Politik

"Ihr seid das Licht der Welt" Benedikt trifft die Jugend

Fast 30.000 sind gekommen, um mit dem Papst zu feiern und zu beten.

Fast 30.000 sind gekommen, um mit dem Papst zu feiern und zu beten.

(Foto: dpa)

Jubel für "Benedetto" in Freiburg: Das Kirchenvolk feiert den Papst auf der letzten Station seiner Deutschlandreise überschwänglich. Benedikt XVI. würdigt den Kanzler der Einheit, trifft Orthodoxe und feiert mit der Jugend. Die zeigt sich auch kritisch. In Erfurt sorgen zuvor Schüsse aus einer Luftdruckpistole für Aufregung am Rande des päpstlichen Besuchs.

Die Jugendlichen "sollen glühende Heilige" werden und sich Gott hingeben.

Die Jugendlichen "sollen glühende Heilige" werden und sich Gott hingeben.

(Foto: dapd)

Papst Benedikt XVI. ist auf der letzten Station seiner Deutschland-Reise in Freiburg von den Gläubigen überschwänglich gefeiert worden. Fast 30.000 Pilger, vor allem Jugendliche, kamen zu einer stimmungsvollen Gebetsvigil mit dem katholischen Kirchenoberhaupt, zu der der 84-Jährige mit dem Papamobil fuhr. Es herrschte eine fröhliche Stimmung im Abendlicht. Wie zuvor schon bei der herzlichen Begrüßung am Freiburger Münster ertönten viele "Benedetto"-Rufe, später erleuchteten zehntausende Kerzen das Areal.

Im Gespräch mit der Spitze des Zentralkomitees der deutschen Katholiken kritisierte der Papst laut Vatikan die vielen katholischen Gremien und Verbände in Deutschland. "Ehrlicherweise müssen wir doch sagen, dass es bei uns einen Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist gibt." Fraglich, sei ob dahinter die entsprechende geistige Kraft" stehe.

Benedikt fügte hinzu: "Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt ist eine Krise des Glaubens. Wenn wir nicht zu einer wirklichen Erneuerung des Glaubens finden, wird alle strukturelle Reform wirkungslos bleiben."

Bei der Vigil, einer liturgischen Gebetswache, forderte Benedikt junge Christen dazu auf, "glühende Heilige" zu werden und sich Gott hinzugeben. "Der Schaden der Kirche kommt nicht von ihren Gegnern, sondern von den lauen Christen."

Raum für unbequeme Fragen

(Foto: AP)

Die gute Stimmung hielt die Jugendlichen aber nicht davon ab, vor dem Eintreffen des Papstes auch kritische Ansichten kundzutun. Die Veranstalter hatten aufblasbare Tüten in Grün und Rot verteilt und stellten Fragen. Die Menge signalisierte mit den Tüten, dass für sie die Unterscheidung in evangelisch und katholisch keine Rolle spielt, sie Homosexualität nicht als Sünde sieht und Frauen in der katholischen Kirche eine größere Rolle spielen sollten.

Der Papst traf sich auch mit Vertretern der Orthodoxen Kirche in Deutschland. "Unter den christlichen Kirchen und Gemeinschaften steht uns die Orthodoxie theologisch am nächsten", betonte er nach Angaben des Vatikans. Am Vortag hatte er Hoffnungen vieler Protestanten auf mehr Miteinander mit den Katholiken nicht erfüllt.

Audienz für den Kanzler der Einheit

Kurzer Fototermin, dann wurden die Türen für die Öffentlichkeit geschlossen.

Kurzer Fototermin, dann wurden die Türen für die Öffentlichkeit geschlossen.

(Foto: dapd)

Bei einer Begegnung mit Helmut Kohl würdigte Benedikt den 81-Jährigen als Kanzler der Einheit. Das Gespräch mit Kohl, der im Rollstuhl saß und von seiner zweiten Ehefrau Maike Kohl-Richter begleitet wurde, fand hinter verschlossenen Türen statt. Es kam auf Bitten des Papstes zustande. "Es war der Wunsch des Heiligen Vaters, dem Kanzler der Einheit zu begegnen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch. Kohl wollte sich nicht äußern, weil er das Treffen als privat wertete.

Freiburger jubeln Benedikt zu

Die Freiburger heißen den Papst herzlich willkommen.

Die Freiburger heißen den Papst herzlich willkommen.

(Foto: dapd)

Zur Begrüßung hatten 24 000 Menschen dem Pontifex in der Freiburger Innenstadt bei strahlendem Sonnenschein zugejubelt. Er fuhr im Papamobil durch eine von Menschen gesäumte enge Gasse zum Münster. Nach einem Rundgang durch das Gotteshaus und einem Gebet erwiderte er scherzhaft die Willkommensgrüße: "Mein besonderer Dank gilt dabei eurem lieben oberwürdigsten Erzbischof Dr. Robert Zollitsch für die Einladung. Er hat mich so bedrängt, dass ich am Schluss sagen musste: Nach Freiburg muss ich wirklich kommen", sagte Benedikt schmunzelnd und hatte die Lacher auf seiner Seite.

