Panorama

Schwerpunkt Flüchtlingspolitik "Anti-Abschiebe-Industrie" ist Unwort 2018

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"Asyltourismus", "Ankerzentrum" oder "sicherheitsgefährdende Schutzsuchende" - viele Vorschläge für das Unwort des Jahres 2018 kommen aus der aktuellen Flüchtlingsdebatte. Das Rennen macht am Ende "Anti-Abschiebe-Industrie".

"Anti-Abschiebe-Industrie" ist Unwort des Jahres 2018. Das gab die Jury in Darmstadt bekannt. "Der Ausdruck unterstellt denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützen und Abschiebungen auf dem Rechtsweg prüfen, die Absicht, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen zu wollen", erklärte die Jury um Sprecherin Nina Janich, Professorin an der Technischen Hochschule Darmstadt.

Die Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber werden immer wieder emotional diskutiert.

Die Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber werden immer wieder emotional diskutiert.

(Foto: picture alliance/dpa)

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt reagierte gelassen auf die Wahl des von ihm benutzte Begriffes "Anti-Abschiebe-Industrie". In der Debatte, die im vergangenen Jahr über die Flüchtlingspolitik geführt worden sei, sei es um die Beschreibung eines Sachverhaltes gegangen. Es sei eine "Debatte in der Sache" gewesen, und "Debatten brauchen auch zugespitzte Begriffe", sagte er.

Für diesen Begriff sei er auch verklagt worden, sagte Dobrindt weiter. Doch das Gericht habe die Klagen abgewiesen und bestätigt, dass weder eine "Schmähkritik" vorliege noch eine persönliche Beleidigung. Es gehe dem Beschuldigten, also Dobrindt, um die Sache, so das Gericht.

Geringere Beteiligung als in Vorjahren

Die Jury hatte den Sieger aus knapp 900 Einsendungen mit mehr als 500 Vorschlägen ausgewählt. Im Vergleich zu den Vorjahren beteiligten sich 2018 aber deutlich weniger Menschen an der sprachkritischen Aktion. Sonst wurden seit Mitte der 1990er-Jahre stets mehr als 1000 Einsendungen gezählt, in einigen Jahren sogar mehr als 2000, wie die Professorin mitteilte.

Janich sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Jury habe beobachtet, dass sich "seit dem Jahr 2015 und dem ganzen Migrationsdiskurs" die politische Kommunikation in Deutschland erheblich verändert habe. "Der Diskurs ist stark nach rechts gerückt. Unwörter, wie wir sie bisher vor allem von AfD-Politikern kannten, kommen nun auch von Politikern anderer Parteien."

Zu den Vorschläge in diesem Jahr gehörten auch der vom CSU-Politiker Markus Söder benutzte Begriff "Asyltourismus", "sicherheitsgefährdende Schutzsuchende" und "Ankerzentrum"/"Ankerzentren" für Flüchtlinge. Daneben gab es auch Vorschläge wie "Anklopf-Raketen", "Deutungshoheit", "Entmietung", "Feminismusflausen" oder "fluide Lage", sagte Janich. Die Jury hatte auch über "Gesinnungsdiktatur", "Menschenrechtsfundamentalismus", "Klimahysterie", "Ökoterrorist" und "Klima-Nazi" diskutiert.

Die Jury rügt Begriffe, die gegen die Menschenwürde oder die Demokratie verstoßen. Die beiden anderen Kriterien sind die Diskriminierung einzelner gesellschaftlicher Gruppen sowie euphemistische, verschleiernde oder irreführende Formulierungen. Entschieden wird allerdings nicht nach der Häufigkeit eines Vorschlags. Manche Vorschläge waren auch bereits veraltet, unklar belegt oder wurden sogar schon als Unwörter gewählt, so Janich. Der Rest entspreche nicht den Kriterien. Häufig seien dies "Wörter für Personen, Dinge oder Sachverhalte, die als solche als Ärgernis oder Problem empfunden werden". Als Beispiel nennt die Wissenschaftlerin den Ausdruck DSGVO (Datenschutzgrundverordnung), der 20 Mal vorgeschlagen worden sei.

Zum "Unwort des Jahres" wird seit 1991 jedes Jahr ein Begriff gekürt, der gegen das "Prinzip der Menschenwürde" oder gegen "Prinzipien der Demokratie" verstößt, weil er gesellschaftliche Gruppen diskriminiere oder euphemistisch, verschleiernd oder gar irreführend sei. Für das Jahr 2016 fiel die Wahl auf "Volksverräter", 2017 lautete das Unwort "Alternative Fakten".

Quelle: ntv.de, sba/dpa

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