Lebensmittelkontrolle in China Kaum Koordination
19.09.2008, 16:19 UhrAnabolika in Fleisch, Hormone in Fisch - das in Milchprodukten entdeckte Melamin ist nicht die erste unerlaubte Substanz, mit denen chinesischen Lebensmittelhersteller ihre Produkte schöner, gehaltvoller oder robuster erscheinen lassen wollen. Dass in China so viel kriminelles Handeln in der Lebensmittelindustrie möglich ist, liegt nach Ansicht von Experten in der unübersichtlichen Struktur des Kontrollsystems - und am Problem der Korruption.
Laut Hans Troedsen, Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in China, ist eine Reform des Systems überaus schwierig. "Das erfordert eine beständige Arbeit, und um ein zuverlässiges System aufzubauen, ist noch viel zu tun", sagt der UN-Vertreter. Weil die Regierung in Peking sich ernsthaft um den Ruf der Nahrungsmittel "Made in China" sorgen muss, hat sie bereits mit ersten Umstrukturierungen begonnen. Damit die neun zuständigen Behörden besser zusammenarbeiten, wurde im März dem Gesundheitsministerium die Hauptverantwortung für die Lebensmittelkontrolle zugeteilt. Die Behörde für Lebensmittel und Medikamente wurde dem Ministerium unterstellt.
Bürokratie behindert Kontrollen
Aber noch immer haben nach Ansicht von Beobachtern zu viele Beteiligte ein Wörtchen mitzureden. Für Zhang Zhonjun, Vizedirektor des China-Büros der UN-Ernährungsorganisation FAO, verhindert die massive Bürokratie effiziente Kontrollen. "Meiner Meinung nach ist das größte Problem die Koordination. Es sind viele Ministerien beteiligt, und es gibt nicht genug Kommunikation und Koordination." Jedes Amt könne eine andere Meinung zu einem Fall haben, hebt der FAO-Experte hervor.
Chinas Kontrollinstanzen sind mit einer riesigen Lebensmittelindustrie konfrontiert, die in viele große und kleine Unternehmen unterteilt ist. So ist es sehr gut möglich, dass bei den Kontrollen der zahlreichen Produktionsschritte schwarze Schafe übersehen werden - mit fatalen Konsequenzen, wie derzeit der Milchpulverskandal mit vier toten Babys und mehr als 6200 erkrankten Kindern zeigt.
Erhöhung der Sicherheitsstandards gefordert
Dabei seien eigentlich gerade im Milchbereich Fortschritte bei den Kontrollen erzielt worden, berichtet ein Insider, der nicht namentlich genannt werden will. Inzwischen können die großen Milchverarbeiter die gesamte Herstellungskette vom Bauernhof ausgehend kontrollieren. Doch die Regierung gestand selbst diese Woche ein, bei den Kontrollen im Milchsektor versagt zu haben. Der Milchpulverskandal habe gezeigt, "dass der Milchmarkt chaotisch ist, dass es Schlupflöcher in den Überwachungsmechanismen gibt, und dass die Überwachung schwach ist", hieß es in einer im Fernsehen verlesenen Regierungsmitteilung.
Die in China auch unter Staatsdienern verbreitete Korruption trägt ihr Übriges dazu bei, dass auf Kontrollen kein Verlass sein kann. Damit auf Produkte aus der Exportmacht Verlass sein kann, fordern internationale Organisationen wie die WHO und das Kinderhilfswerk UNICEF dringend die Erhöhung der Sicherheitsstandards in der Volksrepublik.
Initiative der Verbraucherschutzbehörden
Bei Spielzeug, Kleidung und anderen Waren aus China, in denen ebenfalls giftige Substanzen gefunden wurden, wollen die Verbraucherschutzbehörden der USA und der EU nicht warten, bis die chinesischen Behörden endlich effizient kontrollieren. Sie setzen auf die Einsicht der chinesischen Hersteller. Sie stellten eine Initiative vor, mit der sie die Produzenten über die in der EU und den USA geltenden Sicherheitsstandards aufklären wollen. In Europa und den USA wiederum soll mehr über die Produktionsweisen in China vermittelt werden.
Milchprodukte aus China werden nach Angaben der EU-Kommission nicht nach Europa importiert. Die Kommission forderte die Mitgliedstaaten auf, die Kontrollen an den Grenzen zu verschärfen - damit auch tatsächlich keine Milch aus China in den europäischen Binnenmarkt gelangt.
Quelle: ntv.de, Dan Martin, AFP