Panorama

Aschewolke breitet sich weiter aus - Millionenkosten Flugausfälle dauern an

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Keine Chance auf Weiterflug: Gestrandete Reisende am Frankfurter Flughafen.

(Foto: dpa)

Das Flugchaos in Europa wird auch am Wochenende andauern: Wegen der riesigen Aschewolke des isländischen Vulkans bleiben die deutschen Flughäfen zunächst geschlossen, als letztes macht der Airport in München zu. Lufthansa streicht bereits alle Flüge bis 12 Uhr. In ganz Europa stranden hunderttausende Reisende, 60 Prozent aller Flüge sind ausgefallen. Auch Kanzlerin Merkel kann wegen der Aschewolke nicht nach Deutschland zurück und muss in Portugal zwischenlanden. Die Kosten der Flugausfälle belaufen sich auf schätzungsweise knapp 150 Millionen Euro am Tag.

Die Aschewolke aus Island bringt den Europäern auch am Wochenende Stillstand am Himmel. Nach dem Chaos-Freitag im Verkehr wurden für Samstag haufenweise Flüge gestoppt. Der gesperrte Himmel löste einen Massenansturm auf Busse, Bahnen, Mietwagen und Fähren aus. Der Vulkanausbruch sorgte für einen einmaligen Vorgang: Mehr als ein Dutzend europäischer Länder sperrten ihren Luftraum ganz oder teilweise. 60 Prozent aller Flüge fielen aus. Für Europas Volkswirtschaft wird das Ganze richtig teuer.

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Zwangspause: Merkel in Lissabon mit dem portugiesischen Ministerpräsidenen Jose Socrates.

(Foto: dpa)

Die deutschen Flughäfen bleiben am Samstag mindestens bis 8.00 Uhr geschlossen. Auch der Münchner Flughafen ist geschlossen worden. Die größte deutsche Fluggesellschaft Lufthansa strich ihre Flüge in Deutschland bereits bis Samstag 12.00 Uhr. Eine Aufhebung der Luftraum-Sperrungen sei derzeit nicht absehbar, hieß es bei Lufthansa.

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Lufthansa hat Flüge bis Samstag 12 Uhr gestrichen.

(Foto: REUTERS)

Wegen der Wolke aus Vulkanasche über großen Teilen Europas ist auch der Regierungsflieger mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an Bord umgeleitet worden. Der Regierungs-Airbus landete gegen 16.10 Uhr mit den begleitenden Journalisten an Bord in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Ursprünglich war Merkel auf der Rückkehr von ihrer einwöchigen Reise in die USA in Berlin erwartet worden. Merkel und ihre Delegation könnten aufgrund der notwendigen Ruhepause für die Crew frühestens Samstagmittag weiterreisen.

Die gigantische Vulkanaschewolke aus Island hat den Flugverkehr in weiten Teilen Europas nahezu komplett zum Erliegen gebracht. Mehr als ein Dutzend Länder sperrten ihren Luftraum ganz oder teilweise. Hunderttausende Passagiere sind betroffen. Ein Ende des Flugchaos ist bislang nicht in Sicht. Der Internationale Flugverband IATA bezifferte den täglichen Einkommensverlust der Fluglinien auf mehr als 200 Millionen Dollar (fast 148 Millionen Euro) am Tag. Dazu kämen indirekte Kosten, erklärte ein Sprecher des Flugverbands. Ein Drittel aller internationalen Flüge wird in und von Europa abgewickelt.

Einmaliger Vorgang

Experten sprachen von einem für Europa bisher einmaligen Vorgang. "Das ist in der Konsequenz ein schlimmerer Eingriff, als wir das nach dem 11. September 2001 hatten", meinte Berlins Flughafenchef Rainer Schwarz mit Blick auf die Luftfahrt-Restriktionen nach dem Anschlag aufs World Trade Center am 11. September 2001. "In Europa hat es noch niemals eine vulkanische Eruption gegeben, die zu solch einer großen Aschewolke führte", sagte Eurocontrol-Chef Brian Flynn.

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Die Aschewolke breitet sich weiter über Europa aus.

(Foto: REUTERS)

In einem beispiellosen Schritt schloss die Deutsche Flugsicherung (DFS) den Luftraum über fast allen  internationalen Flughäfen, darunter auch Deutschlands größter Airport in Frankfurt am Main. Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wird der gesamte deutsche Luftraum mindestens bis Samstagabend betroffen sein.

Chaos in Frankreich

Hunderttausende Reisende saßen in Großbritannien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden an den Flughäfen fest - nachdem sie teils bereits eine Nacht in den Wartehallen zugebracht hatten. Mittlerweile haben auch Polen, Tschechien, Bulgarien und Österreich Sperrungen bekannt gegeben. Sogar in Russland zwangen die Aschepartikel aus Island etliche Maschinen auf den Boden. Nun wird auch der Schweizer Luftraum ab Mitternacht für die Zivilluftfahrt gesperrt, wie die Behörden mitteilten. Die Sperrung gilt vorerst bis Samstag um 9.00 Uhr MESZ.

In Europa starten und landen täglich normalerweise etwa 28.000 Flugzeuge - für Freitag rechnete Eurocontrol mit 11.000 Flugbewegungen. Von den normalerweise 300 Transatlantikflügen, die vormittags in Europa landen, kamen demnach nur etwa ein Drittel an. Wegen der umfassenden Flugverbote droht Europas Luftfahrtindustrie ein Schaden von mehr als 100 Millionen Euro am Tag, teilte der Verband der europäischen Fluggesellschaften AEA in Brüssel mit.

