Eine für alle Bullshit-Bingo: Was Frauen nicht mehr hören wollen


Frauentagsparty 1965 in der DDR, hoch die Gläser.
(Foto: picture alliance / SZ Photo)
"Jetzt sei doch nicht so naiv, was hast du dir denn vorgestellt?" Äh, dass ich gleichberechtigt bin, zum Beispiel. "Verstehe, alles klar, für eine Frau machst du das echt gut, aber ...". Aber? Danke. Für nichts. Die Kolumnistin hat den gestrigen Frauentag zum Nachdenken genutzt.
Es sind solche Sätze und Situationen, die einer Frau durch den Kopf gehen, wenn sie etwas intensiver über das Frausein nachdenkt. Gestern war dazu ja genug Gelegenheit am Weltfrauentag. Diese Zeit habe ich natürlich genutzt. Passenderweise hatten die Geschäfte geschlossen, sodass Frauen ihrem angeblichen Lieblingshobby, dem Shoppen, nicht nachgehen konnten. Ob das so schlau ist, die Läden an diesem Tag geschlossen zu halten, kann jeder für sich selbst beantworten. Mir ist es eh relativ egal, ich habe 2025 Kleidungsfasten für mich auf dem Programm, weil ich einfach weiterhin Bock habe, Schokolade zu essen und zu trinken, aber irgendein Fasten musste halt her zum Jahresbeginn. Und nach gründlicher Prüfung meiner diversen begehbaren Kleiderkammern ist dieser Entschluss geradezu zwingend gewesen. Es wird ein oder zwei Cheat-Tage geben, im Urlaub zum Beispiel. Mein Mann darf mir auch was schenken. Und wenn meine Tennisschuhe kaputtgehen, dann kauf' ich neue. Und Gebrauchtes, von einer anderen Freundin, geht auch mal im Notfall. Aber sonst wird gefastet (ich werde Ende des Jahres berichten, ob es funktioniert hat).
Eigentlich aber will ich über das neue Buch der von mir sehr geschätzten Tatjana Kiel berichten, die zusammen mit anderen Frauen eine Sammlung dämlicher Sprüche und Situationen herausgegeben hat, denen Frauen sich tagtäglich stellen müssen. Es sind die Sprüche, die Frauen immer wieder begegnen, und es sind Sprüche, die im Jahr 2025 überhaupt nichts mehr verloren haben. Wie beispielsweise: "Hast du deine Tage?" Steht für: "Ah, deswegen bist du so zickig", bedeutet aber in Wirklichkeit, dass es einer Frau höchstwahrscheinlich möglich ist, Nachkommen zu gebären, auch männliche. Und "zickig" ist die Frau vielleicht, weil sie Schmerzen hat, oder sich matt fühlt. Weil der Eisenmangel sie müde macht. Die Frage müsste also lauten: "Kann ich irgendwas Gutes für dich tun?"
Auch bescheuert: "Kommt Ihr Chef noch?", eventuell verbunden mit dem Zusatz: "Ich nehme meinen Kaffee mit etwas Milch und Zucker", ist auch ein Klassiker, weil die Frau wieder einmal für die Assistentin gehalten wurde. Weil sie zu hübsch ist? Zu jung? Vielleicht, aber meist einfach nur, weil sie eine Frau ist und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, im Weltbild vieler Männer. Und ja, es ist total okay, Assistentin zu sein. Oder Assistent.
Raus aus der Krise
Gesteigert wird das nicht vorhandene Vertrauen in feminine Fähigkeiten mit dem gern ausgesprochenen, angeblich wohlmeinenden Satz: "Frauen wollen ja gar nicht so viel Verantwortung übernehmen." Ist klar. Frauen haben im Leben übrigens die absolute Hauptverantwortung, denn, und man kann es gar nicht oft genug wiederholen, sie bringen die Kinder auf die Welt. Die sie verantwortungsvoll ausgebrütet haben. Die sie dann zu verantwortungsvollen Menschen erziehen, während Vati - und sorry, trotz allem, es ist oft noch so - Karriere macht oder zumindest seinen eigenen Dingen nachgeht. Und ja, das ändert sich gerade mit den neuen Generationen neuer Väter, und das ist großartig.
