Politik

Terrorführer bis zuletzt "aktiv" Bin-Laden-Videos veröffentlicht

Mit gefärbtem Haar, der Terrorfürst als eitler Selbstdarsteller.

Mit gefärbtem Haar, der Terrorfürst als eitler Selbstdarsteller.

(Foto: REUTERS)

Der meistgesuchte Terrorist der Welt war jahrelang unauffindbar, dabei lebte Al-Kaida-Chef Bin Laden seit über siebeneinhalb Jahren in Pakistan. In Abbottabad gefundenes Videomaterial belegt, dass Bin Laden das Terrornetzwerk bis zum Schluss strategisch und taktisch kontrolliert hat. Und es zeigt einen selbstverliebten alten Mann.

Die USA haben mehrere Videos veröffentlicht, die während des Kommandoeinsatzes gegen Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan beschlagnahmt wurden. In einem der bei einer Pressekonferenz in Washington veröffentlichten Videos war ein graubärtiger Bin Laden zu sehen, wie er sich selbst auf einem Fernsehbildschirm betrachtet. Insgesamt wurden fünf bislang unbekannte Videos von den USA freigegeben.

Bin Laden zappt durch die Programme auf der Suche nach einem Bild von sich selbst.

Bin Laden zappt durch die Programme auf der Suche nach einem Bild von sich selbst.

(Foto: dpa)

Eines der undatierten Videos zeigt Bin Laden auf dem Fußboden sitzend, wie er mit einer Fernbedienung von Satelliten-Kanal zu Satelliten-Kanal springt, bis er bei einem Sender verharrt, der ein Bild von ihm zeigt. Der Terrorführer ist in eine dunkle Decke gehüllt, er trägt eine schwarze Mütze. Unter dem Material sei auch eine ungesendete Videobotschaft an die USA, in der Bin Laden den Kapitalismus verdamme. Darin hatte der Topterrorist sein Haar schwarz gefärbt.

"Eine kleine Armee" von Spezialisten der CIA und der Bundespolizei FBI wertet die in Abbottabad sichergestellten Unterlagen und technischen Geräte aus. Neben Festplatten von Computern, Disketten, DVDs und Mobiltelefonen seien aus Bin Ladens Unterschlupf auch unzählige Dokumente geborgen worden. "Alle Mann sind am Deck", beschrieb ein Ermittler die hektische Arbeit der Spezialisten an der "Informations-Fundgrube". Dabei habe es bereits "erste Spuren" gegeben.

Jahre unbehelligt in Pakistan

Zu sehen bekamen die Menschen in Abbottabad Bin Laden und seine Familie nie.

Zu sehen bekamen die Menschen in Abbottabad Bin Laden und seine Familie nie.

(Foto: AP)

Vor seinem blutigen Ende vor wenigen Tagen hat Bin Laden offenbar knapp siebeneinhalb Jahre unbehelligt und unerkannt in Pakistan gelebt. Das berichten übereinstimmend die "New York Times" und die pakistanische "Dawn" über die Ergebnisse der ersten Verhöre von Bin Ladens Witwe Amal al-Sadah.

"Man stelle sich vor, dieser Typ hat fast siebeneinhalb Jahre in Haripur und Abbottabad gelebt, und wir alle - Amerikaner und Pakistaner - haben ihn an der falschen Stelle gesucht", zitierte die "Dawn" einen namentlich nicht genannten Vertreter der pakistanischen Sicherheitskräfte, der am Verhör der Witwe Bin Ladens beteiligt war.

Demnach hatte der Chef des Terrornetzwerks Al-Kaida bei der US-Invasion Afghanistans im Oktober 2001 das Höhlensystem in den Tora Bora-Bergen verlassen und sich bis 2003 im Gebirge im Grenzgebiet zu Pakistan versteckt. Danach sei er in das pakistanische Dorf Chak Shah Mohammad im Bezirk Haripur "umgezogen", ehe er mit seiner Familie im Jahr 2005 in das etwa 40 Kilometer entfernte umzog, in dem er vor wenigen Tagen von einem US-Kommandotrupp getötet wurde. Bin Laden und seine Familie hätten das gut gesicherte Haus dabei niemals verlassen.

Zugriff statt Nachtruhe

Seit über fünf Jahren lebte der Terroristenführer in der Stadt.

Seit über fünf Jahren lebte der Terroristenführer in der Stadt.