In Frankreich verstärkten die Schließungen ohnehin vorhandenes Chaos: Bei der Staatsbahn SNCF wird seit Tagen gestreikt, zudem beginnen in einem Teil des Landes die Frühlingsferien, in einem anderen enden sie. Am Morgen machten dann auch noch 25 Flughäfen dicht, darunter die beiden Großflughäfen von Paris. Am Flughafen Amsterdam Schiphol seien 1500 Notbetten aufgestellt worden, teilte das Rote Kreuz mit. Verärgert zeigten sich viele Menschen über die Hoteliers der Umgebung: Die Preise selbst der billigsten Hotelzimmer seien sofort in die Höhe geschossen, berichtete der Nachrichtensender NOS. Eine Übernachtung habe teils statt 60 bis zu 200 Euro gekostet.

Großbritannien bleibt am Boden

Der britische Luftverkehr wird mindestens bis Samstagmorgen stillgelegt bleibt. Auf dem Londoner Flughafen Heathrow - einem der wichtigsten Drehkreuze der Welt - herrschte gespenstische Stille. Und auch der Eurostar war keine Ausweg: Alle Züge waren von Brüssel oder Paris nach London auch am Freitag ausgebucht. Dies gelte auch für den Samstag und in umgekehrte Richtung, sagte ein Sprecher. "Der Ansturm ist gigantisch."

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Nichts fliegt mehr: Anzeigentafel am Brüsseler Flughafen.

(Foto: REUTERS)

Unterdessen gaben die Behörden in Schweden und Norwegen den Flugverkehr in den jeweils nördlichen Landesteilen wieder begrenzt frei. Die Konzentration von Lavaasche in der Luft habe deutlich abgenommen, hieß es. In der Region hatten zeitweise auch keine Rettungshubschrauber oder -flugzeuge mehr abheben dürfen - fatal vor allem für Kranke und Verletzte in dünn besiedelten Gebieten. Für Rettungsflieger in Deutschland steht ein Flugverbot derzeit nicht zur Debatte. "Wir fliegen unter 1000 Fuß. Die Aschewolke ist viel weiter oben", sagte eine ADAC-Sprecherin in München.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer rief angesichts des Flugchaos zum Verzicht auf Reisen auf. Er empfehle allen, auf Flüge zu verzichten, "die jetzt nicht unbedingt erforderlich sind", sagte er bei einem Besuch am Hamburger Flughafen. Er betonte, es gebe keine Alternative zur Schließung der Flughäfen.

Deutsche Bahn hilft aus

Frustrierte Reisende versuchten verzweifelt, Alternativen für ihre Reisepläne zu finden. Es brach ein Ansturm auf Züge los. Die Deutsche Bahn setzte angesichts der schweren Beeinträchtigungen im Flugverkehr alle zur Verfügung stehenden Züge ein. Da das Reiseaufkommen generell am Wochenende am höchsten sei, könne es zu vollen Zügen und Wartezeiten komme. "Alles was rollen kann, rollt", sagte ein Sprecher. Lufthansa-Reisende können sich bei Flugausfällen Reisegutscheine für die Bahn ausstellen lassen.

Die Einschränkungen in der Luftfahrt könnten zudem dazu führen, dass Briefe und Pakete teils etwas später ankommen. Insgesamt seien die Auswirkungen aber sehr gering, sagte ein Sprecher der Deutschen Post. Lufttransporte wurden auf die Straße verlegt.

Vulkan bleibt aktiv

Der isländische Vulkan stößt weiter eine riesige Aschewolke in die Atmosphäre, allerdings mit etwas weniger Kraft. Wie das Meteorologische Institut in Reykjavik mitteilte, gab es am zweiten Tag des Ausbruchs keinerlei Anzeichen für ein baldiges Ende.

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Der Vulkan unter dem Gletscher Eyjafjalla.

(Foto: dpa)

Ein nächtlicher Überwachungsflug der Küstenwacht mit Messungen über dem Vulkangebiet ergab nach den Behördenangaben, dass die Rauchsäule nicht mehr auf Höhen von mehr als vier oder fünf Kilometern stieg. Am Vortag war sie bis zu elf Kilometer in die Höhe geschossen und als Aschewolke durch Westwinde auf den europäischen Kontinent getrieben worden.

Die in der Nacht zum Freitag angeordnete Evakuierung aller Anwohner im Gebiet des aktiven Vulkans am Eyjafjalla-Gletscher wurde nach wenigen Stunden wieder aufgehoben. Bis auf 20 konnten alle 800 Betroffenen in ihrer Häuser zurückkehren. Islands wichtigste Straßenverbindung entlang der Südküste ist auf einer Länge von 400 Metern unterspült und nicht mehr passierbar. Die Gefahr akuter Überschwemmungen durch geschmolzenes Gletschereis sei vorerst gebannt verlautete aus dem Außenministerium in Reykjavik. Allerdings stelle niedergehende Lavaasche ein zunehmendes Problem dar. Anwohner sollten möglichst in ihren Häusern bleiben oder im Freien Gesichtsmasken tragen.

Quelle: ntv.de, dsi/dpa/rts

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