Politik

Warum die USA am Dienstag wählen Abstimmen wie in der guten alten Zeit

Gewählt wird immer am Dienstag - außer dort, wo auch schon früher gewählt werden kann.

Gewählt wird immer am Dienstag - außer dort, wo auch schon früher gewählt werden kann.

(Foto: AP)

Am 3. November wird in den USA der neue Präsident gewählt. Auch wenn es dieses Mal so scheint, als sei alles anders: Dies ist eine über 200 Jahre alte Tradition. Genauso alt sind auch die Regeln und Traditionen, die mit der Wahl verbunden sind.

Der Durchschnittsamerikaner ist eher konservativ. Die Erinnerung an die ersten erfolgreichen Siedler, die 1620 mit der "Mayflower" im heutigen Massachusetts eintrafen, wird schon in den Schulen gepflegt. Wenn sie die USA meinen, sprechen viele US-Bürger nur von "America". Vieles, was der typische "Johnny-Sixpack-Amerikaner" in seiner Freizeit treibt, erinnert an alte Traditionen. So mancher Mann wird beim Anwerfen des Grills davon träumen, wie seine Vorfahren einst den wilden Westen eroberten und dabei manchem Büffel den Garaus machten, um ihn später am Lagerfeuer zu braten. Was damals Büffel war ist heute Burgerfleisch, es wird eher gekauft als gejagt, aber der Colt wird immer noch heimlich geölt. Man kann ja nie wissen.

Traditionsbewusst sind die US-Bürger auch, wenn es um die Wahlen geht. Viele behalten ihre einmal getroffene Wahlentscheidung ihr ganzes Leben lang bei, und oft bestimmen Herkunft und Familie, wer gewählt wird. Richtig alt ist die Entscheidung für den Tag der Wahl.

Am 4. Juli 1776 unterzeichnete Delegierte der 13 britischen Kolonien in Amerika die Unabhängigkeitserklärung vom britischen Königreich und gründeten so die Vereinigten Staaten. Sie trafen sich dazu in Philadelphia, der damals bedeutendsten Großstadt an der Ostküste. Dort wurde auch der sogenannte Kontinentalkongress gebildet, dessen Mitglieder die Verfassung ausarbeiteten und ein Wahlrecht festlegten. Getestet wurde das zum ersten Mal 1788, dem Jahr der ersten Präsidentenwahlen.

Eine der schwierigsten Entscheidungen war der Wahltermin. Das könnte der Grund sein, warum es einen einheitlichen Termin erst seit 1845 gibt. Dabei war das mit dem Wahlmonat noch recht einfach. Die Bürger der USA waren damals von der Landwirtschaft abhängig. Für die Farmer war der November der beste Monat zum Wählen: Die Ernte war eingebracht, der Winter mit Schnee und Eis war noch nicht da. Also wurde als ungefährer Wahltermin Anfang November festgelegt. Einer Reise zum nächsten Wahllokal würde dann nichts im Wege stehen.

Nun kam die Frage, an welchem Wochentag gewählt werden sollte. Der Sonntag ging nicht, der war in den sehr christlich geprägten USA der Tag des Herrn. Samstag ging auch nicht, denn da war traditionell Markttag, und auf den musste man sich am Freitag vorbereiten. Donnerstag war ausgeschlossen: Da wählten die Briten, und die konnten die Amerikaner nicht ausstehen. Aber da war ja noch der Montag, der in den USA für lange Reisen gerne genutzt wurde. Und weil viele Farmer einen ganzen Tag brauchten, um ihr nächstes Wahllokal zu erreichen, wurde der Dienstag als Wahltag festgelegt: Montag hin, Dienstag wählen, Mittwoch zurück. Was aber, wenn der Dienstag auf einen 1. November fiel? Da war Allerheiligen, ein wichtiger Feiertag. Also wurde beschlossen: Gewählt wird am Dienstag nach dem ersten Montag im November.

Wählen in einem Riesenland

Bei den Präsidentschaftswahlen gab es aber noch ein Problem: Die USA sind riesengroß. Darum wird der Präsident nicht direkt von den Bürgern gewählt. Sie bestimmen Wahlmänner, die über den Präsidenten entscheiden.

