Politik

Drei Funktionäre des Regimes tot Assad nach Anschlag abgetaucht

Dieses Bild der syrischen Nachrichtenagentur Sana soll Soldaten beim Kampf gegen Rebellen zeigen.

Dieses Bild der syrischen Nachrichtenagentur Sana soll Soldaten beim Kampf gegen Rebellen zeigen.

(Foto: AP)

Nach dem Anschlag gegen Angehörige der syrischen Regierung kommt es zu schweren Gefechten in Damaskus. Außerhalb der Hauptstadt sollen Soldaten desertiert sein. Der Aufenthaltsort von Präsident Assad ist unbekannt. Der UN-Sicherheitsrat verschiebt eine geplante Abstimmung über eine Syrien-Resolution.

Nach dem Anschlag auf den Krisenstab in Damaskus sollen in verschiedenen Provinzen Syriens Soldaten desertiert sein. Ein Aktivist aus der Provinz Idlib sagte, alle Soldaten, die am Militärflughafen Taftanas stationiert gewesen seien, seien zu den Revolutionären übergelaufen. Es seien Schüsse gefallen.

Weiter sagte der Mann, einige Offiziere, die der alawitischen Minderheit angehören, seien getötet worden. Eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben ist nicht möglich, da Syrien Journalisten nicht ins Land lässt. Präsident Baschar al-Assad ist Alawit, die Mehrzahl der Aufständischen sind Sunniten.

Asef Schawkat war zuletzt stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte.

Asef Schawkat war zuletzt stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte.

(Foto: REUTERS)

Bei dem Anschlag waren mindestens drei Funktionäre des Regimes getötet worden: Assads Schwager Asef Schawkat, Verteidigungsminister Daud Radscheha sowie dessen Amtsvorgänger Hassan Turkomani. Schawkat war zuletzt stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte.

Assads Aufenthaltsort unbekannt

Etliche weitere Funktionäre wurden verletzt. Hischam Bachtijar, dem Chef der Nationalen Sicherheit, soll die Explosion beide Beine abgerissen haben. Unklar blieb das Schicksal von Innenminister Mohammed Ibrahim al-Schaar: Während Oppositionelle in Damaskus von einem stabilen Zustand sprachen, erklärten ihn Aktivisten im syrisch-türkischen Grenzgebiet für tot. Dort hieß es auch, Präsident Assad habe seine Familie unmittelbar nach dem Anschlag in seine Heimatstadt Kardaha im Nordwesten des Landes bringen lassen.

In Sicherheitskreisen hieß es, Assad habe an dem Treffen des Krisenstabs nicht teilgenommen. Bis zum Abend lagen weder eine Erklärung noch Aufnahmen des Präsidenten vor. Das US-Präsidialamt teilte mit, der Aufenthaltsort Assads sei unbekannt.

Rebellen zwischen Angst und Hoffnung

Syrische Aktivisten verbreiteten in einem internen Forum, die Präsidentenmaschine sei vom Flughafen Al-Messe in Damaskus gestartet und beriefen sich dabei auf Offiziere auf dem Militärflughafen. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite gab es dafür nicht. Ein Sprecher des oppositionellen Syrischen Nationalrats (SNC) gab sich siegesgewiss: "Der Sturz des Regimes von Baschar al-Assad ist in greifbare Nähe gerückt."

Unter den Oppositionellen machte sich aber auch die Angst breit, das Regime könne aus Rache in den Protesthochburgen in Damaskus Giftgas einsetzen. In den Zirkeln der Regimegegner wurde darüber diskutiert, ob man nicht mit Holzkohle und Plastiktüten Schutzmasken herstellen könnte. In Syrien zählten die Regimegegner bis zum Abend 102 tote Revolutionskämpfer und Zivilisten. Vom Militärflughafen Al-Messe aus seien am Abend mehrere Mörsergranaten auf eine Gruppe von Demonstranten abgefeuert worden, berichteten Aktivisten.

Zwei Gruppen bekennen sich

Als die Bombe detonierte, fand in der Nationalen Sicherheitsbehörde gerade ein hochrangig besetztes Treffen des Krisenstabs statt. In syrischen Sicherheitskreisen wurde ein Leibwächter für den Angriff verantwortlich gemacht.

Gleich zwei Gruppen bekannten sich zu dem Anschlag: Die islamistische Rebellen-Organisation Liwa al-Islam erklärte, man habe das Krisenkontrollzentrum angegriffen. Es habe sich jedoch nicht um einen Selbstmordanschlag gehandelt. Die Freie Syrische Armee, in der Rebellen lose zusammengeschlossen sind, bekannte sich über einen Sprecher ebenfalls zu dem Angriff. "Das ist der Vulkan, von dem wir gesprochen haben. Wir haben gerade erst begonnen."

Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP war das Attentat ein Selbstmordanschlag. Der Anschlag sei von einem Leibwächter verübt worden, der einem der Teilnehmer eines Krisentreffens im Gebäude der Nationalen Sicherheit zugeordnet war, so AFP unter Berufung auf Sicherheitskreise. Der Attentäter habe im Versammlungssaal einen Sprengstoffgürtel gezündet.

Durchhalteparolen in Damaskus

Nur wenige Stunden nach dem Tod von Daud Radscheha meldeten staatliche Medien, dass General Fahd Dschasim al-Fredsch zum neuen Verteidigungsminister ernannt worden sei. Die regierungsamtliche Zeitung "Al-Thawra" verbreitete Durchhalteparolen: "Damaskus ist schwer in die Knie zu zwingen, selbst wenn sich die ganze Welt gegen diese Stadt verbünden sollte."

In Damaskus wurde die Lage nach dem Bombenanschlag immer unübersichtlicher. Aktivisten meldeten Gefechte in mehreren Stadtteilen, vor allem im Süden der Stadt. In dem Viertel Al-Hadschar al-Aswad hätten Rebellen versucht, einen Stützpunkt der Streitkräfte zu stürmen. Anwohner berichteten, zahlreiche Familien seien aus Angst vor Militäroperationen oder Milizenterror aus den Vierteln Al-Kabun und Al-Midan geflohen.

Obama und Putin haben Differenzen

Die USA und Russland konnten ihren Streit über den Kurs in der Syrienkrise weiter nicht beilegen. Das teilte das Weiße Haus am Abend nach einem Telefongespräch zwischen US-Präsident Barack Obama mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin mit. Beide Politiker hätten "die Differenzen ihrer Regierungen über Syrien" anerkannt.

Die USA weiteten ihre Sanktionen gegen Syrien im Alleingang aus. Nach Angaben des Finanzministeriums betreffen die Strafmaßnahmen hochrangige Regierungsbeamte und sechs Firmen.

Sicherheitsrat verschiebt Abstimmung

Über den Entwurf des Westens, der ein Zehn-Tage-Ultimatum und Sanktionen vorsieht, sollte ursprünglich am Mittwochabend abgestimmt werden. Wenige Stunden vor dem Beginn beantragten die westlichen Länder dann eine Verschiebung auf Donnerstag, um Spielraum für neue Verhandlungen zu schaffen, wie es von westlichen Diplomaten hieß.

Vetomacht Russland hatte schon vorher eine "harte Linie" - sprich: Blockade - angekündigt. "In einem Moment, wo eine Schlacht um die syrische Hauptstadt tobt, wäre die Annahme von Sanktionen eine einseitige Unterstützung von Revolutionären", unterstrich der russische Außenminister Sergej Lawrow ein weiteres Mal. Die westliche Syrien-Politik kritisierte er als "Sackgasse". China steht in der Syrienfrage traditionell an der Seite Russlands.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/rts/AFP

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