Schnee und klirrende Kälte "Petra" stellt Deutschland auf den Kopf
16.12.2010, 19:12 Uhr
		                      Der Winterdienst quält sich durch den Schnee.
(Foto: dapd)
Bis zu 20 Zentimeter Neuschnee gehen auf Deutschland nieder, dazu ist es bitterkalt. Sturmtief "Petra" verwandelt das Land in einen zugeschneiten Kühlschrank. In Baumärkten werden Streusalz, Schneeschieber und Eiskratzer knapp. Und alle fragen sich natürlich: Gibt es in diesem Jahr eine weiße Weihnacht?
Eine gewaltige Schneefront ist über Deutschland hinweggezogen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) gab für 12 der 16 Bundesländer Unwetterwarnungen heraus. Sturmtief "Petra" brachte und bringt aus Nordwesten kommend von Schleswig-Holstein bis nach Bayern massive Schneefälle und Schneeverwehungen mit sich. Windstärken von bis zu 85 Kilometern pro Stunde in Küstennähe und 65 Kilometern pro Stunde im Binnenland sind angekündigt. In mehreren Bundesländern gab es schulfrei. Ob die Schneedecke bis Weihnachten hält, war eine Woche vor dem Fest noch unsicher - aber eher unwahrscheinlich.
Am Mittag hatte die Front mit bis zu 20 Zentimetern Neuschnee zunächst Norddeutschland erreicht. Graupel und gefrierender Regen verwandelten Straßen in Hamburg und Schleswig-Holstein in Rutschbahnen. Nach Angaben der Polizei blieb die Lage aber zunächst weitgehend entspannt.
In Rheinland-Pfalz drückten die Landtagsabgeordneten aus Angst vor dem Schnee auf die Tube: Sie verabschiedeten in Mainz in Rekordzeit den Haushalt 2011 und die Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung. Die Sitzung endete am frühen Nachmittag - rund drei Stunden eher als geplant. Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) sagte: "Das zeigt, dass es eigentlich immer so schnell gehen könnte."
Die Hilfsorganisationen legten an vielen Orten Decken, Schlafsäcke und Lebensmittel bereit, um steckengebliebenen Autofahrern helfen zu können.
Kinder haben frei
In Nordrhein-Westfalen gab es schon am Nachmittag heftiges Flockengewirbel. "Der Schneefall hat sich intensiviert und wird bis zum Abend anhalten", hieß es beim Wetterdienst in Essen. Auf den Straßen blieb es zunächst vergleichsweise ruhig, bis zum Mittag wurden bei Unfällen drei Menschen schwer und neun leicht verletzt. Bei der Bahn gab es nur vereinzelt Verspätungen und Zugausfälle. Schüler in Dortmund, Hamm und dem Münsterland bekamen nach einigen Stunden unterrichtsfrei.
Auch die Kinder in Schleswig-Holstein konnten zu Hause bleiben. In Hamburg brauchten 150.000 Schüler ihren Ranzen nicht zu packen, auch einige Kinder in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen waren betroffen. In Mecklenburg-Vorpommern sollen die Schüler auch am Freitag zu Hause bleiben, ebenso voraussichtlich in der Hälfte der sächsischen Landkreise und in Chemnitz.
In der Nähe von Magdeburg kam eine Autofahrerin bei einem Unfall auf spiegelglatter Straße ums Leben. Ein Geländewagen hatte das Auto der 23-Jährigen gerammt. Etliche Straßen in Sachsen-Anhalt waren wegen Schneeverwehungen nicht passierbar. Auf dem Standstreifen der Autobahn 9 bildeten sich Kolonnen stehender Lastwagen. Die Parkplätze waren so überfüllt, dass rund 200 Brummis nur noch auf dem Standstreifen parken konnten.
  Der Wind peitscht den Schnee durch Hamburg: Nur so angezogen kann man es gerade aushalten.
(Foto: dpa)
In Bayern starb eine 27-Jährige, die mit ihrem Auto auf schneeglatter Straße auf die Gegenfahrbahn geriet und gegen einen Lastwagen fuhr. Der ADAC kritisierte den Leichtsinn vieler Autofahrer. "Sie fahren zu dicht auf und mit zu hoher Geschwindigkeit", sagte ADAC-Sprecher Maximilian Maurer. "Wenn die Straße gut gesalzen ist und es mal voran geht, denken die Autofahrer nicht dran, dass sie auch wieder bremsen müssen."
In Baumärkten werden Streusalz, Schneeschieber und Eiskratzer knapp. "In einigen Märkten sind die Regale schon leer", sagte der Sprecher des Bundesverbands Deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte, Stefan Michell.
Es bleibt kalt, sehr kalt
In der Nacht zum Donnerstag war es in vielen Regionen knackig kalt. Nach Angaben des Wetterdienstes Meteomedia zeigte das Thermometer in Haidmühle im Bayerischen Wald bis zu minus 24 Grad. Minus 18 Grad wurden am östlichen Stadtrand Berlins gemessen. Auch von Nordrhein-Westfalen über Hessen bis Thüringen und einige Regionen Bayerns erreichten die Werte vielerorts minus 10 bis minus 15 Grad. Und die Aussicht? "Nachts kann es unter Aufklarungen und über Schnee weiterhin für strengen Frost im zweistelligen Minusbereich reichen", warnt n-tv Meteorologe Björn Alexander
Auch in anderen Ländern Europas herrschte eisiges Winterwetter. In den Bergregionen Italiens gab es Kälte-Rekorde. Auf dem Cimabanche-Pass in den Dolomiten wurden minus 22 Grad gemessen, auf der Punta Helbronner im Aostatal minus 25 Grad. In Mittel- und Süditalien behinderte Schnee den Verkehr. In einigen Regionen Griechenland blieben wegen des Schnees die Schulen geschlossen. Zahlreiche Landstraßen waren nur mit Schneeketten befahrbar, wegen des heftigen Windes fielen Fährverbindungen in der nördlichen Ägäis aus.
In Bulgarien hatten zahlreiche Orte keinen Strom mehr, weil ein Schneesturm die Leitungen beschädigt hatte. Im Süden und Westen blieben etliche Autos auf verschneiten Landstraßen stecken. Auch in Tschechien wurden wichtige Verkehrsverbindungen lahmgelegt. Mehrere Autobahnen waren schon seit Mittwoch gesperrt. In der Nacht fielen die Temperaturen bis auf minus 31 Grad im nordböhmischen Jizerka. Eisenbahnschienen wurden brüchig.
Für die Feiertage deutet sich in den Computermodellen für Deutschland eine Milderung an, sagte die DWD-Meteorologin Dorothea Paetzold. Das wäre das bei Meteorologen bekannte "Weihnachtstauwetter", das im vergangenen Jahr die weiße Pracht rasch hatte schmelzen lassen. Oft gibt es in Deutschland um die Feiertage einen solchen Warmlufteinbruch. Genaue Prognosen seien aber erst vier Tage im Voraus möglich, betonte Paetzold.
Quelle: ntv.de, dpa