Leben

Badeort wird Stadt der Visionen Ganz Rimini ist ein Fellini-Museum

"Dolce Vita" ist einer von Fellinis Klassikern.

"Dolce Vita" ist einer von Fellinis Klassikern.

(Foto: Comune Rimini)

Federico Fellini, einer der wichtigsten Filmemacher aller Zeiten, hat seiner Geburtsstadt beigebracht, wie man Träume wahr macht. Ein Spaziergang durch Rimini, das sich dank ihm neu erfunden hat.

Rimini - wohl jeder kennt diesen Badeort, zumindest vom Hörensagen. Die Provinzstadt an der Adriaküste zählte schon Anfang des 20. Jahrhunderts zu den international beliebtesten Urlaubszielen in Italien. Der Titel eines italienischen Dokumentarfilms aus dem Jahr 1936 lautete "Rimini, Italiens Ostende". Aus dieser Zeit, als die Sommerfrische noch wenigen Gutbetuchten vorbehalten war, stammt auch das im Jugendstil errichtete Grand Hotel, das 1908 seine ersten Gäste empfing.

Fellini und seine Filmfiguren sind in ganz Rimini präsent.

Fellini und seine Filmfiguren sind in ganz Rimini präsent.

(Foto: Andrea Affaticati)

"Vor einigen Jahren wurde ich mit dem Remake des Films beauftragt, der Rimini mit dem damals auch sehr renommierten belgischen Badeort gleichsetzt", erzählt Marco Bertozzi ntv.de bei einem Treffen in Rimini. Er ist Regisseur und Professor für Filmgeschichte an der venezianischen Universität IUAV. "In der Originalversion gibt es eine im Inneren des Hotels gedrehte Szene, deren Bildbeschreibung so lautete: 'Die Blüte der Badekolonie in der Halle des Grand Hotels'".

Rimini ist weiter ein beliebter Urlaubsort, aber die Art und Weise, wie man den Urlaub hier verbringt, hat sich im Laufe der Jahrzehnte radikal geändert. Statt des Kursaals vor dem Hotel und seinen gehobenen Gästen gibt es jetzt Diskos und Jugendliche, für die das Nachtleben genauso wichtig ist wie der Tag im Strandbad.

Der Strand hat die Altstadt immer in den Schatten gestellt, obwohl diese keine Viertelstunde zu Fuß entfernt liegt und sie, wie Bürgermeister Andrea Gnassi ntv.de sagt, "auch Knotenpunkt Italiens tausendjähriger Kunstgeschichte ist. Gegründet haben sie die Römer. Hier erlebt man die wichtigsten Etappen der Kunstgeschichte hautnah. Von den Madonnen aus dem 14. Jahrhundert bis hin zu Fellinis Darstellung des 20. Jahrhunderts, den Träumen, Trieben, Ängsten und Widersprüchen, die die Menschen damals bewegten."

Besucher wird zum Regisseur

Die Stadt will ihren visionären Sohn ehren.

Die Stadt will ihren visionären Sohn ehren.

(Foto: Andrea Affaticati)

Die Stadt Rimini war schon immer stolz auf ihren Mitbürger Fellini, der hier am 20. Januar 1920 auf die Welt gekommen war. Vier seiner Filme wurden mit einem Oscar ausgezeichnet: "Das Lied der Straße" (1957), "Die Nächte der Cabiria" (1958), "Achteinhalb" (1963) und "Amarcord" (1975). 1993 überreichten ihm Sophia Loren und Marcello Mastroianni den Oscar für sein Lebenswerk. Noch im selben Jahr starb Fellini.

Aber wie soll man so einen Mann angemessen ehren? Fellini pflegte zu sagen: "Der einzige wahre Realist ist der Visionär." Er wusste, wie man diese Maxime umsetzt, seine Stadt lange nicht. Bis vor zehn Jahren Gnassi zum Bürgermeister gewählt wurde. Ihm verdankt die Stadt nicht nur ein Museum der ganz anderen Art, sondern auch die Zukunftsvision, nicht mehr nur als Badeort gesehen zu werden, sondern auch als Schatztruhe der italienischen Kunstgeschichte. Und die Bürger der Stadt folgten ihm begeistert.

