"Apokalyptische Szenen" Flüssiggas-Zug explodiert
30.06.2009, 16:10 Uhr
Unter den Trümmern werden Menschen vermutet.
(Foto: AP)
Vermutlich 16 Menschen sind bei der Explosion eines Flüssiggas-Güterwagens in der toskanischen Stadt Viareggio bei Lucca ums Leben gekommen. Mehrere Wohnhäuser stürzten ein, etwa 1000 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Zahlreiche Bewohner werden noch vermisst, dutzende Verletzte schweben in Lebensgefahr.
Nächtliches Flammeninferno in toskanischem Urlaubsort: Mindestens 14, möglicherweise aber auch 16 Menschen sind bei der Explosion eines Flüssiggas-Güterwagens in Viareggio nordwestlich von Pisa ums Leben gekommen. Auch Stunden nach dem Unglück war die genaue Zahl der Todesopfer noch unklar.
Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi sprach am Unglücksort von 13 Opfern und vier Vermissten. Kurz darauf zog die Feuerwehr eine tote Frau unter den Trümmern ihres Hauses hervor.
Wie das städtische Behandlungszentrum mitteilte, erlitten 36 Menschen schwere Verletzungen - darunter zwei Kinder. Auch unter den Toten sind zwei Kinder. 15 Menschen schweben in akuter Lebensgefahr mit Verbrennungen von mehr als 90 Prozent der Körperoberfläche.
"Es handelt sich um eines der schlimmsten Unglücke des italienischen Eisenbahnsektors", sagte der Chef des italienischen Zivilschutzes, Guido Bertolaso, am Unglücksort. Möglicherweise hat der Bruch einer Waggonachse die Katastrophe verursacht. Nach Verschütteten solle im Schutt der durch die Wucht der Explosion zerstörten Häuser gegraben werden, "bis wir sicher sind, dass dort keine Menschen mehr liegen", versprach Bertolaso. Die Bahnlinie bleibe noch zwei Tage unterbrochen.
Mehrere benachbarte Wohnhäuser der im Zentrum des Ortes liegenden Bahnstation stürzten ein, etwa 1000 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Die Zahl der Opfer wird nach Angaben von Feuerwehr und Präfektur wahrscheinlich noch steigen. Vier Menschen werden noch vermisst. "Die Gefahr ist noch nicht vorüber", warnte Bertolaso. "Es liegen noch 13 Gasbehälter mit jeweils 30 Kubikmeter Flüssiggas auf den Schienen, vier davon umgekippt. Die Zisternen müssen entleert werden. Das ist eine hochgefährliche Situation", sagte Bertolaso.
"Apokalyptische Szenen"
Der Bürgermeister von Viareggio, Luca Lunardini, sprach von "apokalyptischen Szenen". Augenzeugenberichten im italienischen Fernsehen zufolge hatte sich der Bahnhof binnen weniger Minuten in eine Feuerhölle verwandelt. "Nur durch ein Wunder sind wir noch am Leben", sagten zwei Maschinisten des Güterzuges. Beobachter berichteten, am Bahnhof vorbeifahrende Autos und Motorroller samt ihren Fahrern hätten sich in glühende Kohlen verwandelt.
Experten nehmen an, dass der Bruch einer Waggonachse die Katastrophe möglicherweise verursacht hat. Die Vorderachse habe bei der Durchfahrt des Zuges mit insgesamt 14 Waggons nachgegeben. "Infolge des Schadens ist der Waggon entgleist und Flüssiggas ausgetreten, das dann im Kontakt mit der Luft zu einer Gaswolke geworden ist. Ein Funke könnte die gewaltige Explosion verursacht haben", erklärte Sergio Basti, Ingenieur und Leiter der zentralen Notfallstelle der Feuerwehr. Der Unfall sei nicht auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen: Der Zug habe den Bahnhof mit einem Tempo von etwa 90 Stundenkilometern und damit vorschriftsmäßig passiert.
Kein deutscher Waggon
Nach der verheerenden Explosion kam es in der Toskana zu Behinderungen für Bahnreisende. Zwischen Pisa und Forte dei Marmi verkehrten keine Züge. Die Fernzüge auf der Strecke Turin-Genua- Florenz wurden über Florenz weitergeleitet, sagte Christiane Hübner von der Italienischen Zentrale für Tourismus (ENIT) in Frankfurt. Am Unfallort will die Feuerwehr damit beginnen, die entgleisten Flüssiggas-Waggons zu sichern und abzutransportieren.
Der Unglückswaggon gehört nach italienischen Medienberichten wahrscheinlich der in Wien ansässigen internationalen Güterwagenvermietungs-Gesellschaft Gatx. Inzwischen erklärte eine Sprecherin der Deutschen Bahn: "Die Wagen gehörten uns nicht und wurden auch nicht von uns angemietet."
Italiens Verkehrsminister Altero Matteoli unterbrach einen offiziellen Besuch in Venezuela, um nach Viareggio zu kommen. Auch Innenminister Roberto Maroni informierte sich an der Unfallstelle sowie Regierungschef Silvio Berlusconi. Das Verkehrsministerium leitete Ermittlungen ein. Papst Benedikt XVI. betete für die Toten und für die Gesundung der Verletzten.
Quelle: ntv.de, dpa