Panorama

"Sandy" wühlt die US-Ostküste auf Landfall gegen Mitternacht

Am Hudson River in Hoboken, New Jersey.

Am Hudson River in Hoboken, New Jersey.

(Foto: REUTERS)

"Sandy" wird gegen Mitternacht (MEZ) das Festland der US-Ostküste erreichen. Der Sturm ist nur noch wenige Kilometer von Atlantic City entfernt. Hunderttausende Anwohner werden aus den ufernahen Regionen in Sicherheit gebracht. Die Behörden richten sich auf Todesopfer ein. "Sandy" wird wohl 24 bis 36 Stunden über der Region hängen bleiben.

Bange Blicke hoch zu einem Wolkenratzer in Manhattan, an dem ein Hochkran zusammenbrach.

Bange Blicke hoch zu einem Wolkenratzer in Manhattan, an dem ein Hochkran zusammenbrach.

(Foto: REUTERS)

Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometer pro Stunden peitschen erste Ausläufer des befürchteten Jahrhundertsturms "Sandy" meterhohe Wellen an die Kais von New York. Zudem gehen erste kräftige Regenschauer nieder. Schon vor Stunden hat die Furcht vor dem Hurrikan das öffentliche Leben an der US-Ostküste weitgehend lahmgelegt. Rund 12.000 Flüge fielen aus, darunter auch Verbindungen nach Deutschland. In den Metropolen New York und Washington stand der Nahverkehr komplett still. Zehntausende sind ohne Strom. Die Wall Street blieb erstmals seit 27 Jahren wieder wegen Sturms geschlossen.

US-Präsident Barack Obama appellierte in einer Fernsehansprache die Bewohner der Ostküste und angrenzenden Gebieten den Hinweisen der Behörden Folge zu leisten. Insbesondere sollten Evakuierungsaufrufe nicht infrage gestellt werden. Es würden alle Vorbereitungen getroffen, die bevorstehenden "harten Zeiten für Amerika" zu überstehen. Obama rief für die Millionenmetropolen Washington und New York sowie die Bundesstaaten Maryland und Massachusetts den Notstand aus.

Er mache sich zur Stunde keine Gedanken über die bevorstehenden Wahlen in der kommenden Woche. Seine gesamte Aufmerksamkeit gelte nun dem Schutz des Landes, der Bevölkerung und der Wirtschaft vor dem herannahenden Supersturm. Die Sicherheit der Amerikaner habe Priorität. Obama appellierte an die Bürger, "zusammenzustehen und gemeinsam das Land nach der Katastrophe wieder aufzubauen". "Gott steh uns bei!"

"Sandy" geht südlich von New York an Land

Am Mittag Ortszeit geht über Washington bereits heftiger Regen nieder, Sturm peitscht das Wasser durch die Straßen der Hauptstadt.

Am Mittag Ortszeit geht über Washington bereits heftiger Regen nieder, Sturm peitscht das Wasser durch die Straßen der Hauptstadt.

(Foto: AP)

"Sandy" sollte im Laufe des Abends (Ortszeit) südlich von New York an Land treffen. Nach Einschätzung des Hurrikanzentrums in Florida sollte das Auge des Sturms im südlichen New Jersey, gute 100 Kilometer südlich des "Big Apple", die Küste erreichen. Der Sturm bewegte sich zuletzt mit etwa 30 Kilometern in der Stunde auf die US-Küste zu. Die Winde in seinem Wirbel erreichten zwischenzeitlich aber 150 Kilometer in der Stunde. Der Sturm selbst hat einen Durchmesser von 1500 Kilometer und wird sich deshalb im Bereich der Millionen-Metropolen aufhalten.

Wetterexperten befürchten, dass der Hurrikan im Nordosten der USA auf einen Wintersturm stoßen könnte. Diese Kombination könnte zum schwersten Unwetter an der Ostküste seit 1991 führen. Damals kamen bei Hurrikan "Bob" vier Menschen ums Leben, von South Carolina im Süden bis Maine im Norden entstanden hohe Schäden.

Aus Angst vor dem Hurrikan sollten allein in New York fast 400.000 Bewohner ihre Häuser verlassen. Insgesamt könnten rund 60 Millionen Menschen die Auswirkungen "Sandys" zu spüren bekommen, wie es vom Energieversorger National Grid hieß.

Der Gouverneur von Maryland warnte die Menschen in seinem Bundesstaat, dass es Tote geben werde. "Sandy" werde 24 bis 36 Stunden über Maryland hängen, sagte Martin O'Malley. "Es wird Leute geben, die durch diesen Sturm getötet werden."

Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe erwartet

Die auf Risikoabschätzung spezialisierte Firma Eqecat rechnet nach eigenen Angaben mit versicherten Verlusten von fünf bis zehn Milliarden Dollar. Die wirtschaftlichen Schäden durch "Sandy" dürften sich demnach auf zehn bis 20 Milliarden Dollar belaufen. Zum Vergleich: Der Hurrikan "Irene" führte nach Eqecat-Angaben im vergangenen Jahr zu wirtschaftlichen Schäden von etwa zehn Milliarden Dollar.