Ein besonders bekloppter Spruch ist folgender: "Du bist wohl in den Wechseljahren." Er täuscht ein gewisses Maß an Verständnis vor, ist aber gemein gemeint, weil er implizieren soll, dass frau nun alt wird. Super! Denn alt zu werden, ist ein Privileg. Alt zu sein ist nicht einfach, aber alternativlos, wenn man nicht tot sein möchte. Und auch Männer kommen in die Wechseljahre, viel früher als Frauen meist, es heißt nur anders: "Midlife-Crisis". Auch nicht schön. Wird durch Porsche, Harleys oder jüngere Freundinnen gern vom Betroffenen kaschiert, genau wie die Geheimratsecken, aber ich muss sagen, ich befinde mich doch lieber in einem Wechsel als in einer Krise. Frau könnte sogar total happy sein, weil es eine Art Befreiung ist, nicht mehr für die Reproduktion zur Verfügung stehen zu müssen. Weil sie Sex haben kann, ohne zu verhüten, weil sie weiß, was sie will. Weil sie weiß, wen sie will. Und was sie alles nicht will. Herrlich! Her mit den Wechseljahren!! Raus aus der Krise!!
Ein anderes, wirklich geradezu unterirdisch beknacktes, verstecktes "Kompliment" ist: "Du bist einfach zu nett für dieses Projekt." Mit diesem Satz möchte man an Ihrer Kompetenz kratzen. Problem: Man, frau, kann gar nicht zu nett sein. Nett sein ist geil! Nicht nett zu sein ist dumm und anstrengend für die Umwelt.
"Lächle doch mal!"
Fragen auch Frauen gern andere Frauen: "Warum machst du dich so schick, willst du jemanden beeindrucken?" Ja, mich selbst, sollten Sie dann antworten, dich auf keinen Fall! Das hing von gestern noch über dem Badewannenrand, ich habe gar nichts, was nicht schick ist, und warum siehst du eigentlich so langweilig aus? Eine Antwort würde schon reichen, um den faden Fragesteller schachmatt zu setzen.
Auch schön: "Lächle doch mal!" Einzige mögliche Antwortvarianten auf diese dämliche Aufforderung können nur sein: "Dann erzähl' doch mal was Lustiges/ Interessantes/ Kluges." Oft kommt dann noch: "Du siehst viel hübscher aus, wenn du lächelst." Wo ist das Kotz-Emoji, wenn man es braucht??
Mein Favorit ist, dass ich häufig gebeten werde, die Brille abzunehmen für ein Foto, sowohl die zum Gucken als auch die gegen zu viel Helligkeit. Das ist ausschließlich meine Angelegenheit, ob ich eine Brille tragen möchte und welche, oder nicht. Außer auf dem Passfoto trage ich auch gern zwei Brillen übereinander, wenn es sein muss: Sonnenbrille plus Lesebrille drüber im Urlaub am Strand, (weil sich wieder ein Idiot auf meine Sonnenlesebrille gesetzt hat).
Ein weiterer Spruch, den sich Frauen immer noch anhören müssen laut den Autorinnen Tatjana Kiel, Susanne Schlösser, Sabine Grüngreif, Svenja Lassen und Maren Wagener, ist der hier: "Meine Güte, das verdienen bei uns ja nicht mal Männer in vergleichbaren Positionen". Ups, und wenn dann noch hinter vorgehaltener Hand gesagt wird: "Die hat sich doch hochgeschlafen", dann, ja spätestens dann, denkt frau sich: "Willkommen in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts".
Der Baby-Elefant im Raum
Einen Spruch, den sich Frauen wie Annalena Baerbock ganz sicher einige Male gefallen lassen mussten und müssen: "Und wer kümmert sich um die Kinder?" Wurde das ein einziges Mal Friedrich Merz gefragt, Markus Söder oder selbst Robert Habeck? Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Denn Frauen werden auch gefragt, warum sie keine Kinder haben, wenn sie keine haben. Ob sie keine wollen. Und wenn nicht, warum nicht. Akzeptiert wird, wenn sie keine Kinder bekommen können, dann werden sie bemitleidet. Als ob sich Frausein nur durch die Mutterrolle vollkommen erklären, entfalten und begründen ließe.
Was Frauen auch tun, ob keine Kinder, nur eins ("Das arme Einzelkind") oder zwei (gut), bei Kind Nummer drei fragt die Umwelt sich auf jeden Fall, ob diese Familie wohlhabend ist (muss man sich auch leisten können, Kinder), oder so arm, dass sie staatliche Unterstützung bekommen - dann wird frau schnell zum Schmarotzer, liegt anderen auf der Tasche und hat nicht gecheckt, wie sie verhütet. Als wäre Verhütung nur das Thema der Frau. "War das dritte Kind eigentlich geplant?" steht dann, wie ein Baby-Elefant, im Raum.
Da heißt es nun: Seid laut, Frauen! Auch wenn euch gesagt wird, herrje, du bist ja ganz schön laut. "Die traut sich was!!" Ja, genau das, was Männer sich auch trauen. Nur, dass man von Männern geradezu erwartet, dass die sich was trauen, während Frauen dann zu forsch, zu unbequem, zu kantig sind, wenn sie für das einstehen, was sie wollen. Wenn eine Frau sich traut, für die Dinge, die selbstverständlich sein sollten, einzustehen, muss sie sich unter Umständen vielleicht auch anhören: "Das kläre ich dann lieber mal mit Ihrem Vorgesetzten." Vielleicht hat sie gar keinen Vorgesetzten, weil sie selbst Vorgesetzte ist.
Und wenn das Thema Kinder durch ist, dann kommt die bereits erwähnte Alterskeule: "Willst du dir das in deinem Alter noch zumuten?" Am Abend geht die Person, die das gefragt hat, dann vielleicht auf ein Konzert der Rolling Stones oder von Udo Lindenberg und bewundert die Männer mit den dünnen Beinen für ihre Energie.
In meiner Familie bin auf jeden Fall ich diejenige, die am besten einparken kann und die mit der Bohrmaschine hantiert. Die dafür zuständig ist, dass das Internet läuft ("Ist denn der Stecker in der Steckdose?") und die das Auto für den Urlaub packt, als hinge ihr Leben davon ab. Zumindest für die nächsten zwei Wochen, denn ich will für alle Fälle gerüstet sein, für Wind und Wetter, mit Duftkerzen gegen schlechte Gerüche oder miese Aura, und mit einer Decke, falls man bei Minusgraden im Stau stehen bleibt.
Für alle Frauen, die Antworten suchen, die sie den dummen Sprüchen entgegensetzen könnten, die ihnen täglich um die Ohren gehauen werden (übrigens nicht nur von Männern, denn das "Kompliment": "Wow, du siehst fantastisch aus, hast du abgenommen?", kommt auch sehr gern von anderen Frauen*), eignet sich "Bullshit-Bingo" hervorragend, denn die Autorinnen sagen Ihnen, was Sie das nächste Mal antworten können, wenn jemand Ihnen ein verstecktes Kompliment macht, was aber keines ist, wie: "Man hört ja gar nicht, dass du aus dem Osten kommst." Dann antworten Sie am besten: "Für einen Bayern / Schwaben / Hamburger/ Berliner sprichst du ja auch ganz passabel."
* Ich sehe übrigens so fantastisch aus, weil ich drei Kilo zugenommen habe, ergo: weniger Falten
Quelle: ntv.de