In einigen Bundesstaaten wird gewählt - und die langen Schlangen zeigen nicht nur, dass die Wahlbeteiligung hoch werden dürfte, sondern auch, dass die Organisation der Veranstaltung Luft nach oben hat.

In einigen Bundesstaaten wird gewählt - und die langen Schlangen zeigen nicht nur, dass die Wahlbeteiligung hoch werden dürfte, sondern auch, dass die Organisation der Veranstaltung Luft nach oben hat.

(Foto: REUTERS)

Doch das mit den Wahlmännern hat noch einen anderen Grund. Ursprünglich wählten etwa vier Prozent der Amerikaner den Präsidenten. Sie mussten drei Eigenschaften besitzen: weiße Hautfarbe, männlich, evangelisch. Juden, Frauen, Bedienstete oder gar Sklaven wurden nicht gefragt. Doch auch bei den verbliebenen weißen Protestanten waren die Gründerväter offenbar skeptisch. Also mussten wenigstens die Wahlmänner gebildet und vertrauenswürdig sein. Es dauerte einige Jahre bis zur Liberalisierung des Wahlsystems. Erst fielen konfessionelle Schranken, 1920 wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. Erst in den 1960er Jahren wurden die sogenannten Jim-Crow-Gesetze beseitigt, die Schwarze in den Südstaaten noch immer am Wählen hinderten. (Was nicht heißt, dass das Wahlrecht in den USA heute fair ist; dazu hier mehr.)

Die magische Zahl: 270 Wahlmänner

Die Zahl der Wahlmänner und -frauen unterscheidet sich je nach Bevölkerung eines Staates. Zugelassen sind nur Wahlleute des jeweiligen Siegers. Bei der Stimmauszählung am Wahltag kommt es auf die Zahl 270 an. So viele braucht ein Kandidat oder eine Kandidatin, um zu gewinnen. Oft steht schon am Wahltag fest, auf wen die meisten "Elektoren" entfallen. Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen kann die Auszählung aber auch länger dauern. Kein Problem: Die Wahlleute wählen den Präsidenten erst 41 Tage nach dem eigentlichen Wahltermin in ihren jeweiligen Staaten. Experten sind sich heute nicht mehr sicher, wie dieser Termin zustande kam. Immerhin stammt das Wahlrecht in den USA aus einer Zeit ohne Telefon, WhatsApp und Twitter. Vielleicht wollten die Gründerväter einfach nur gewährleisten, dass die Wahlmänner genug Zeit hatten, um die Hauptstadt ihres Staates zu erreichen.

Die Amtseinführung

Nach den Wahlen dauert es noch zweieinhalb Monate, bis der Präsident sein Amt übernehmen darf. Seit 1933 ist dies am 20. Januar. Davor war der 4. März der Tag der Amtseinführung. An diesem Tag war 1789 der erste US-Kongress zusammengetreten. Vier Monate zwischen der Wahl eines neuen Präsidenten und dessen Amtseinführung - das war sehr lang, und die USA waren in dieser Zeit nahezu unregierbar. Im Jahr 1861 führte das zu einer der größten Krisen innerhalb der Vereinigten Staaten, als sich am 4. März sieben Bundesstaaten von der Union lossagten. Der blutigste Bürgerkrieg in der Geschichte der Vereinigten Staaten begann. Nachdem 1933 während der führungslosen Zeit, bedingt durch die Weltwirtschaftskrise, zahlreiche Banken dichtmachen mussten und die Zahl der Arbeitslosen deutlich anstieg, peitschte der Kongress einen zehn Jahre zuvor eingebrachten Verfassungszusatz durch und legte den 20. Januar als Tag der Amtseinführung fest.

Auf Ohio kommt es an. Und auf Florida. Und…

Doch jetzt gibt es zunächst die Wahlen am 3. November, und wer wissen will, wer der nächste  US-Präsident wird, sollte auf Ohio schauen. Seit 1944 war - mit einer Ausnahme - der Sieger in diesem Bundesstaat später auch US-Präsident. Zugleich gilt: Kein Republikaner hat jemals in Ohio verloren und zugleich die Präsidentschaft gewonnen. Spannend werden allerdings auch Florida (seit 1928 hat der Sieger der Präsidentschaftswahlen nur zwei Mal dort verloren) und alle anderen Swing States, darunter Wisconsin, Pennsylvania und North Carolina.

Quelle: ntv.de

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