Auch mit Scholz' Unterschrift Nord-Stream-2-Papier: Alte Regierung wischte Bedenken weg
14.10.2022, 10:43 Uhr (aktualisiert)
Ungenutzte Rohre für die Nord-Stream-2-Pipeline
(Foto: REUTERS)
Als die Genehmigung für die Nord-Stream-2-Pipeline Ende 2021 stockt, bringt die Regierung Merkel ein Gutachten auf den Weg, das heute mindestens naiv wirkt. Bedenken, etwa in puncto Energieabhängigkeit von Russland, weist es lapidar zurück. Zu den Unterzeichnern gehört auch der heutige Kanzler.
Ein bislang geheim gehaltenes Gutachten der früheren Bundesregierung ist noch im vergangenen Dezember zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gaspipeline Nord Stream 2 die Versorgungssicherheit verbessern würde. Der zentrale Satz in der 54-seitigen Stellungnahme, aus dem der "Spiegel" zitiert, lautet: "Die Gas- und Elektrizitätsversorgung der Bundesrepublik Deutschland wird nicht gefährdet." Daran änderten auch "die besonderen Umstände des Einzelfalls" nichts, ebenso wenig der "Grundsatz der Energiesolidarität" in der EU.
Erst zwei Tage vor dem Ende der regulären Regierungszeit schickte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier das Gutachten an die Bundesnetzagentur, damit der Genehmigungsprozess für die neue Leitung weitergehen konnte. Mit abgezeichnet hat das brisante Gutachten auch das Bundesfinanzministerium des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz.
Aus der Feststellung, dass sich die "Importabhängigkeit der EU deutlich erhöht" habe und heute bei "fast 90 Prozent" liege, zog das Wirtschaftsministerium nicht den Schluss, dass mit Nord Stream 2 die Abhängigkeit noch größer, noch riskanter wird. Sondern: "In diesem Kontext erhöht die Nord Stream 2-Pipeline die europäische Versorgungssicherheit, da sie die Gasversorgung aus neuen Feldern der Jamal-Halbinsel ermöglicht."
Ukraine und Polen äußerten Bedenken
Das Wirtschaftsministerium wischte auch Bedenken weg, die in dem Anhörungsverfahren für das Gutachten von der Ukraine und Polen vorgetragen worden waren. Der ukrainische Gas-Staatskonzern etwa wies darauf hin, dass Gazprom im Herbst 2021 die Liefermengen durch die ukrainischen Pipelines gekürzt habe. Die Polen erinnerten das Wirtschaftsministerium daran, dass Russland im Gasstreit mit der Ukraine 2008/2009 und auch 2014 schon die Bereitschaft gezeigt habe, Gas als politisches Instrument zu nutzen.
Außerdem sei Gazprom "aufgrund personeller Überschneidungen direkt mit der russischen Regierung verflochten und diese daher in der Lage, über Gazprom politischen Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben". Das Wirtschaftsministerium erwiderte darauf, es habe "diese Hinweise geprüft, sieht im Ergebnis aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Gasversorgungssicherheit durch die Zertifizierung".
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 13. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, jog