Politik

"Nicht umzingelt, sondern geflutet" Anti-Atom-Bewegung feiert Erfolg

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(Foto: dpa)

Schwarz-Gelb mobilisiert die Anti-Atom-Bewegung: 100.000 Menschen fluten nach Angaben der Veranstalter das Berliner Regierungsviertel. Die CDU wirft SPD und Grünen vor, "Fragen zur Zukunft der Energieversorgung" auszublenden. SPD-Chef Gabriel sagt, die Union mache sich "zum Handlanger der Konzerne".

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Einen Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg fordert dieser Demonstrant.

(Foto: dapd)

Wenn die Zahlen der Veranstalter stimmen, dann war es die größte Anti-Atom-Demonstration seit mehr als 20 Jahren - sieht man einmal von der 120 Kilometer langen Menschenkette ab, die mehr als 100.000 Menschen im April zwischen den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel zogen.

Das Berliner Regierungsviertel sei "nicht umzingelt, sondern geflutet" worden, erklärte die Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt. Nach Angaben der Veranstalter nahmen rund 100.000 an der Demonstration teil. Die Polizei ging in ersten Schätzungen von etwa 40.000 Demonstranten aus.

"Der heutige unerwartet breite Protest zehntausender Menschen zeigt: Die Bevölkerung duldet keine Klientelpolitik für Atomkonzerne auf Kosten ihrer Sicherheit", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Ausgestrahlt, Campact, BUND und Naturfreunde.

CDU greift Rot-Grün an

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Mit diesem Plakat dürfte die CDU nicht in die nächsten Wahlkämpfe gehen.

(Foto: dpa)

Die schwarz-gelbe Koalition nutzte die Proteste für Kritik an der Opposition. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf SPD und Grünen in einer Erklärung vor, "Fragen zur Zukunft der Energieversorgung und zur Endlagerung von Atommüll einfach auszublenden". Gröhe verteidigte zugleich die von der Koalition beschlossene Verlängerung von Akw-Laufzeiten. Atomkraftwerke spielten im Energiemix für eine begrenzte Zeit weiter eine wichtige Rolle, erklärte der Fraktionsvize der CDU/CSU, Michael Fuchs.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner warf den Oppositionsparteien vor, "mit den Ängsten der Menschen zu spielen". Union und FDP wollen die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um acht bis 14 Jahre verlängern. Umfragen der Institute Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen zufolge lehnen rund 60 Prozent der Bevölkerung die Regierungspläne für längere Akw-Laufzeiten ab.

Reichstagsgras gerichtlich geschützt

Im Regierungsviertel ließen sich die Protestierenden derweil in einer Kette um Reichstag und Kanzleramt zu einer symbolischen Sitzblockade nieder, die mit einem "Atom-Alarm" aus Trillerpfeifen und Tröten lautstark ausklang. Im Anschluss fand eine Abschlusskundgebung vor dem Hauptbahnhof statt.

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Viele Demonstranten warfen "Atommüll" auf das Gelände des Kanzleramts.

(Foto: dapd)

Eine zunächst geplante Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude war gerichtlich untersagt worden, da eine öffentliche Grünanlage nach dem Grünanlagengesetz nur schonend benutzt werden dürfe.

"Schmutziger Deal"

"Die von der Bundesregierung ausgehandelte Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ist ein schmutziger Deal" zu Gunsten der Akw-Betreiber RWE, Eon, EnBW und Vattenfall, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin am Rande der Kundgebung.

Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel kam zu der Demonstration. "Die Union macht sich zum Handlanger der Konzerne", sagte er. "Frau Merkel hat unterschätzt, dass jetzt wieder ein gesellschaftlicher Großkonflikt ausbricht, den wir bereits befriedet hatten." Das werde die Kanzlerin bei den nächsten Wahlen merken.

"Rebellischer Geist in der Bevölkerung"

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi warnte die Regierung am Rande der Demonstration, den Widerstand in der Bevölkerung gegen längere Atomlaufzeiten zu unterschätzen. "Es entsteht mehr als ein rebellischer Geist in der Bevölkerung."

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Nach Angaben der Veranstalter kamen drei Sonderzüge und 150 Busse aus ganz Deutschland nach Berlin.

(Foto: dapd)

Über dem Gelände zwischen Hauptbahnhof und Spree flatterte schon am Mittag ein Meer von Fahnen im stürmischen Wind. Besonders häufig zu sehen: die gelbe Fahne mit der roten Sonne und dem Schriftzug "Atomkraft? Nein Danke" der Anti-Atomkraft-Bewegung der 80er Jahre. Daneben wehten aber auch zahlreiche rote Fahnen von SPD und Linken, Transparente der Grünen und der Globalisierungskritiker von Attac.

Politiker-Reden unerwünscht

Zu der Protestkundgebung unter dem Motto "Atomkraft: Schluss jetzt!" hatte ein breites Bündnis aus Umweltverbänden, Gewerkschaften, Parteien und Bürgerinitiativen aufgerufen. Auch SPD, Grüne und Linke unterstützten die Protestaktion. Politiker waren als Redner auf der Kundgebung allerdings unerwünscht.

"Unser Ziel ist es, dass die Pläne der Bundesregierung noch gekippt werden", sagte Ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay. Er warf Kanzlerin Angela Merkel vor, nur die Interessen der AKW-Betreiber RWE, Eon, EnBW und Vattenfall zu bedienen.

Proteste auch im Saarland

Rund 1500 Atomkraftgegner gingen auch im saarländischen Perl gegen die Nutzung der Kernenergie auf die Straße. Darunter waren auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) und ihre saarländische Amtskollegin Simone Peter (Grüne). Der Protest richtete sich gegen die kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für die deutschen Meiler, aber auch gegen das nahe gelegene Atomkraftwerk im französischen Cattenom.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/rts/AFP

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