
Martina Navratilova und Steffi Graf in Wimbledon 1987.
(Foto: IMAGO/Bridgeman Images)
Gestern war Frauentag. Das ist schön, wenn man in Berlin lebt, denn es ist ein Feiertag. Wir haben ja sonst nicht so viele davon. Aber ändert so ein Frauentag was an der Grundmisere, in der sich viele Frauen befinden? Oder andere "Minderheiten"? Auch, wenn sie gar keine Minderheit sind? Die Kolumnistin denkt mal laut.
In einer Welt, in der es darum geht, ob unsere Zukunft von zwei alten, amerikanischen Männern abhängt. In einer Welt, in der in Israel ein ungeliebter Führer macht, was er will, die halbe Welt pro-palästinensisch wird, und niemand mehr versucht zu differenzieren. In einer Welt, in der nebenan Krieg ist (weil ein anderer alter Mann das so beschlossen hat) und ein Bundeskanzler keine krassen Waffen liefert, damit die Angegriffenen sich adäquat verteidigen können.
In einer Welt, in der die Frage im Raum steht, ob der Krieg, der - noch - "nebenan" stattfindet, sich dann in Zukunft auch in unseren Breiten physisch ausweiten wird. In einer Welt, in der die Bahn selten fährt, die Flugzeuge immer öfter am Boden bleiben. In einer Welt, in der man sich fragen muss, wie mehr Geld und weniger Arbeitsstunden finanziert werden sollen - in dieser Welt wird übersehen, dass es eine Bevölkerungsgruppe gibt, die neben all diesen Dingen ständig damit zu tun hat, sie selbst zu sein und zu überleben: Frauen.
Frauen und Sport
Als ich heute die Nachricht las, dass Tennisprofi Andrea Petković, eine ehemalige Top-Ten-Spielerin, in einem Interview mit dem Magazin "Stern" gesagt hat, der Erfolg habe sie nicht glücklich gemacht, musste ich darüber nachdenken, was Frauen heute denn wohl glücklich macht. Überhaupt glücklich machen kann. Frauentag hin oder her.
Petković hat 2022 mit 34 Jahren ihre Karriere beendet. Am Tag des letzten Spiels habe sie sich erleichtert gefühlt, erzählt sie. Die Nachteile, die es mit sich bringt, eine Frau im Profisport zu sein, würden sie bis heute beschäftigen, sagt Petković und spricht unter anderem über die - mittlerweile geänderte - Regel, beim Wimbledon-Turnier komplett weiß tragen zu müssen. "Wie viele Nervenzusammenbrüche ich in Umkleidekabinen gesehen habe! Die toughsten Frauen der Welt weinten fast, weil sie gerade ihre Tage bekommen haben und zwei Stunden später auf dem Center Court vor 15.000 Leuten spielen mussten, komplett in Weiß, mit weißer Unterhose." As simple as that - und dennoch so gravierend sind die Probleme von Frauen.
Das mussten sich Männer, angefangen bei Gottfried von Cramm über Björn Borg oder John McEnroe bis zu Alexander Zverev, niemals fragen. Und es mag lächerlich klingen, in Zeiten, in denen wir für so viele Probleme vermeintliche Lösungen haben, aber als Tennisspielerin kann ich nur sagen: "I feel you, Andrea." Auch, wenn ich natürlich nie in Wimbledon gespielt habe. Ich muss lachen, weil dieser Gedanke echt so absurd ist, aber die Sache mit den weißen Klamotten, die versteh' ich voll.
Frauen und Sport (2)
Frauen machen weniger Sport. Das ist blöd. Denn das kann unangenehme Folgen haben, gesundheitliche beispielsweise. Und warum machen Frauen weniger Sport? Weil sie keine Zeit haben. Auch blöd. Keine Zeit, kein Geld, und der Vergleich mit anderen hält Frauen davon laut einer Studie des Sportartikelherstellers ASICS ab. Tipp: Einfach machen. Keine besonderen Klamotten, ab in den Wald, gehen, rennen, schreien, Bäume umarmen, Baumstümpfe schmeißen, alles ist erlaubt. Der Abwasch kann warten. Oder, noch besser, wurde von einer anderen Person im Haushalt erledigt, bevor das dreckige Geschirr neues Leben entwickelt.
Frauen und Politik
Nikki Haley hat hingeschmissen. Sie überlässt das Terrain einem Mann, den sie nicht unterstützen wird, obwohl er in derselben Partei ist wie sie. Ihre Mit- und Ohneglieder der Republikaner forderte sie NICHT auf, sich nun dem Kandidaten Trump anzuschließen. Das ist normalerweise üblich, und ihre Verweigerung bedeutet fast schon eine kleine Rebellion. "Im besten Fall geht es in der Politik darum, Menschen für die eigene Sache zu gewinnen - nicht darum, sie abzuweisen. Und unsere konservative Sache braucht dringend mehr Menschen", gab sie ihm noch mit auf den Weg. Sie warnte vor einer Spaltung der amerikanischen Gesellschaft und bat Trump darum, sich das Vertrauen derjenigen zu erarbeiten, die ihn bisher nicht unterstützen. "Ich hoffe, er tut das." Dein Wort in Gottes Ohr, Nikki!
Frauen und Politik (2)
Politik muss weiblicher werden. Und damit ist auch gemeint, dass wir nicht mehr über Annalena Baerbocks Klamotten urteilen oder Ursula von der Leyen jedes Mal gedanklich auf die Schulter klopfen und uns fragen, wie sie neben ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit als EU-Präsidentin auch noch Mutter sein konnte/ kann/ sein wird und ihren "Kosenamen" "Flinten-Uschi" (als sie noch Verteidigungsministerin war) mit irre viel Geduld ertragen hat. Ich meine damit, dass es schon ganz früh anfängt, beim Wahlkampf. Parteien agieren aus einer dermaßen männlichen Perspektive heraus, dass sie darüber ganz vergessen, dass die meisten Wählerinnen in diesem Land doch tatsächlich weiblich sind.
