehen Heidel und Schmidt die Chance, das Team noch schneller ins Laufen zu kriegen.
Was fehlt?
Mit Shinji Okazaki der Knipser vom Dienst. Zwölf Tore hat der Japaner in der vergangenen Saison erzielt – der zweitbeste Schütze Yunus Malli kam gerade auf die Hälfte. Eins zu eins könne man Okazaki ohnehin nicht ersetzen, sagte Martin Schmidt dem "Kicker". Allerdings haben die 05er darauf verzichtet, eine sichere Bank zu verpflichten, die zehn Tore garantiert. Florian Niederlechner kommt immerhin mit der Empfehlung von 15 Saisontoren in der abgelaufenen Zweitliga-Saison aus Heidenheim, Schmidt ist überzeugt, dass der 24-Jährige genau zu seinem Stil passt. Der Argentinier Pablo de Blasis wartet noch auf seinen Durchbruch, ihm gelang in der abgelaufenen Saison nur ein Treffer. Eigentlich soll Yoshinori Muto auf Außen wirbeln, aber bei Bedarf könnte der Japaner auch ins Sturmzentrum rücken. Beim überzeugenden 3:0 im Testspiel gegen Miroslav Kloses Lazio Rom vergab er zwar noch gute Möglichkeiten, bereitete aber immerhin einen Treffer vor.
Wie lautet das Saisonziel?
Achtung, Hippie-Alarm: "Wir wollen mitten in den Herzen unserer Fans und unserer Stadt landen." Das hat Martin Schmidt wirklich gesagt, Sie können es nachlesen, Kicker-Sonderheft, Seite 55. Überhaupt hat es dieser Mann mit der Liebe - das beweist ein Video aus der Zeit kurz nach Thomas Tuchels überraschendem Abgang, für das man der "Allgemeinen Zeitung" einfach nur dankbar sein muss: Ein Reporter rennt durch die Mainzer Fußgängerzone und fragt die Menschen nach ihrem Befinden und möglichen Nachfolgern. Am Ende des Videos gerät er tatsächlich an Martin Schmidt, der sich kaputtlacht und vor der Kamera ausgiebig mit seiner Freundin turtelt. Danke auch, Internet, dass du solche Momente für immer aufbewahrst.
Die n-tv.de Prognose
Nun wieder zum Sportlichen. Die Rechnung könnte so einfach sein: Mainz steckte mit Shinji Okazaki und Johannes Geis lange im Abstiegskampf, also werden die 05er ohne die beiden um den Klassenerhalt bangen müssen. Allerdings ist Martin Schmidt durchaus zuzutrauen, dass er die Mannschaft weiterentwickeln kann. Findet sich dann noch ein Spieler, der die Tore macht, dürften die Mainzer eine ruhigere Saison als zuletzt erleben.
Quelle: ntv.de