Das Auswärtige Amt rechnet wegen des Hurrikans mit erheblichen Einschränkungen im öffentlichen Leben an der Ostküste der USA. Das geht aus den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen hervor. Deutsche Reiseveranstalter sagten zunächst kaum Reisen an die US-Ostküste ab. Ihm seien nur Einzelfälle bekannt, sagte Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband.

Die Menschen in den betroffenen Bundesstaaten deckten sich mit Vorräten ein. Knapp wurden Wasserflaschen, Lebensmittel in Dosen, Taschenlampen und Batterien.

Börsen setzen Handel weiter aus

Zum ersten Mal seit 27 Jahren blieb die Wall Street wegen eines Sturms komplett geschlossen. An allen US-Aktienmärkten fiel zum Wochenauftakt wegen des Hurrikans der Handel aus. Dies hatte die US-Wertpapieraufsicht SEC in der Nacht zu Montag in New York angeordnet. Auch am Dienstag fällt der Anleihenhandel ganz aus. Auch die NYSE öffnet erst wieder am Mittwoch - sofern die Lage es zulässt.

Auch das Zentrum der Hauptstadt Washington gleicht einer Geisterstadt. Die Behörden riefen alle Bewohner auf, möglichst nicht mehr die Häuser zu verlassen.

Nationalgarde steht bereit

Die Schiffe der Navy, die im Hafen Norfolk im Bundesstaat Virginia liegen, wurden verlegt. 61.000 Mitglieder der Nationalgarde waren in Katastrophen-Bereitschaft. Vielerorts sicherten Menschen ihre Häuser mit Brettern und Sandsäcken.

Ein guter Tag zum Fernsehen

Eigentlich dürfte sich in den Hamptons niemand mehr bewegen. Die New York vorgelegerte Inselkette gilt als evakuiert.

Eigentlich dürfte sich in den Hamptons niemand mehr bewegen. Die New York vorgelegerte Inselkette gilt als evakuiert.

(Foto: REUTERS)

Bürgermeister Michael Bloomberg warnte die New Yorker davor, den Sturm auf die leichte Schulter zu nehmen. "Sie könnten essen oder ins Kino gehen. Aber denken Sie daran: Es ist gefährlich da draußen. Vielleicht ist das einfach ein guter Tag, vor dem Fernseher zu sitzen und ein Sandwich zu essen", sagte Bloomberg in New York. Der Hinweis, zu Hause zu bleiben, gelte aber nicht für die Menschen im Evakuierungsgebiet. Dazu zählen die niedriger gelegenen Stadtteile im Süden Manhattans, darunter das bekannte Viertel Tribeca.

"Es kann sehr schnell zu spät sein." Dabei gehe es auch um das Leben der Helfer. "Wenn Sie um Hilfe rufen, kommen wir. Aber ich möchte nicht das Leben unserer Mitarbeiter riskieren, nur weil zu spät um Hilfe gerufen wurde." Der Sturm dürfe nicht unterschätzt werden: "Wenn Sie jetzt sagen, ach, so schlimm ist es ja gar nicht, dann sage ich: Stimmt. Aber es wird schlimm!"

Die Theater am Broadway und die Parks seien geschlossen, ebenso Gemeindezentren und Büchereien. Die Schulen würden auch am Dienstag nicht öffnen, ebenso Behörden, die nichts mit dem Katastrophenschutz zu tun haben. Auch Busse und Bahnen fahren weiter nicht.

Auch für Inseln vor New York sowie für die Bewohner von Inseln vor New Jerseys Küste wie Long Beach Island gab es Evakuierungsbefehle. Vielerorts wurden Klassenräume zu Notunterkünften.

Vermisste Franzosen gefunden

Sechs zunächst vermisste Franzosen sind wohlauf. Nach Angaben der Rettungskräfte waren die vier Männer und zwei Frauen während des Unwetters nicht wie vermutet in einem Boot unterwegs. Sie waren auf einem Ausflug auf Martinique. Zu diesem Zeitpunkt war "Sandy" schon vorbeigezogen. Zuvor war zu Wasser und zu Luft nach den Franzosen gesucht worden. Es war befürchtet worden, dass ihr Boot während des Unwetters zwischen den Inseln Martinique und Dominica gekentert sein könnte. In der Karibik starben wegen "Sandy" nach jüngsten Angaben 67 Menschen, davon allein in Haiti 51.

Bei einer dramatischen Rettungsaktion brachten zwei Hubschrauber der US-Küstenwache 14 Besatzungsmitglieder des Filmschiffs "Bounty" in Sicherheit. Zwei Menschen wurden allerdings auch Stunden nach der Aktion noch vermisst. Der aus dem Hollywood-Klassiker "Die Meuterei auf der Bounty" von 1962 bekannte Großsegler war etwa 150 Kilometer südöstlich von North Carolina in Seenot geraten und aufgegeben worden.

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Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts

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