Oder, wie Tijen Onaran, Gründerin und CEO von "Global Digital Women", sagt: "Ich brauche keine pinken Wahlplakate oder feministische Außenpolitik, ich brauche Politik, die mich als Frau selbstverständlich mitdenkt." Das ist besonders interessant, weil Frauen zunehmend links-liberal wählen und Männer nach rechts bis rechtsextrem tendieren. Da können wir jetzt mal was dran ändern, oder?
Frauen und Patriarchat
Frauen können, dürfen, sollen alles. Klingt gut. Ist aber nicht so. Jetzt bin ich wahrlich keine Super-Feministin, ganz sicher keine sogenannte "Emanze", und reine Frauen-Vereine machen mir Angst. Ich komme aus freundlichen Verhältnissen, die mir immer alles und überall ermöglicht haben, und wenn nicht, dann habe ich dafür gesorgt. Ich hatte und habe Männer in meinem Leben, die ich schätze, mag oder liebe, meine Kinder habe ich zu großen Teilen dennoch allein erzogen, und ich glaube, ich habe nie besonders laut in das "ich bin ja sowas von alleinerziehend"-Horn getrötet. Trotzdem: Es war nicht immer einfach. Es war aber auch nicht alles schlecht, ganz und gar nicht: Niemand, der mir reingeredet hat, kein Gezerre, Unterhalt ist geflossen, die Mutter-Kinder-Bindung ist eng und innig. Punkt. Glück gehabt und vieles verdanke ich mir und meiner Konstitution, meinen Eltern und der Tatsache, dass diese Kinder nicht sonderlich problematisch waren. Wir sind sowas von normal.
Aber wie sieht es bei denen aus, bei denen das nicht so ist? Wo Kinder krank sind, Mütter im Job struggeln, wo Glaube, sexuelle Ausrichtung oder das Umfeld Schwierigkeiten machen, kein Unterhalt fließt? An dieser Stelle eine kleine Buchempfehlung: "Heute ist ein guter Tag, das Patriarchat abzuschaffen". Sieben höchst unterschiedliche Autorinnen schreiben, warum wir den Feminismus noch immer brauchen.
Frauen und Film
Sandra Hüller ist die Frau der Stunde, die momentane Geheim- und Allzweckwaffe, auf die sich alle Hoffnungen richten. Sollte sie in der Nacht von Sonntag auf Montag einen Oscar für "Anatomie eines Falls" gewinnen, wäre das natürlich ein absoluter Knaller. Ihr zweiter Oscar-nominierter Film kommt aus Großbritannien und heißt "Zone of Interest". Wim Wenders ("Perfect Days") ist auch nominiert, und nein, jetzt nicht gähnen, er kann ja nichts dafür, dass er ein älterer weißer Mann ist.
Viel wichtiger jedoch ist es, dass auch Ilker Çataks Name genannt wird. Der deutsche Regisseur klingt anscheinend zu Türkisch, als dass er unter dem Label "Deutsche Oscar-Hoffnung" laufen könnte. Sein Film "Das Lehrerzimmer" könnte aber ebenso einen Oscar holen wie die anderen. Çatak kennt sich mit Diskriminierung aus - er weiß wahrscheinlich zu gut, wie Frauen sich oft fühlen.
Seine Eltern sagten ihm als Schüler, dass er kein Opfer sei. Dass er bloß nicht in diese Haltung verfallen solle. Aber dass es um Leistung gehe und darum, immer freundlich zu bleiben. Kommt Ihnen, liebe Leserin, bekannt vor? Das haben Ihre Eltern Ihnen, lieber Leser, nicht so gesagt? Immer freundlich bleiben? Dann willkommen in der Welt der Frauen und derer, die nicht in das übliche Bild passen. Also, großes Daumendrücken für Ilker und Sandra, unsere Deutschen in Hollywood. Und Wim natürlich auch alles Gute!
Frauen und Bildung
Eine Freundin hat mir von ihrem Gespräch mit einer Lehrerin erzählt, die riet, ihre Tochter von der Schule zu nehmen (kurz vor dem Abitur), weil es vielleicht "sehr anstrengend" werden könnte. Das Fachabitur wäre doch auch was Feines. Nun habe ich grundlegend nichts gegen ein Fachabitur, und auch nichts gegen eine herrliche Ausbildung im Eventbereich, als Tischlerin oder Mechatronikerin. Ich persönlich würde jungen Menschen (auch Jungs, nicht nur Mädchen) sogar dazu raten, eine Ausbildung zu machen. Was ich mich aber gefragt habe: Hätte die Lehrerin der Mutter eines Jungen auch dazu geraten, mit der "Quälerei" Schluss zu machen? Oder hätte die Lehrerin nicht gesagt, dass der Kevin-Friedrich sich mal ein bisschen anstrengen soll, auf den Hosenboden setzen und dann wird das schon, mit etwas mehr Beteiligung im Unterricht? Ich glaube, ja. Ich glaube, sie hätte gesagt, das schaffen wir schon. Irgendwie.
Ich komme zum Schluss, obwohl das ewig so weitergehen könnte mit den Frauenthemen hier. Und ich bin Ihnen noch eine Antwort schuldig: Darauf, was Frauen glücklich macht. Sie lautet: keine Ahnung. Das muss jede für sich selbst rausfinden. Spannend!
Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Wochenende und viel Glück bei der Suche nach ebendiesem.
Quelle: ntv.de