Politik

"Wir befolgten, was er sagte" Trumps Anhänger zeigen Reue über 6. Januar

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Ein Tweet an seine Anhänger am Tag vor dem Sturm aufs Kapitol.

Ein Tweet an seine Anhänger am Tag vor dem Sturm aufs Kapitol.

(Foto: AP)

Bei einer öffentlichen Anhörung zum Sturm auf den US-Kongress berichten Zeugen davon, wie blind sie Ex-Präsident Trump folgten. Zum Schluss gibt es zwischen einem Ex-Milizionär und Polizisten eine versöhnliche Geste.

Als der Zeuge Stephen Ayres im Kongressausschuss das Wort ergreift, um zu erklären, warum er am 6. Januar zum Kapitol marschierte, wird klar, wie es am 6. Januar 2021 so weit kommen konnte. Der "Familienmensch" aus dem Bundesstaat Ohio, der gerne mit seinem Kind Basketball spiele, war Trump-Anhänger: "Ich folgte ihm auf allen nur möglichen Webseiten." Ayres habe "definitiv geglaubt", dass es bei der Präsidentenwahl Betrug gab. Und als der 45. Präsident schrieb, man solle zur Veranstaltung gegen den Wahldiebstahl kommen, sei ihm klar gewesen, dass er dort sein müsse.

Die siebte Sitzung des Untersuchungsausschusses machte einmal mehr Trumps Entschlossenheit deutlich und belegte, wie berechnend sein Vorgehen war. Die Einführung der Anhörung hatte ungewöhnlich lange gedauert, erst nach zwei Stunden und fünfzehn Minuten waren die Zeugen an der Reihe. Auch in dieser Sitzung zeigte sich, dass ein ehemaliger Fernsehmann sie gestaltet. Die Anhörungen gleichen einer abendlichen US-Fernsehshow, wo der Moderator seinen Text vom Teleprompter vorträgt und nur von ausgewählten Interviewausschnitten unterbrochen wird, die seine Argumentation stützen.

So wie dem ersten Zeugen Stephen Ayres ging es wohl auch vielen anderen am 6. Januar. Dass er wirklich zum Kapitol ging, dazu habe ihn erst Trumps Rede in Washington D.C. vor seinen Anhängern gebracht, sagt er. "Wir befolgten das, was er uns sagte. Ich denke, jeder dachte, er wird mit uns gehen. Er sagte in seiner Rede, er wird bei uns sein. Ich glaubte ihm."

Ayres liegt nicht falsch: Trump wollte mit seinen Anhängen zum Kapitol laufen, sagte eine ehemalige Mitarbeiterin des Weißen Hauses, Cassidy Hutchinson, in einer vorherigen Anhörung aus. Demnach konnte ihn der Secret Service nur mit Mühe von seinem Vorhaben abbringen. Der Entwurf eines Tweets von Trump, den das Komitee zeigt, soll das belegen. Veröffentlicht wurde er nie, aber der Präsident hatte ihn abgesegnet.

Trump wusste um die Wucht von Tweets aus seinen Fingern, das langsame Aufwiegeln der Anhängerschaft wird also kalkuliert gewesen sein. "Kommt vorbei, es wird wild", twitterte er bereits im Dezember über seine Rede am 6. Januar. Trumps Anhänger mit viel Reichweite auf ihren Kanälen in sozialen Netzwerken befeuerten das, weil sie potenzierten, was ihr Präsident schrieb. Einer von ihnen frage: "Warum bringen wir sie nicht einfach um?" Gemeint war Nancy Pelosi, die Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus.

Ex-Milizionär besorgt über Zukunft

Die Eskalation am 6. Januar geschah, obwohl sogar Trumps Berater, von der Familie bis hin zu seinen Ministern sagten, es gebe keinen Beleg für Wahlbetrug. Dazu spielt der Ausschuss eine Aussage des früheren Rechtsberaters des Weißen Hauses, Pat Cipollone, ein. "Es gibt keine Möglichkeit, die Wahlen anzufechten", sagte er und war damit eine weitere Stimme, die den Präsidenten dazu bewegen wollte, seine Wahlniederlage zu akzeptieren. Es gelang ihm nicht.

"Wir müssen froh sein, dass die Zahl der Toten - so tragisch alles war - am 6. Januar nicht noch größer war, das Potenzial war es, das sieht man an den Bildern", sagte der zweite anwesende Zeuge, Jason van Tatenhove, ein ehemaliger Sprecher der rechtsradikalen Bewegung Oath Keepers. Er habe Sorge, was nach der nächsten Wahl passiere, sagt er vor dem Ausschuss. Trump nennt er nicht beim Namen, aber es ist klar, um wen es geht: "Wenn ein Präsident bereit ist, einen Bürgerkrieg mit Lügen und Betrug unter seinen Anhängern zu schüren, (…) was wird er tun, wenn er wieder gewählt wird?"

Nach der vergangenen Sitzung soll Donald Trump einen Zeugen angerufen haben, der Zeuge ging aber nicht ans Telefon, sagt die stellvertretende Ausschussvorsitzende Liz Cheney. Der Fall liege mittlerweile beim Justizministerium und zeige laut Cheney, mit welchen Mitteln Trump arbeite.

Die Sitzung endet mit einer versöhnlichen Geste. Nachdem der Ausschussvorsitzende die Sitzung beendet hat, geht Stephen Ayres, der Familienvater aus Ohio, zu den Polizisten, die am 6. Januar den Kongress beschützten. Vier von ihnen sind im Anhörungssaal. Ayres entschuldigt sich bei ihnen, umarmt jeden nacheinander. Antonio Gonell, der wegen seiner bleibenden Verletzungen nicht länger als Polizist arbeiten kann, wird danach von Journalisten gefragt, wie er die Entschuldigung aufnahm. "Es ist, wie es ist", sagt er. "Aber so wollte ich nicht in Rente gehen."

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 13. Juli 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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