Neonazi-Helfer sitzt in U-Haft Andre E. soll Terror-Film gemacht haben
24.11.2011, 17:20 Uhr
Andre E. wurde in einem Hubschrauber der GSG 9 abtransportiert.
(Foto: dpa)
Schon länger hegten die Ermittler den Verdacht, die Zwickauer Zelle habe ihren Propaganda-Film nicht selber herstellen können. Jetzt sitzt der mutmaßliche Produzent des Clips in Untersuchungshaft. Bundesweit durchsuchen Fahnder Wohnungen von weiteren Verdächtigen, doch die Bundesanwaltschaft hält sich bedeckt.
Der in Brandenburg festgenommene mutmaßliche Helfer der Zwickauer Neonazi-Zelle befindet sich in Untersuchungshaft. Der zuständige Richter habe dem 32-jährigen Andre E. den Haftbefehl eröffnet und Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet, sagte Generalbundesanwalt Harald Range in Karlsruhe. E. soll den Propagandafilm hergestellt haben, mit dem sich die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zu Morden an neun Migranten und einer Polizistin bekannt hatte.

Andre E. soll für den Propagandafilm des Neonazi-Trios verantwortlich zeichnen (im Bild: Screenshot).
(Foto: dpa)
Range unterstrich, nach gegenwärtigem Ermittlungsstand komme allein der 32-Jährige als Produzent des Films in Frage. Für dessen Herstellung seien professionelle Kenntnisse erforderlich gewesen, welche die Zellenmitglieder nicht besessen hätten. E. hingegen sei Inhaber einer Medienfirma, die auch Filme hergestellt habe. Damit verfüge er über die notwendigen Kenntnisse zur Produktion des Bekennerfilms, in dem unter anderem die Comic-Figur Paulchen Panther zu sehen ist.
"Dieses Machwerk verhöhnt die Opfer der terroristischen Verbrechen der Gruppierung und zeigt ein unfassbares Ausmaß an Menschenverachtung", sagte Range. "Die Verbreitung des Films ist geeignet, die Bevölkerung, namentlich unsere Mitbürger mit Migrationshintergrund, auf erhebliche Weise einzuschüchtern." Der Hersteller des Films müsse "um die Verbrechen des NSU gewusst" und die Gesinnung der Zelle geteilt haben. In dem Clip brüstet sich das Neonazi-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe nicht nur mit den Morden an neun türkischstämmigen und griechischen Kleinunternehmern und einer Polizistin, sondern es ergeben sich auch Hinweise auf eine Verbindung des NSU zu zwei Sprengstoffanschlägen in Köln.
Bahncards für das Terror-Trio
Andre E. soll das Neonazi-Trio auch über die Herstellung des Films hinaus unterstützt haben. Beate Zschäpe und der tote Uwe Böhnhardt sollen Bahncards genutzt haben, die auf den Namen des Verdächtigen und dessen Frau Susann ausgestellt waren. Der 32-jährige Sachse muss sich nun wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung und der Beihilfe zur Billigung von Straftaten verantworten.
E. wurde am Morgen im Landkreis Potsdam-Mittelmark durch Beamte der GSG 9 festgenommen. Dort war er offenbar bei seinem Bruder zu Besuch. Maik E. gilt als bekennender Rechtsextremist. Er war dem Verfassungsschutz zufolge Stützpunktleiter der Jungen Nationaldemokraten in Potsdam. Sie sind die offizielle Jugendorganisation der rechtsextremen NPD. Nach den Erkenntnissen der Ermittler verfügt E. über gute Beziehungen zur Rechtsszene in anderen Bundesländern, etwa in Sachsen-Anhalt. Unter anderem soll Maik E. im 2006 verbotenen "Schutzbund Deutschland" aktiv gewesen sein. "Der ist uns sehr gut bekannt", hieß es aus Sicherheitskreisen.
