Tragische Liebesgeschichte Schwan liebt Tretboot
26.05.2006, 14:47 UhrMajestätisch streckt der kohlschwarze Vogel seinen langen Hals in die Höhe und gibt einen herzzerreißenden Schrei von sich. Sein Ruf bleibt jedoch ungehört, die angebetete Schwanendame schweigt. Sie kann ihm nicht antworten: Die weiße Schwanenfrau ist aus Plastik. Als Tretboot trägt sie bei schönem Wetter Besucher über den Aasee im nordrhein-westfälischen Münster. Die Annäherungsversuche des schwarzen Schwanenmännchens sind somit zum Scheitern verurteilt - seiner Bezeichnung Trauerschwan macht der unglücklich Werbende unfreiwillig alle Ehre.
Am Anfang des Wonnemonats Mai tauchte der umtriebige Schwan am Aasee auf. Mittelgroß, noch nicht ganz ausgewachsen, mit tiefschwarzem Gefieder und leuchtend rotem Schnabel fiel das in Europa seltene Tier Spaziergängern, Joggern und Radlern sofort auf. Schon nach kurzer Zeit lebte sich der Trauerschwan in Münster ein. Seine Balz-Bemühungen richtet er seitdem auf ein Tretboot in der Form eines weißen Artgenossen.
"Er verteidigt sein Brutrevier"
Jeden Tag zieht der Jungschwan vom frühen Morgen bis spät in den Abend seine Kreise um die Schwanendame, beobachtet und beschützt sie. "Wenn ich mit einem Segelboot auch nur in die Nähe des Tretbootes komme, plustert sich der schwarze Vogel auf und zetert", erzählt Yachtschulenbesitzer Peter Overschmidt.
"Dieses Verhalten weist darauf hin, dass der Schwan eine Bindung zum Tretboot aufgebaut hat. Offensichtlich verteidigt er sein Brutrevier", sagt Dirk Wewers, Verhaltensbiologe vom Allwetterzoo Münster. Dass sich leibhaftige Schwäne in Tretboote oder andere Imitationen vergucken, kommt immer wieder einmal vor. Zuletzt hatte ein Schwan auf der Alster in Hamburg eine Geliebte aus Kunststoff. Dennoch ist die Geschichte des münsterschen Vogels ungewöhnlich: Schwarze Trauerschwäne leben normalerweise nur mit gleichartigen Tieren in Einehe, die Liebe zur weißen Schwanendame sei daher auf jeden Fall etwas Besonderes, sagt Wewers.
Kaum Scheu
Heimisch ist der schwarze Schwan eigentlich in Australien. In Europa wird er höchstens gelegentlich in Parkanlagen als Ziervogel gehalten. In freier Wildbahn kommen die Tiere kaum vor.
Da das münstersche Exemplar kaum Scheu vor Menschen zeigt, sei es wahrscheinlich irgendwo entflogen, vermutet Wewers. Wie lange die Romanze mit dem Tretboot dauern wird, ist schwer zu sagen. "Es kann sein, dass mit dem Ende der Brutsaison im Juli alles vorbei ist", sagt der Biologe. Allerdings sei es auch möglich, dass die unglückliche Liebesgeschichte im nächsten Jahr eine Fortsetzung findet.
Agnes Skibniewski, dpa
Quelle: ntv.de