Panorama

Mahnwache in Offenbach Tugces Maschinen werden abgestellt

Bilder, Kerzen und Blumen liegen in Gedenken an Tugce vor der Offenbacher Klinik.

Bilder, Kerzen und Blumen liegen in Gedenken an Tugce vor der Offenbacher Klinik.

(Foto: dpa)

Mit einer Mahnwache erinnern Menschen in Offenbach an Tugce. Die junge Frau, die für hirntot erklärt wurde, wird 23 Jahre alt - doch die Familie beschließt, die Maschinen abzuschalten. Zudem soll sie für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen werden.

Weiße Luftballons, Kerzen und zahlreiche Abschiedsgrüße: Mit einer bewegenden Mahnwache haben Hunderte Menschen in Offenbach Tugce A. gedacht. An ihrem 23. Geburtstag sollte die vor ein paar Tagen bereits für hirntot erklärte Studentin sterben. Die Familie kündigte an, dass die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt werden.

"Die Familie hat sich entschieden, dass die Geräte heute Abend abgeschaltet werden", hieß es in einer Stellungnahme. "Das heißt, Tugce wird nicht mehr länger am Leben gehalten." Die Studentin aus Gelnhausen habe zudem bereits vor Jahren entschieden, nach ihrem Tod ihre Organe zu spenden, deshalb würden diese freigegeben.

Der Fall der Lehramtsstudentin aus Gelnhausen sorgte für bundesweite Anteilnahme. Tugce A. soll niedergeschlagen und bei dem anschließenden Sturz lebensgefährlich verletzt worden sein, nachdem sie in einem Schnellrestaurant zwei junge Mädchen vor Belästigungen durch eine Gruppe Männer geschützt hatte. Polizei und Staatsanwaltschaft konnten den genauen Tathergang bislang allerdings nicht ermitteln.

"Wir sind hier, um den Schmerz zu teilen"

Vor der Offenbacher Klinik versammelten sich aus ganz Deutschland angereiste Menschen zu einer Mahnwache. Zwei Arbeitskollegen von Tugces' Vater zeigten sich tief bewegt. "Ich habe eine Gänsehaut, das Mädchen ist ein Engel. Wir sind hier, um den Schmerz zu teilen", sagte einer der Männer. Der zweite nannte es "ganz selten", dass sich jemand wie Tugce für andere einsetze. Ihre Freunde wollten Luftballons in den Abendhimmel steigen lassen mit Postkarten mit einem Zitat, das Tugce einmal bei Facebook gepostet hatte: "Den Garten des Paradieses betritt man nicht mit den Füßen, sondern mit dem Herzen." In den sozialen Netzwerken brachten auch am Freitag Zehntausende ihre Trauer und Fassungslosigkeit über die Tat zum Ausdruck. Eine Gedenkseite auf Facebook wurde von mehr als 100.000 Menschen unterstützt, in etlichen Tweets bei Twitter wurde Tugce als "Heldin" und "Engel" gefeiert.

Nach den bisherigen Erkenntnissen hatte eine Männergruppe am 15. November im Toilettenbereich eines McDonald's-Schnellrestaurants mehrere etwa 13 bis 16 Jahre alte Mädchen belästigt. Tugce soll dazwischen gegangen sein. Kurz darauf soll ein 18-Jähriger die Studentin auf dem Parkplatz vor dem Restaurant niedergeschlagen haben. Ein Video, das den Ermittlern vorliegt, zeigt die Ereignisse auf dem Parkplatz. Der mutmaßliche Schläger hat den Schlag in einem ersten Verhör eingeräumt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Seitdem schweigt er und sitzt in Untersuchungshaft. Unklar ist noch, ob die Frau durch den Schlag tödlich verletzt wurde oder durch den Aufprall auf das Pflaster des Parkplatzes. Sobald die Maschinen ausgeschaltet worden seien, werde die Obduktion vorbereitet, kündigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft an.

Die Restaurantkette McDonald's schloss derweil Fehler der eigenen Mitarbeiter während des Streits aus. Es gebe "aktuell für uns keinen Anlass, von einem Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter auszugehen", teilte ein Unternehmenssprecher in München mit. Dies zeigten auch Aufnahmen der Sicherheitskameras aus dem Inneren des Restaurants. Die Ermittler hätten den Bedienungen bislang auch nichts vorgeworfen. Zeugen des Streits im Fast-Food-Restaurant werfen den McDonald's-Mitarbeitern dagegen vor, nicht rechtzeitig eingeschritten zu sein. Der Konzernsprecher sprach der Familie von Tugce A. sein Beileid aus: "Unser Mitgefühl gilt in diesem Moment vor allem Tugces Familie, der wir in diesen schweren Stunden viel Kraft wünschen."

Vorschlag für Bundesverdienstkreuz

Wie es zu dem tödlichen Schlag kam, ist noch unklar. Auch die mutmaßlichen Belästigungsopfer haben sich nach Angaben der Polizei als Zeugen noch immer nicht gemeldet. Sie sollen Zeugenaussagen zufolge stark betrunken gewesen sein.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und der stellvertretende Ministerpräsident Tarek Al-Wazir sprachen der Familie ihr Beileid aus. "Wir sind tief betroffen von der Gewalttat und dem sinnlosen Ende dieser jungen Frau". Es sei schlimm, "eine Tochter zu verlieren, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatte", erklärten sie in Wiesbaden. Für die Landesregierung wollte der Bevollmächtigte für Integration und Antidiskriminierung, Sozialstaatssekretär Jo Dreiseitel, an der Mahnwache teilnehmen.

Bouffier sagte zudem dem Hessischen Rundfunk, er wolle Tugce für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen. Sie sei eine tapfere Frau gewesen. Ihr Vermächtnis solle sein, dass Gewalt in der deutschen Gesellschaft keinen Platz habe. Bouffier unterstützte damit eine Internet-Petition für das Bundesverdienstkreuz für Tugce, der sich innerhalb kurzer Zeit mehr als 64.000 Menschen angeschlossen haben.

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa

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