Trotz aller Anstrengungen fühlt sich der Papst nach wie vor fit. "Es geht ihm wirklich gut und auch besser, als ich erwartet habe", sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. "Es ist wunderbar, wie er alle Momente dieser Reise wirklich intensiv erlebt." Auf dem Münsterplatz und bei der Vigil wirkte Benedikt sogar entspannter als an den Tagen zuvor. Am Sonntag fliegt er zurück nach Rom - nach einer Open-Air-Messe mit 90 000 Gläubigen und einer Rede im Freiburger Konzerthaus.

Rückenstärkung für die Gläubigen

Bei der Papstmesse auf dem Domplatz in Erfurt mit 28 000 Gläubigen herrschte am Morgen ähnlich gute Stimmung wie in Freiburg. Der Papst hob die Standfestigkeit der Katholiken in Osten hervor. In einem kirchenfeindlichen politischen Umfeld seien sie der Kirche treugeblieben und hätten persönliche Nachteile in Kauf genommen.

Auf dem Erfurter Domplatz nehmen am frühen Morgen fast 30.000 Menschen an einer feierlichen Messe teil.

Auf dem Erfurter Domplatz nehmen am frühen Morgen fast 30.000 Menschen an einer feierlichen Messe teil.

(Foto: dapd)

Der Erfurter Bischof Joachim Wanke begrüßte ausdrücklich auch die evangelischen Gläubigen zum Gottesdienst. Danach gingen Raunen und Applaus über den Domplatz. Einige evangelische Gottesdienstbesucher trugen Tücher mit der traditionellen Lutherrose. Wanke betonte, gerade in Thüringen würde ein "gemeinsames ökumenisches Zeugnis" gebraucht. Der Papst hatte sich am Vortag im Erfurter Augustinerkloster mit den Spitzen der Evangelischen Kirche in Deutschland getroffen und den Reformator Martin Luther gewürdigt.

In Ostdeutschland sind die Katholiken eine Minderheit, sie stellen nur etwa vier Prozent der Bevölkerung. Mitgliederstärker ist die evangelische Kirche. Drei Viertel der Menschen sind jedoch konfessionslos..

Kritik an Geheimtreffen mit Missbrauchsopfern

Die in Verbänden organisierten Opfer sexualisierter Gewalt haben das Treffen des Papstes mit fünf Missbrauchsopfern am Freitagabend in Erfurt scharf kritisiert. Das Treffen sei abgelaufen nach dem wie schon in anderen Ländern verwandten Muster "Verleugnen, Verschweigen und Vertuschen". Der Vatikan sei nach wie vor nicht an einer öffentlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema interessiert.

Benedikt XVI. hatte Freitagabend bei einem zuvor geheim gehaltenen Treffen eine halbe Stunde lang mit fünf Männern und Frauen gesprochen, die von Priestern und Kirchenmitarbeitern sexuell missbraucht worden waren. In einer Erklärung des Vatikan im Anschluss hieß es, der Papst sei bewegt und erschüttert von der Not der Missbrauchsopfer. Deren Identität hält der Vatikan aber geheim. Zudem wiesen Vatikan und Katholische Kirche Deutschland daraufhin, dass Begegnung nicht zum offiziellen Besuchsprogramm des Papstes in der Bundesrepublik gehörte.

Schüsse aus Luftdruckpistole

In dieser Seitenstraße sollen die Schüsse gefallen sein.

In dieser Seitenstraße sollen die Schüsse gefallen sein.

(Foto: dapd)

Am Rande des Papstbesuchs in Erfurt ereignete sich am Vormittag ein Zwischenfall: Mehrere hundert Meter von Domplatz entfernt wurde ein Mann in seiner Wohnung festgenommen, der zwischen 7.00 und 8.00 Uhr vier Schüsse auf Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes abgegeben haben soll. "Die Polizisten stellten in der Wohnung ein Luftdruckgewehr und eine Luftdruckpistole sicher", sagte Robert Ryczko, Polizeieinsatzleiter während des Papstbesuchs. Der 1981 in Erfurt geborene und in Berlin lebende Verdächtige sei nicht vorbestraft. Auch sei niemand verletzt worden.

Nach Angaben Ryczkos hatten Polizisten nach einer ersten Information über Schüsse erst herausfinden müssen, aus welcher Wohnung sie abgegeben wurden. Danach sei es nicht gelungen, mit dem Mann Kontakt aufzunehmen, so dass die Polizisten schließlich gewaltsam in die Wohnung eingedrungen seien. Der Festgenommene sei nicht der Mieter der Wohnung. Gegen ihn werde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Der Festgenommene bestreitet die Tat. Unklar ist zudem, ob der Vorfall im Zusammenhang mit dem Papst-Besuch in der Stadt steht.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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