36 Todesopfer in Griechenland Bahnhofsvorsteher nach Zugunglück festgenommen
01.03.2023, 14:20 Uhr Artikel anhören
Wie konnte es zu dem verheerenden Zugunglück bei Larisa kommen? Offenbar gibt es seit längerem Probleme mit dem Leitsystem. Die Zugführer müssen per Funk informiert werden. Am Unglücksabend fahren sie dennoch ahnungslos kilometerlang aufeinander zu. Die Polizei nimmt nun einen Bahnhofsvorsteher fest.
Nach dem schweren Zugunglück in Griechenland ist der Bahnhofsvorsteher der Stadt Larisa festgenommen worden. Ein Polizeisprecher sagte, der 59-Jährige befinde sich Gewahrsam. Die konkreten Vorwürfe gegen den Bahnhofsvorsteher wird die Polizei in Kürze bekannt geben.
Bei dem schweren Zugunglück in der Nähe von Larisa waren am späten Dienstagabend mindestens 36 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Ein Personenzug war auf der Strecke zwischen der Hauptstadt Athen und der Hafenstadt Thessaloniki frontal mit einem Güterzug zusammengestoßen und entgleist. Mehrere Waggons wurden fast vollständig zerstört.
Nach Angaben eines Regierungssprechers waren die beiden Züge vor dem Unglück "mehrere Kilometer lang" auf demselben Gleis unterwegs gewesen. Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft OSE, Kostas Genidounias, bestätigte das. Der "unvorstellbare" Unfall hätte seiner Ansicht nach verhindert werden können, "wenn die Sicherheitssysteme funktioniert hätten".
Trotz der Modernisierung mit neuen Brücken und Tunneln und zwei Gleisen entlang der gesamten rund 500 Kilometer langen Strecke Athen-Thessaloniki gebe es erhebliche Probleme bei der elektrischen Koordination der Verkehrskontrolle. "Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht", sagte Genidounias. Warum dies geschieht, und kein modernes Leitsystem funktioniert, konnte er nicht sagen.
Retter ziehen verkohlte Leichen aus dem Wrack
Das Unglück ereignete sich kurz vor Mitternacht. Mehrere Wagen des Personenzuges, in dem etwa 350 Menschen saßen, entgleisten, einige fingen Feuer. 66 Verletzte wurden ins Krankenhaus gebracht, sechs von ihnen mussten auf der Intensivstation behandelt werden.
Die Opferzahl könnte nach Angaben der Feuerwehr noch steigen, weil sich am Vormittag noch immer Menschen im Wrack des Zuges befanden. Die Rettungsarbeiten seien "sehr schwierig", sagte Konstantinos Giannakopoulos von der Ärztegewerkschaft in Larisa im Fernsehsender ERT. Es würden auch verkohlte Leichen gefunden.
Der Regionalgouverneur Kostas Agorastos sagte im Fernsehsender Skai, die Zahl der Todesopfer werde am Ende wahrscheinlich "sehr hoch" sein. Gesundheitsminister Thanos Plevris sagte, in dem Zug hätten viele junge Leute gesessen. Seinen Angaben zufolge hatten viele Studierende den Zug genommen, um nach einem langen Wochenende zurück nach Thessaloniki zu fahren.
"So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen", sagte ein Angehöriger der Rettungskräfte, der völlig erschöpft aus einem zerstörten Waggon kam. "Es ist so tragisch." Ein Waggon war komplett zerquetscht, die Rettungskräfte kamen kaum in ihn hinein. Andere Waggons lagen mit zerbrochenen Scheiben auf der Seite, Rauch hing über dem Gelände.
Augenzeugen berichten von Schreckmomenten
"Es war ein Albtraum, ich zittere noch immer", sagte der 22-jährige Passagier Angelos an der Unglücksstelle. "Glücklicherweise waren wir im vorletzten Waggon und kamen lebend heraus." Der Zusammenstoß habe sich wie ein "riesiges Erdbeben" angefühlt. "Es gab ein Feuer in den ersten Waggons und totale Panik", berichtete er.
"Im Moment des Unfalls sind die Fenster plötzlich explodiert", berichtete ein anderer Passagier im Fernsehen. "Zum Glück konnten wir die Tür aufmachen und schnell entkommen. In anderen Wagen ist es den Leuten nicht gelungen." Ein anderer Zuginsasse berichtete der Zeitung "Protothema": "Ich habe Blutflecken von anderen Menschen, die neben mir verletzt wurden."
Griechische Medien sprachen vom schlimmsten Zugunglück in der Geschichte des Landes. An den Rettungsarbeiten waren 150 Einsatzkräfte beteiligt, auch 40 Rettungswagen waren im Einsatz. Bei Tagesanbruch begannen zwei große Kräne damit, Teile des Wracks anzuheben. Einer der zerstörten Waggons wurde von einem Feld neben den Bahngleisen gehoben.
Das Unglück löste im In- und Ausland große Betroffenheit aus. "Meine Gedanken sind heute Morgen bei den Menschen in Griechenland", schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter. Die griechische Regierung berief ein Krisentreffen ein und rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Militärkrankenhäuser in Thessaloniki und Athen wurden in Alarmbereitschaft versetzt.
Quelle: ntv.de, jog/AFP