Lehrstelle garantiertPakt mit der Hauptschule
Die Regeln sind streng, aber wer sich daran hält, der wird belohnt: Eine Hauptschule in Nordrhein-Westfalen garantiert leistungswilligen Schülern eine berufliche Perspektive.
Kaugummi aus dem Mund, Mütze ab, Ohrring raus für das Pressefoto - in der Hauptschule Gevelsberg im Ruhrgebiet herrscht ein strenges Regiment. "Die Schüler sollen lernen, wie man sich in öffentlichen Gebäuden zu verhalten hat", erklärt Schulleiterin Henrike Hallmann. Halten sich die Schüler an feste Regeln, winkt ihnen nichts weniger als ein Ausbildungsplatz. Dies garantiert ein sogenannter Ausbildungspakt, der nach Angaben der Schule in dieser Form deutschlandweit einmalig ist.
Die Neuntklässler Daniel Schramm und Janine Hoeselaars haben erst vor einigen Wochen einen Vertrag unterschrieben, in dem sie zusichern, sich an bestimmte Regeln zu halten. Dazu gehören Pünktlichkeit, kein unentschuldigtes Fehlen, keine psychische und auch keine körperliche Gewaltausübung. Außerschulisches Engagement, gute bis sehr gute Kopfnoten und mindestens befriedigende Leistungen in Mathematik und Deutsch sind ebenfalls Pflicht.
Ausbildungsplätze reserviert
Die Schule und Kooperationspartner wie die Volkshochschule, Caritas oder die Agentur für Arbeit unterstützen die Schüler dabei. Doch wie kann eine Schule einen Ausbildungsplatz garantieren? Diese Frage beschäftigte die Schulleiterin im Sommer 2008. "Es bringt nichts, wenn die Schüler unmotiviert sind und denken, sie landen eh bei Hartz IV." Wenige Wochen später lag die Idee für den Ausbildungspakt auf dem Tisch. Kern ist eine Vereinbarung, die den jeweiligen Schüler, die Schule und die Stadt vertraglich aneinander bindet. Der erste Jahrgang bewirbt sich gerade um Ausbildungsplätze. Der 16 –jährige Daniel und die 17-jährige Janine gehören zum zweiten Jahrgang des Pakts.
Einige Firmen reservieren ihre Ausbildungsplätze speziell für Schüler dieser Hauptschule. Insgesamt rund 35 Unternehmen gehören momentan zum Netz der Schule. Sollte eine Vermittlung wider Erwarten doch nicht klappen, springt die Stadt mit einem Ausbildungsplatz ein. So besagt es der Pakt, für den die Schule unlängst von der Initiative "Deutschland - Land der Ideen" mit dem Titel "Ausgewählter Ort des Tages" belohnt wurde.
Eigenes Engagement gefragt
Bevor Daniel und Janine den Vertrag unterzeichneten, fiel es ihnen schwer, sich an feste Regeln zu halten. Früh schlafen gehen: Fehlanzeige. Daniel kam regelmäßig zu spät zum Unterricht, manchmal erst gegen Mittag. Was ihm Eltern und Lehrer rieten, war ihm egal. Das sieht mittlerweile anders aus. "Heute stelle ich mir drei Wecker", erzählt der 16-Jährige schmunzelnd. Seither ist er immer pünktlich. Das freue nicht nur die Lehrer, auch er selbst sei stolz. Leicht falle ihm das nicht, aber er wisse, wofür er es tue. "Ich sehe den Pakt als Chance, von einem Betrieb genommen zu werden."
Bereits nach wenigen Wochen sind erste Ergebnisse zu sehen. Daniel hat sich von der letzten in die erste Reihe setzen lassen und nach unzähligen Mathe-Arbeiten, die mit Fünf oder Sechs benotet wurden, eine Vier geschrieben. Janine hat in Englisch statt wie sonst eine Fünf eine Drei geschrieben. "Noch sind beide weit davon entfernt, es zu schaffen", sagt die Schulleiterin nüchtern. Doch die ersten positiven Ergebnisse ließen hoffen.
Daniel möchte einen handwerklichen Beruf. Janine zieht es zur Altenpflege. Schon jetzt arbeitet sie mehrmals in der Woche ehrenamtlich neben der Schule in einem Altenheim, den Job hat sie sich selbst besorgt. Die Gevelsbergerin kann sich aber auch vorstellen, in einer Fleischerei oder Bäckerei zu arbeiten. Auch das ist in dem Pakt ein wichtiger Aspekt: Die Schüler bekommen zwar eine Ausbildungsstelle garantiert. Dass dies die Traumstelle ist, ist jedoch nicht gesichert.