Politik

"USA müssen Unterstützung prüfen" Pakistan will Terroristen jagen

Angriff mit Tarnkappenhelikopter? Das Foto zeigt einen abgestürzten Hubschrauber auf dem Gelände in Pakistan.

Angriff mit Tarnkappenhelikopter? Das Foto zeigt einen abgestürzten Hubschrauber auf dem Gelände in Pakistan.

(Foto: REUTERS)

Nach der Tötung Bin Ladens steht Pakistan unter Druck, weil sich der Al-Kaida-Führer dort jahrelang versteckt halten konnte. "Schockierend ist das Ausmaß der Zusammenarbeit nicht nur mit den Taliban, sondern auch Al-Kaida", sagen Experten. Nun will die Regierung in Islamabad Jagd auf Talibanchef Mullah Omar und Al-Kaidas Nummer zwei Sawahiri machen.

Nach der Tötung von Osama bin Laden durch US-Spezialeinheiten in Pakistan will die Regierung in Islamabad nun den ebenfalls im Land vermuteten Taliban-Chef Mullah Mohammad Omar sowie Al-Kaida-Vize Aiman al Sawahiri fassen. Wie die Zeitung "The News" unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, soll in nächster Zeit eine "massive Suchaktion" beginnen. Im Fokus stünden dabei die westpakistanische Stadt Quetta sowie die Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan. "Ziel ist es, Mullah Omar oder den ägyptischen Arzt Aiman al Sawahiri so schnell wie möglich zu ergreifen, sollten diese sich in Pakistan versteckt halten", schreibt die Zeitung.

In Pakistan gibt es in großen Teilen der Gesellschaft Rückhalt für Bin Laden.

In Pakistan gibt es in großen Teilen der Gesellschaft Rückhalt für Bin Laden.

(Foto: REUTERS)

Pakistan war nach Angaben von Präsident Asif Ali Zardari nicht an der Tötung Bin Ladens beteiligt. Man habe auch nicht gewusst, dass sich der weltweit gesuchte Terrorist im Land aufhielt. Unter Sicherheitsexperten gibt es jedoch starke Zweifel, dass Bin Laden ohne Wissen von Geheimdiensten und anderen Behörden jahrelang unbehelligt in Pakistan leben konnte. "Ich gehe fest davon aus, dass die Armeeführung über den Aufenthaltsort von Bin Laden informiert war", sagte Terrorismusexperte Guido Steinberg im Interview mit n-tv.de. Pakistan habe sich damit nicht nur bei der Terrorismusbekämpfung sondern auch in der Afghanistanpolitik als Partner disqualifiziert. Denn auch der Führungsrat der afghanischen Taliban unter Mullah Omar wird seit langem in den pakistanischen Städten Quetta oder Karachi vermutet.

Terroristenjagd geht weiter

Auch die USA hatten bereits betont, weiter gegen Terroristen in Pakistan vorgehen zu wollen. Auf die Frage, ob Präsident Barack Obama trotz der scharfen Kritik aus Islamabad erneut einen Einsatz auf pakistanischem Boden anordnen würde, sagte sein Sprecher Jay Carney, Obama habe dies bereits während des Präsidentschaftswahlkampf zugesichert. Er sei weiterhin der Ansicht, dass dies der "richtige Ansatz" sei.

Obama hatte 2008 erklärt, er werde gegen Al-Kaida-Chef Osama bin Laden oder andere ranghohe Vertreter des Terrornetzwerks auch in Pakistan vorgehen, wenn die dortige Regierung "unfähig oder nicht willens" sei, zu handeln. Bin Laden wurde in der Nacht zum Montag von einer US-Spezialeinheit in Pakistan aufgespürt und getötet. Islamabad war über den Einsatz nicht vorab informiert, um zu verhindern, dass die Aktion auffliegt.

Spannungen mit Pakistan

Inzwischen wurden neue Bilder vom Gelände des Anwesens veröffentlicht, auf dem sich Bin Laden versteckt hielt.

Inzwischen wurden neue Bilder vom Gelände des Anwesens veröffentlicht, auf dem sich Bin Laden versteckt hielt.

(Foto: REUTERS)

Dass der Terrorführer im pakistanischen Abbottabad angeblich unentdeckt Unterschlupf gefunden haben soll, sorgt für Spannungen zwischen Washington und Islamabad. Die republikanische Abgeordnete Kay Granger forderte angesichts der ungeklärten Rolle Pakistans im Fall Bin Laden, ein 200 Millionen Dollar schweres Hilfsprogramm für Flutopfer auf Eis zu legen. Die Entdeckung, dass der "berühmt-berüchtigste Terrorist der Welt" fünf Jahre lang nur wenige hundert Meter von einer Militäreinrichtung gelebt haben soll, habe seine Sorge vergrößert, dass Islamabad womöglich "unfähig" sei, die US-Gelder transparent zu verwalten, schrieb Granger in einem Brief an US-Außenministerin Hillary Clinton.

Das Haus in Abbottabad ist versiegelt.

Das Haus in Abbottabad ist versiegelt.

(Foto: REUTERS)

Der Regierung in Islamabad wird regelmäßig vorgeworfen, nicht genügend gegen Al-Kaida oder die Taliban vorzugehen. Für Spannungen zwischen beiden Ländern sorgen außerdem US-Drohnenangriffe auf mutmaßliche Verstecke von Aufständischen. Einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP zufolge flogen die USA im vergangenen Jahr mehr als 100 Drohnenangriffe in Pakistan und töteten dabei mehr als 670 Menschen.