Die Fellini-Tour beginnt im Castello Sismondo, einer Burg aus dem 15. Jahrhundert im Herzen der Altstadt. In dieser wurde am 19. August das Fellini-Museum eröffnet. Ein Museum, das nicht nur sein Lebenswerk darstellen will, wie Binassi erzählt. Zusammen mit der Medienkünstlergruppe Studio Azzurro hat er die Ausstattung kuratiert. "Uns war es wichtig, den Besucher in einen Spettatore zu verwandeln. Er sollte nicht mehr nur passiver Zuschauer, Spettatore sein, sondern auch aktiver Autor."

Besucherinnen und Besucher sollen die Exponate, Filmausschnitte, Kostüme, Skizzen und Zeichnungen ins Leben rufen. Wie das geht, erfährt man im Saal, der dem "Buch der Träume" gewidmet ist. Fellini war ein begnadeter Zeichner und als er, Anfang der 1960er-Jahre, die Bekanntschaft mit dem deutschen Psychoanalytiker Ernst Bernhard machte, begann er auch seine Träume aufzuzeichnen, um sie später oft in filmische Visionen zu verwandeln. Das Buch liegt in einem Schaukasten und wird von einem Strahler beleuchtet. Der Atem des Besuchers setzt die Installation in Gang: Die Seiten erscheinen und vergrößern sich an den Wänden. Wird der Atem des Besuchers vom Computersystem nicht mehr erfasst, verblassen sie, bis der nächste Besucher sie wieder ins Leben ruft.

In einem anderen Saal sind Beichtstühle aufgestellt. Öffnet man deren Flügel, erscheinen Ausschnitte von Interviews mit Fellinis Mitarbeitern, die hier ihre Beziehung zum Maestro "beichten". Diese multimedialen Installationen gibt es fast in jedem Saal.

Fellini auf Schritt und Tritt

Post aus Rimini, der Stadt, die jetzt ein Fellini-Museum ist.

Post aus Rimini, der Stadt, die jetzt ein Fellini-Museum ist.

(Foto: Andrea Affaticati)

Das Fellini-Museum sprengt aber die imposanten Mauern der Burg. Immerhin waren Rimini und die Jugendjahre, die er hier verbracht hat, seine wichtigsten Inspirationsquellen. Daher die Idee des "diffusen Museums", zu dem auch die ans Castello grenzende Piazza Malatesta gehört. Auch "Platz der Träume" genannt, weist dieser mit seinen Wasserspielen und dem einer Zirkusmanege ähnlichen Ring auf Fellinis Leidenschaft für den Zirkus hin, der für ihn auch Metapher des Lebens, seiner bizarren Wandlungen und oft grotesken Erscheinungen war. Und dann ist da noch das Cinema Fulgor, das Kino, in dem der kleine Federico seinen ersten Film sah.

Doch Tribut wird dem Maestro auch von Straßenkünstlern gezollt, wie man im Borgo San Giuliano, dem ältesten, einst von Fischern bewohnten Viertel der Stadt, immer wieder sieht. Vom Zentrum kommend, geht es über die noch aus der Römerzeit stammende Tiberius-Brücke. Gleich rechts davon liegt das Viertel. Auf einer Fassade erblickt man Anita Ekberg und Marcello Mastroianni in "Dolce Vita", auf einer anderen die dickbusige Tabakwarenverkäuferin aus "Amarcord", dann wieder Fellini selber. Überall sind Wandmalereien, die Filmszenen abbilden.

Und weiter geht die Tour bis hin zum Strand, den Fellini oft in seiner winterlichen Trostlosigkeit zitierte, obwohl er nie in Rimini gedreht hat. Auch hier ist er allgegenwärtig. Die Straßen in der Nähe der Strandpromenade haben ihre Namen geändert. Früher waren sie berühmten Komponisten gewidmet, heute tragen sie die Namen von Fellinis Filmen. So wurde Via Bizet zu "Via 8½" (1963), Via J. Strauss zu "Via La dolce vita" (1960) und Via R. Wagner zu Via "Block-notes di un regista" (1960). Aus dem Ostende Italiens ist ein Schrein der Visionen entstanden, der den Riminesi den Weg in die Zukunft weist.

Quelle: ntv.de

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