Politik

Steine auf deutsches Camp Bundeswehr gibt Stützpunkt auf

Feldjäger in Talokan - das wird es wahrscheinlich nicht mehr geben.

Feldjäger in Talokan - das wird es wahrscheinlich nicht mehr geben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Unruhen wegen der Koranverbrennung in Afghanistan dehnen sich aus. Hunderte Menschen demonstrieren vor dem Bundeswehr-Stützpunkt Talokan, manche werfen mit Steinen. Die Deutschen geben das Lager auf und ziehen sich mit sämtlichen Fahrzeugen nach Kundus zurück. Zuvor hatte sich US-Präsident Obama für die Verbrennung entschuldigt.

Wegen der gewaltsamen Proteste in Afghanistan hat sich die Bundeswehr vorzeitig komplett aus ihrem Stützpunkt Talokan zurückgezogen. Allerdings sollte das Lager im März ohnehin geräumt werden. Nach der Koranverbrennung durch US-Soldaten in Afghanistan sind bei gewaltsamen Protesten bereits mehrere Menschen ums Leben gekommen.

Angesichts eines Auflaufs von rund 300 Demonstranten unmittelbar vor dem Stützpunkt Talokan habe der Kommandeur der Nordregion die mit der Räumung beschäftigten Kräfte ins rund 70 Kilometer entfernte größere Feldlager Kundus abrücken lassen, teilte die Bundeswehr mit. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos berichtete, die rund 50 Soldaten hätten sämtliche Fahrzeuge mitgenommen.

Das Lager sei zuvor mit Steinen beworfen worden, hieß es. Der relativ kleine Komplex ist schwierig zu sichern, weil er mitten in der 200.000-Einwohner-Stadt liegt. Ob die Soldaten für abschließende Räumarbeiten noch einmal zurückkehren, konnte der Sprecher nicht sagen. Dies entscheide sich je nach Bedarf und Entwicklung der Lage am Ort.

Bereits im vergangenen Frühjahr war die Hauptstadt der Provinz Tachar zweimal in die Schlagzeilen geraten. Bei einem Angriff von Demonstranten auf das Camp wurden im Mai mehrere Menschen erschossen. Keine zwei Wochen später wurden bei einem Anschlag auf den Gouverneurspalast von Talokan unter anderen der Polizeichef für Nordafghanistan und zwei Bundeswehrsoldaten getötet. Der Bundeswehr-Kommandeur für Nordafghanistan, General Markus Kneip, wurde verletzt.

Zusammenstöße in Bundeswehr-Einsatzgebiet

Afghanische Polizisten feuern auf protestierende Landsleute.

Afghanische Polizisten feuern auf protestierende Landsleute.

(Foto: REUTERS)

Zuvor war bei Ausschreitungen wegen der unbedachten Koranverbrennung durch US-Soldaten erneut ein Demonstrant getötet worden. Zu den jüngsten Zusammenstößen kam es in der nordafghanischen Provinz Baghlan, die zum Einsatzgebiet der Bundeswehr gehört. Der Gouverneur des Distrikts Baghlan-e-Markasi, Amir Gul, sagte, Hunderte Aufrührer hätten versucht, das dortige Polizei-Hauptquartier zu stürmen. Ein Demonstrant sei dabei getötet worden. Vier Menschen - zwei Demonstranten und zwei Polizisten - seien verletzt worden.

Außerdem wurden erneut zwei Isaf-Soldaten von einem afghanischen Kameraden erschossen. Aus afghanischen Sicherheitskreisen hieß es, dies sei bei Protesten vor einem US-Stützpunkt im Distrikt Khogyani geschehen. "Es scheint, als tötete er sie, um die Koranverbrennung zu rächen." Erst am Montag hatte ein afghanischer Polizist einen albanischen Isaf-Soldaten getötet.

Wegen der Koran-Verbrennung riefen auch die Taliban erneut zu Angriffen auf Isaf-Soldaten auf. "Tapfere afghanische Muslime" sollten Stützpunkte und Konvois der internationalen Militärs angreifen, hieß es in einer Mitteilung der Aufständischen. Afghanen sollten Ausländer schlagen, fangen und töten, damit diese lernten, den Koran nie wieder zu schänden.

Mehrere Demonstranten sterben

Am Mittwoch waren nach unterschiedlichen Behördenangaben zwischen sieben und neun Demonstranten bei Ausschreitungen in Kabul und in ostafghanischen Provinzen gestorben. Am Rande der Hauptstadt Kabul kam es ebenfalls wieder zu Protesten. Dort versammelten sich rund 1000 Demonstranten, wie Polizeichef Ajub Salangi sagte. "Es ist friedlich, aber wir haben viel Polizei hingeschickt, damit die Lage nicht außer Kontrolle gerät." Afghanen protestieren seit Dienstag gegen die Koranverbrennung.

Sicherheitskräfte tragen eine amerikanische Flagge weg, die der wütende Mob angezündet hat.

Sicherheitskräfte tragen eine amerikanische Flagge weg, die der wütende Mob angezündet hat.

(Foto: dpa)

Auch die islamischen Staaten verurteilten die Koranverbrennung. Die Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIC) betonte in einer Erklärung, die Tat stehe im Widerspruch zu den gemeinsamen Bemühungen von muslimischen Ländern und internationaler Gemeinschaft, Intoleranz und religiösen Hass zu bekämpfen. Zugleich begrüßte die Organisation, der 57 Staaten angehören, das Verhalten von US-Verteidigungsminister Leon Panetta und Isaf-Kommandeur John Allen. Beide hatten sich für den Vorfall ausdrücklich entschuldigt.

Die Isaf teilte mit, ein Team aus Isaf-Angehörigen und Vertretern der afghanischen Regierung habe das Gefängnis auf dem Stützpunkt Bagram untersucht, um die Umstände der Koranverbrennung zu untersuchen. Die Korane, die entsorgt werden sollten, waren dort Häftlingen zur Verfügung gestellt worden.

Obama entschuldigt sich

Auch US-Präsident Barack Obama hat sich nach Angaben der afghanischen Regierung für die unbedachte Koranverbrennung durch amerikanische Soldaten in Afghanistan entschuldigt. US-Botschafter Ryan Crocker habe das offizielle Schreiben an Präsident Hamid Karsai übergeben, teilte der Präsidentenpalast in Kabul mit.

Darin habe Obama auch betont, dass die Verbrennung von Exemplaren des Korans auf der US-Basis Bagram nicht vorsätzlich geschehen sei. Der US-Präsident habe eine vollständige Aufklärung des Falls zugesagt. "Ich übermittele Ihnen und dem afghanischen Volk meine aufrichtige Entschuldigung", hieß es nach Angaben des Palastes in dem Brief Obamas an Karsai. "Der Fehler war unbeabsichtigt. Ich versichere Ihnen, dass wir geeignete Schritte unternehmen, um jede Wiederholung zu vermeiden."

Das beinhalte auch, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Vorfall sorgt seit Dienstag für schwere Ausschreitungen in Afghanistan, bei denen mehrere Menschen gestorben sind. Am Dienstag hatten afghanische Arbeiter beim Durchwühlen einer Müllhalde am Stützpunkt Bagram rund 75 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Kabul verkohlte Exemplare des Koran gefunden.

Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP/rts

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