Auch Terrorismusexperten sind besorgt über die Rolle Pakistans, Experte Steinberg zeigte sich überrascht. "Schockierend ist das Ausmaß der Zusammenarbeit pakistanischer Stellen nicht nur mit den Taliban, sondern eben auch Al-Kaida", sagte der Mitarbeiter von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Dass Bin Laden im Zentrum des Landes geduldet worden sei, sei überraschend, auch wenn bekannt gewesen sei, dass die Pakistanis ohnehin ein doppeltes Spiel spielen. "Die USA werden prüfen müssen, in wie weit ihre Unterstützung für das pakistanische Militär wie bisher fortgesetzt werden kann", sagte Steinberg.

Obama besucht Ground Zero

Am Ground Zero schreiten die Bauarbeiten voran.

Am Ground Zero schreiten die Bauarbeiten voran.

(Foto: AP)

Vier Tage nach Bin Ladens Tötung besucht Obama heute Ground Zero in New York. Wo am 11. September 2001 Terroristen zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Center steuerten, will sich der Präsident mit Angehörigen der Opfer treffen und einen Kranz niederlegen.

Bin Laden gilt als Hauptdrahtzieher der Anschläge, bei denen allein in New York etwa 2600 Menschen ums Leben gekommen waren. Bei der Bekanntgabe des Todes Bin Ladens in der Nacht zum Montag hatte Obama die Hoffnung geäußert, dass die Familien der Opfer nun zumindest etwas Frieden finden könnten.

Bin Laden Fotos bleiben geheim

Inzwischen legte sich das Weiße Haus darauf fest, die Fotos vom toten Bin Laden nicht freizugeben. "Es ist uns sehr wichtig, dass sehr eindringliche Fotos von jemandem, der in den Kopf geschossen wurde, nicht zur Anstachelung weiterer Gewalt oder als Propaganda-Werkzeug im Umlauf sind", sagte Obama CBS. Es gebe keinen Zweifel, dass Bin Laden tot sei. Auch Mitglieder des Terrornetzes Al-Kaida bezweifelten das nicht. Ob die Fotos veröffentlicht würden oder nicht, mache keinen Unterschied. Wer noch immer nicht vom Tod des Terroristenchefs überzeugt sei, werde auch nicht von Bildern umgestimmt, sagte Obama.

Noch immer werden neue Einzelheiten der Kommandoaktion gegen Amerikas Staatsfeind Nummer eins in der pakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad bekannt. CIA-Chef Leon Panetta sagte, Bin Laden sei unbewaffnet gewesen. Es habe jedoch Schießereien gegeben - "bedrohliche Bewegungen, die unsere Jungs gefährdet haben. Darum haben sie geschossen", sagte Panetta dem US-Sender PBS. Die Soldaten hätten dafür ausdrücklich die Befugnis gehabt. "Hätte er (Bin Laden) die Hände hochgenommen und aufgegeben oder ein anderes Zeichen gemacht, dass er keine Gefahr darstellt, dann hätten ihn die Soldaten festgenommen."

Tochter als Zeugin

Obama habe die Tötung Bin Ladens nicht mitangesehen, berichtete der CIA-Direktor. "Als die Teams in das Gebäude eingedrungen waren, gab es eine Zeitspanne von 20 bis 25 Minuten, in der wir nicht wussten, was dort passierte." Warum die Verbindung zwischen der Sondereinheit und dem Weißen Haus plötzlich abgebrochen war, sagte der Geheimdienstchef nicht. Schließlich sei das Code-Wort "Geronimo" gefallen, dass für den Tod des Al-Kaida-Chefs gestanden habe. An dem Einsatz waren laut Panetta 25 Elitesoldaten beteiligt.

Der US-Sender MSNBC berichtete, eine solche Mission erfordere Übung. Deshalb sei auf der US-Luftwaffenbasis im afghanischen Bagram das Anwesen Bin Ladens in Abbottabad nachgebaut worden. Dort sei der spätere Einsatz in Pakistan seit April geprobt worden.

Eine Tochter Bin Ladens soll nach pakistanischen Medienberichten die Erschießung ihres Vaters hautnah miterlebt haben. Wie die Zeitung "The News" unter Berufung auf Sicherheitskreise in Pakistan berichtete, wurde Bin Laden nach Aussage des zwölfjährigen Mädchens bei dem Militärcoup zunächst lebend gefasst und wenig später vor den Augen seiner Familie erschossen. Dem Bericht zufolge befindet sich die Tochter mit anderen Familienmitgliedern in der Hand der pakistanischen Behörden. Pakistanische Sicherheitskräfte hätten nach Ende des US-Einsatzes insgesamt 16 Menschen lebend und mit gefesselten Händen in dem Haus angetroffen.

Politiker hoffen auf Datenschatz

Neben der Leiche des Topterroristen habe das US-Spezialkommando große Mengen Material aus dem Unterschlupf Bin Ladens mitgenommen, berichteten US-Medien. Es seien fünf Computer, zehn Festplatten und mehr als 100 Speichergeräte wie DVDs und USB-Sticks sichergestellt worden. Dies sei eine "fantastische Ausbeute" für die US-Geheimdienste.

"Es ist mehr als wir erwartet haben", sagte ein Regierungsbeamter. "Wir haben schriftliches Material, Fotos, alle möglichen Sachen." Sie werden nun zur Analyse ins CIA-Hauptquartier im US-Bundesstaat Virginia gebracht. Die USA erhoffen sich davon unter anderem Hinweise auf die bisherige Nummer zwei der Al-Kaida, Aiman al-Sawahiri.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hofft auf wichtige Erkenntnisse für die Bekämpfung des Terrorismus auch in Deutschland. Die Bundesrepublik werde "sicherlich davon profitieren", wenn Erkenntnisse über Gefährdungen an deutsche Stellen weitergegeben würden, sagte Friedrich.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen