Für viele ein Problem Zu arm zum Studieren, zu "reich" fürs BAFÖG
04.08.2023, 19:44 Uhr
Erstsemester-Begrüßung in Köln: Die Zahl der BAFÖG-Empfängerinnen und -Empfänger war viele Jahre lang rückläufig.
(Foto: picture alliance/Christoph Hardt/Geisler-Fotopress)
Bessere Bildung bedeutet bessere Zukunftschancen. Doch die Chancen, dass ein junger Mensch während seines Studiums vom Staat unterstützt wird, sind über Jahre hinweg gesunken. Die Ampel-Regierung wollte nachbessern. Der große Wurf ist bisher jedoch ausgeblieben.
Die guten Nachrichten zuerst: Die Zahl der BAFÖG-Empfängerinnen und -Empfänger unter Studierenden hat im vergangenen Jahr zugenommen - um mehr als 21.700 Personen. Das entspricht einem Anstieg von knapp fünf Prozent gegenüber 2021, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Auch die ausgezahlten Förderbeträge sind gestiegen, von durchschnittlich 579 auf 611 Euro pro Monat.
Das sind keine großen Sprünge. Doch es ist immerhin schon das zweite Mal in Folge, dass sich der Kreis der Geförderten vergrößert hat - nachdem er zuvor über lange Zeit deutlich geschrumpft war. Für den Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) Frank Ziegele ist es dennoch zu früh für Freudensprünge: "Im Grunde bedeuten diese Zahlen eine Stagnation", sagt er. Vor allem der Anteil der Studierenden, die Geld vom Staat erhalten, dürfte sich gegenüber dem Vorjahr kaum verändert haben und weiterhin bei etwa 11 Prozent liegen, schätzt Ziegele.
Ein direkter Vergleich lässt sich allerdings nicht anstellen, da die Zahl der Studierenden pro Semester erfasst wird, die Zahl der BAFÖG-Empfängerinnen und -Empfänger hingegen für das ganze Jahr. Die jährliche Gesamtzahl verschleiert wiederum, dass die Betroffenen zum Teil nur für einige Monate gefördert werden. Im Durchschnitt erhielten in jedem Monat des vergangenen Jahres gut 334.600 Studierende BAFÖG - das sind nur unwesentlich mehr als 2021 (+0,34 Prozent).
Auffällig ist, dass zuletzt fast die Hälfte der studierenden BAFÖG-Empfängerinnen und -Empfänger den maximalen Förderbetrag erhielten. Im Vorjahr hatte der Anteil der Vollgeförderten noch bei knapp 43 Prozent gelegen. Insgesamt sind die Staatsausgaben für BAFÖG-Leistungen laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr um 2,8 Prozent auf 3 Milliarden Euro gestiegen, wovon 2,5 Milliarden den Studierenden zugute kamen.
Einkommen der Eltern ist entscheidend
"Mehr als 85 Prozent der Studierenden erhalten keinerlei Förderung vom Staat, weder in Form von Studienkrediten noch durch BAFÖG", wendet Ziegele ein. Wer in Deutschland studieren will, ist also in den allermeisten Fällen auf eigene Mittel, beziehungsweise die der Familie angewiesen. Kann es wirklich sein, dass der Staat nur bei weniger als 15 Prozent der Studierenden einen Bedarf nach finanzieller Unterstützung sieht? "Das sind für mich keine plausiblen Zahlen", so der Bildungsforscher.
Ob jemand BAFÖG erhält oder nicht, hängt unter anderem vom eigenen Vermögen, dem Einkommen der Eltern und der Zahl der Personen ab, die davon leben müssen. Doch finanzieller Bedarf ist nur ein Faktor unter vielen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die potenziell BAFÖG-Berechtigten in ein enges Karriere-Korsett zwängt. Wer etwa die Regelstudienzeit überschreitet oder das Fach wechselt, muss damit rechnen, dass die Förderung gestrichen wird. Das sei längst nicht mehr zeitgemäß, meinen Kritiker wie Ziegele.
Auch die Ampel-Regierung hatte den Reformbedarf im Koalitionsvertrag anerkannt und Lösungen versprochen. Im vergangenen Jahr wurden unter dem Eindruck der Inflation immerhin schon die BAFÖG-Sätze angehoben, Freibeträge erhöht und Altersgrenzen großzügiger angesetzt. Ob dies dazu führt, dass sich der Kreis der Anspruchsberechtigten merklich erhöht, bleibt abzuwarten. Dem Bildungsforscher Ziegele jedenfalls gehen die bisherigen Maßnahmen nicht weit genug. "Ich hoffe, dass die eigentliche BAFÖG-Reform noch kommt", sagt er.
Aus Sicht der Bundesregierungen stehen aber erst einmal Einsparungen auf dem Programm: Schon im nächsten Haushaltsjahr sollen die BAFÖG-Ausgaben um 650 Millionen Euro gekürzt werden - und das trotz höherer Auszahlungen. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP begründet die Entwürfe damit, dass der Bedarf nach einer staatlich gestützten Studienfinanzierung in den nächsten Jahren voraussichtlich sinken werde. Das klingt eher nicht danach, dass sich an dem strikten Zugang zum Fördertopf in Zukunft etwas ändern soll.
Quelle: ntv.de