Bundesanwaltschaft mauert
Offen blieb zunächst die Zahl weiterer Beschuldigter, gegen die im Zusammenhang mit der Verbrechensserie der Terrorzelle ermittelt wird. Angaben aus Ermittlerkreisen, wonach es sich um zwei weitere Beschuldigte handelt, wollte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft nicht bestätigen. Er fügte aber hinzu, dass weitere Durchsuchungen stattgefunden hätten. Nach der Festnahme von E. hatten Ermittler insgesamt vier Wohnungen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen durchsucht.
Ein Sprecher der Thüringer NPD sagte, dass unter anderen Fahnder des BKA rund vier Stunden lang bei einem früheren Thüringer NPD-Vorstandsmitglied gewesen seien und Material beschlagnahmt hätten. Eine Stellungnahme werde der Mann nicht abgeben, sagte er. Der Jenaer war in den vergangenen Tagen in unbestätigten Medienberichten als wichtiger Helfer des untergetauchten Trios genannt worden.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lässt die Vorgänge um die jüngst aufgedeckten rechtsterroristische Mordserie von einer Expertenkommission untersuchen. Das Gremium solle den Sachverhalt durchleuchten, um Schlussfolgerungen für die Politik ziehen zu können, sagte ein Sprecher Friedrichs. Der Kommission gehört der frühere Präsident von Bundesverfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst, Hansjörg Geiger, der ehemaligen Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Ulrich Kersten, und der frühere CSU-Innenexperte Wolfgang Zeitlmann an. Den drei Experten soll eine Arbeitsgruppe des Innenministeriums zuarbeiten.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte die Kommission als "wichtigen Schritt". Neben den konkreten strafrechtlichen Ermittlungen müsse auch "eine konsequente und vorbehaltlose Aufarbeitung stehen", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". "Die Opposition sollte die lückenlose Aufklärung unterstützen, weil diese die unverzichtbare Voraussetzung für mögliche Konsequenzen ist."
Aus der Opposition kam auch Kritik. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele erklärte, die Einsetzung einer Kommission zur Unterstützung der Bundessicherheitsbehörden sei "gut und richtig". Aber sie könne nicht die Aufklärungsarbeit und die Kontrolle der Aufarbeitung durch Bund und Länder ersetzen: "Dafür brauchen wir einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages." Ähnlich äußerte sich SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Die Linken-Abgeordnete Petra Pau erklärte, zu einer solchen Kommission dürften "nicht nur handverlesene Parteifreunde des Ministers gehören". Benötigt werde vielmehr auch gesellschaftlicher Sachverstand, "der bei zahlreichen Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus fraglos abrufbar ist".
G. beteuert seine Unschuld
Der am Sonntag vor einer Woche festgenommene Holger G. bestreitet unterdessen weiter jede aktive Beteiligung an rechtsextremen Gewalttaten. Von den Bankrauben und Morden, die der Zwickauer Zelle angelastet werden, habe der 37-Jährige nichts gewusst, sagte sein Anwalt Stefan Hachmeister in Hannover.
Bei seiner Vernehmung habe Holger G. lediglich eingeräumt, dem Trio vor Jahren seinen Führerschein sowie kürzlich seinen Reisepass überlassen zu haben. "Er hätte nie gedacht, dass damit diese Straftaten begangen werden." Die Ermittlungsbehörden gehen zudem davon aus, dass er mehrfach Wohnmobile für die Gruppe angemietet hat. Der Anwalt rechnet in Kürze mit einem Haftprüfungstermin.
Laut Hachmeister ist der 37-Jährige mit dem Trio in den neunziger Jahren in seiner Heimat in Jena befreundet und in der dortigen Neonazi-Szene aktiv gewesen. Der Kontakt zu der Gruppe sei nach ihrem Untertauchen abgebrochen, bis diese sich Jahre später wieder bei ihm meldete und ein regelmäßiger Kontakt entstand.
Quelle: ntv.de, sba/AFP/dpa