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Favre muss gehen Herthas Probleme bleiben

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(Foto: dpa)

Der Kreis hat sich geschlossen. Lucien Favre trainiert seit gestern nicht mehr den Fußball-Bundesligisten Hertha BSC. Er ist wieder da angekommen, wo er vor zwei Jahren angefangen hat. Und das ist keine gute Bilanz. Nicht für ihn, und nicht für den Verein.

Bei seinem Amtsantritt im Juni 2007 hatte er auf seine leise, stets höfliche Art unmissverständlich festgestellt, dem Kader fehle die Tauglichkeit für die Bundesliga. Nun, 27 Monate später, deutet viel darauf hin, dass das wieder so ist - nachdem Lucien Favre seinen Kader nach seinen Vorstellungen zusammenstellen durfte wie kaum ein anderer Trainer in der Liga. Das klingt nicht nach einer Erfolgsgeschichte. Lucien Favre hat also in Berlin nichts bewirkt und ist gnadenlos gescheitert? So einfach ist die Sache nicht.

Der Kreis hat sich geschlossen: Lucien Favre.

Der Kreis hat sich geschlossen: Lucien Favre.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Stimmung war mies, damals im Sommer 2007. Platz zehn hatten die Berliner in der Bundesligasaison belegt, grauenhaften Fußball gespielt und in der Rückrunde nur ein Heimspiel gewonnen. Die Boulevardpresse schrieb wegen etlicher Disziplinlosigkeiten der Spieler vom "Sauhaufen BSC". Im April hatte sich der Verein so akut in Abstiegsgefahr befunden, dass Falko Götz entlassen wurde und Karsten Heine übernahm. Nun ist der U-23-Trainer wieder eingesprungen. Favres Vorgänger ist sein Nachfolger. Auch hier schließt sich der Kreis.

Was ist nur passiert?

Doch was ist in diesen zwei Jahren geschehen? Manager Dieter Hoeneß tat im Sommer 2007 das, was ihm die wenigsten zugetraut hatten. Er wagte einen radikalen Neuanfang. Er schmiss 13 Spieler raus, darunter viele Querulanten, verpflichtete sieben Neue. Und er holte mit Lucien Favre einen Trainer, den außerhalb der Schweiz kaum einer kannte, und gab ihm freie Hand bei der Zusammenstellung des Kaders. Das Ergebnis war ein Stimmungsumschwung, ein guter Start in die Saison – und ein zehnter Platz am Ende der Saison 2007/08.

Dreigestirn: Maskottchen Herthinho, Ex-Manager Dieter Hoeneß und Ex-Trainer Lucien Favre, von links. Immerhin: Herthinho scheint unkündbar.

Dreigestirn: Maskottchen Herthinho, Ex-Manager Dieter Hoeneß und Ex-Trainer Lucien Favre, von links. Immerhin: Herthinho scheint unkündbar.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Das war kein Fortschritt in der Tabelle, aber der Plan war größer. Vom ersten Tag an hatte Lucien Favre betont, er brauche Zeit, um sein Ziel zu erreichen:  Eine Mannschaft zu formen, die irgendwann um den Titel mitspielen werde. Und in Berlin taten sie das, was ihnen kaum einer zugetraut hätte: Sie gaben ihm die Zeit, ließen ihn machen und reden – von polyvalenten Spielern, von Einkontakt-Fußball und einer Mannschaft, die Wille und Charakter zeigen müsse. "Individualistisch zu spielen" war und ist für Luci­en Favre das Kardinalverbrechen im Fußball. Das paukte er seinen Spielern ein. Jeder Einzelne musste begreifen, dass er sich in einem Gebilde bewegt, das nur dann stabil ist, wenn jeder die ihm zugedachte Aufgabe er­füllt. "Abstimmung und Ordnung" sind die Schlüsselbegriffe in seinem Konzept.

Dabei schien es zu funktionieren

Und siehe da, es schien zu funktionieren. Die Hertha belegte in der vergangenen Saison Platz vier und ließ ihre Fans eine zeitlang tatsächlich von der Meisterschaft träumen. Die Stimmung bei den Heimspielen im Olympiastadion war prächtig wie lange nicht mehr, Berlin interessierte sich plötzlich für seine Hertha. Der Plan, so schien es, war aufgegangen. Und der Trainer wurde immer mächtiger. Dieter Hoeneß musste gehen, Lucien Favre sollte den Verein nach zwölf Jahren aus dem Schatten des mächtigen Managers führen. Keine fünf Monate ist das her. Und nun, sechs Niederlagen und 17 Gegentore später, ist alles aus.

Daran ist Lucien Favre nicht unschuldig. Er hat immer betont, wie stark der Erfolg einer Mannschaft davon abhängt, dass der Trainer die richtigen Spieler verpflichtet. Und das ist ihm nicht gelungen. Dass Abwehrchef Josip Simunic und Stürmer Andrej Woronin gegangen sind, lag am Geld, das die Berliner, die jahrelang über ihre Verhältnisse lebten, schlichtweg nicht haben. Aber dass Lucien Favre geglaubt hat, diese Schwächung der Mannschaft auf seine Weise mit unbekannten aber hoffnungsvollen Spielern ausgleichen zu können, muss er sich ankreiden lassen. Der Stratege hat sich verkalkuliert. Das wird ihn selbst am meisten schmerzen. Zu offensichtlich war es, dass die Spieler in dieser Saison nicht mehr in der Lage waren, die Vorgaben des Meisters umzusetzen. Er hat sie überfordert. Sie, die er selbst ausgesucht hatte

Die Erkenntnis ist schlicht, aber es ist, wie es ist. "Ich kann nicht langfristig planen und kurzfristig verlieren." Dieser Satz stammt von Otto Rehhagel. Und er hat in seiner langen Karriere sicher dümmere Sätze gesagt. Für einen Trainer zählen weder alte Erfolge noch Vorschusslorbeeren. Lucien Favres Zeit in Berlin war abgelaufen, seine Entlassung zumindest im System Fußball die logische Konsequenz. Die Probleme der Hertha löst das nicht. Denn Favres Spieler sind noch da. Und mit denen muss der neue Trainer erst einmal zurechtkommen.

Quelle: ntv.de

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