(Foto: AP)

Nach Aussage der Witwe Al-Sadah hatte sie sich in der Nacht zum Montag gerade mit Bin Laden ins Schlafzimmer zurückgezogen und das Licht gelöscht, als sie die ersten Schüsse hörten. Der Terrorchef habe noch nach seiner Kalaschnikow greifen wollen, als die US-Kommandos in das Zimmer stürmten und ihren Mann erschossen. Sie selbst sei von einer Kugel ins Bein getroffen worden.

Insgesamt wurden den Angaben zufolge drei Ehefrauen Bin Ladens nach dem US-Einsatz in dem Haus in Gewahrsam genommen sowie 13 Kinder. Zudem seien die Leichen eines Bin-Laden-Sohnes und von zwei Bewachern aus Kuwait entdeckt worden. Bin Ladens Leiche war nach offiziellen Angaben aus Washington von dem US-Kommando mitgenommen und im Meer bestattet worden.

Telefonat als entscheidende Spur

Die Unterstützung für Bin Laden reicht tief in die pakistanische Gesellschaft hinein.

Die Unterstützung für Bin Laden reicht tief in die pakistanische Gesellschaft hinein.

(Foto: AP)

Ein privates Telefonat hat die Fahnder anscheinend auf Bin Ladens Spur geführt. Wie die "Washington Post" am Samstag berichtete, erregte ein Handy-Gespräch von Bin Ladens Kurier mit einem alten Freund die Aufmerksamkeit der US-Ermittler. Demnach habe der Freund den Kurier, Abu Ahmed al-Kuwaiti, gefragt, wo er denn so lange gesteckt habe. Daraufhin habe der geantwortet: "Ich bin wieder bei den Leuten, bei denen ich früher war." Nach einer längeren Pause habe sein Freund gesagt: "Möge Gott euch beistehen!".

Als die US-Ermittler dieses Gespräch mitgehört hätten, sei ihnen klar gewesen, dass sie auf eine heiße Spur geführt worden seien, so die "Washington Post" - ungeachtet der strengen Vorsichtsmaßnahmen des Bin Laden-Teams. So habe es auf dem , auf dem sich der Topterrorist versteckt hielt, weder eine Telefon-, noch Internet-, noch Fernsehleitung gegeben. Mitarbeiter des Al-Kaida-Chefs seien zum Telefonieren 90 Minuten weit weg gefahren. Erst dann hätten sie die Batterien in ihre Handys gelegt.

"Bewusste Blindheit"

In der "New York Times" wurde erneut über die  spekuliert, ohne deren Wissen Bin Laden nicht so lange in Abbottabad in unmittelbarer Nähe der Militärakademie gelebt haben könne. Der pakistanische Geheimdienst sei "im besten Fall bewusst blind" gewesen, wurde der ehemalige CIA-Agent Art Keller zitiert, der vor Jahren an der Jagd nach dem Topterroristen beteiligt war. "Bewusste Blindheit ist in Pakistan ein Überlebensmechanismus."

Tötungsaktion fehlgeschlagen

Anwar al-Awlaki, einer der gefährlichen Köpfe des Terrornetzwerks.

Anwar al-Awlaki, einer der gefährlichen Köpfe des Terrornetzwerks.

(Foto: dpa)

Tags zuvor haben die USA nach Medienberichten versucht, ein weiteres führendes Al-Kaida Mitglied zu töten. Demnach wurden im Jemen von einer ferngesteuerten Drohne Raketen auf den gesuchten Hassprediger Anwar al-Awlaki abgefeuert. Der Jemenit, der auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, scheine die Attacke vom Donnerstag aber überlebt zu haben.

Nach der von Al-Kaida bereits angekündigten Vergeltung für den Tod Bin Ladens drohten auch die Taliban mit neuen Attacken. In einer Erklärung betonte die Taliban-Führung in Afghanistan, der Tod Bin Ladens werde keinesfalls zu einer Schwächung der Moral der islamistischen Kämpfer führen. Im Gegenteil: "Hunderte weitere Kämpfer werden auf das Feld des Martyriums und der Opfer ziehen."

Dennoch sei Bin Ladens Tod eine "große Tragödie", heißt es in der ersten Erklärung der Taliban nach der Erschießung Bin Ladens durch ein Spezialkommando der US-Streitkräfte in Pakistan. "Er war ein unermüdlicher Kämpfer gegen christliche und jüdische Aggression in der islamischen Welt." Mit "großer Tapferkeit" habe Bin Laden schon gegen die sowjetischen Invasoren in Afghanistan gekämpft.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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