Rückflug im Taliban-Privatjet Afghanistan empfängt Guantanamo-Häftling wie Helden
27.06.2022, 12:12 Uhr (aktualisiert)
Von Taliban-Vertretern eingerahmt, fliegt der ehemalige Guantanamo-Insasse Haroon nach Afghanistan.
(Foto: picture alliance / abaca)
Asadullah Haroon war nie angeklagt und saß dennoch 15 Jahre in einem der berüchtigsten Gefängnisse der Welt. Nach seiner Freilassung könnte der Kontrast kaum größer sein: Mit Vertretern der Taliban fliegt er im Privatjet zurück nach Afghanistan und wird dort öffentlich gefeiert.
Ein nach 15 Jahren aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba freigelassener Afghane ist in seiner Heimat wie ein Held empfangen worden. Asadullah Haroon reiste per Privatjet aus Katar nach Kabul und wurde von hochrangigen Taliban-Vertretern begleitet, wie auf offiziellen Fotos zu sehen war. Haroon hatte 15 Jahre in dem berüchtigten Gefangenenlager verbracht, ohne jemals angeklagt worden zu sein. Er war 2006 von US-Soldaten festgenommen worden, als er zwischen Pakistan und Afghanistan unterwegs war.
In seiner Heimat wurde der heute etwa 40-Jährige nun feierlich empfangen: Auf der Straße, die vom Flughafen wegführt, waren riesige Bilder von Haroon an Laternen befestigt. "Meine erste Frage ist, auf welcher Grundlage ich in Guantanamo inhaftiert wurde", sagte Haroon, der einen schwarzen Taliban-Turban trug, nach seiner Ankunft vor Journalisten.
Über seine Zeit in Guantanamo berichtete er, am schlimmsten sei "nicht die körperliche Misshandlung, sondern vielmehr der psychische Stress" gewesen, der von "Tag zu Tag" zugenommen habe. "Wir nannten das 'weiße Folter'", so Haroon.
Haroons Familie, die während der sowjetischen Invasion von Afghanistan nach Pakistan flüchtete und in Peshawar lebt, hatte am Freitag von der Freilassung erfahren und bejubelte die Nachricht. "Es ist wie ein Zuckerfest in unserem Haus, wie eine Hochzeit", sagte Haroons Bruder Roman Khan.
Nur noch ein Afghane in Guantanamo
Washington hatte Haroon beschuldigt, ein Kurier in Diensten des Terrornetzwerks Al-Kaida und ein Kommandeur der Gruppierung Hisb-i-Islami zu sein. Seine Familie räumte ein, dass er der Hisb-i-Islami angehöre, bestritt aber jede Verbindung zu Al-Kaida. Der Freilassung waren nach Angaben der Taliban "direkte" Verhandlungen zwischen den Taliban und der US-Regierung vorausgegangen.
Die zuständige US-Kommission hatte eine Freilassung des Mannes 2020 noch abgelehnt, dann aber im Oktober vergangenen Jahres zugestimmt. Zur Begründung erklärte sie, Haroon habe keine führende Rolle in einer extremistischen Organisation eingenommen und überdies "Reue gezeigt".
Somit befindet sich derzeit nur noch ein afghanischer Häftling in Guantanamo: der im März 2008 dort eingetroffene Muhammad Rahim. Er wurde vom US-Geheimdienst CIA beschuldigt, ein Vertrauter des einstigen Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden gewesen zu sein. Der Sprecher des afghanischen Außenministeriums, Abdul Kahar Balchi, zeigte sich "hoffnungsvoll", dass auch Rahim bald freigelassen werde.
(Dieser Artikel wurde am Samstag, 25. Juni 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, lwe/AFP